Der tiefe Riss im VfB-Präsidium
Das Verhältnis zwischen Vereinschef Claus Vogt und Präsidiumsmitglied Christian Riethmüller ist zum Zerreißen gespannt. Dabei habendie beiden Funktionäre des VfB Stuttgart sich noch vor Kurzem geschätzt und gegenseitig unterstützt – Szenen einer zerrütteten Beziehung.
Carlos Ubina
StuttgartEs gibt dieses Bild voller Harmonie. Zu sehen sind darauf Claus Vogt und Christian Riethmüller, wie sie lachen und mit den Fäusten leicht gegeneinanderschlagen – die Ghettofaust als Zeichen ihres Zusammenhalts. Aufgenommen wurde das Foto während der Mitgliederversammlung des VfB Stuttgart am 18. Juli 2021. Wenig später kam Rainer Adrion zu einer weiteren Aufnahme hinzu. Sie zeigt das frisch gewählte, geschlossen auftretende und jubelnde Präsidiumstrio des VfB e. V. Die Szene sollte den Aufbruch in eine neue Zeit für den Fußball-Bundesligisten dokumentieren.
Eineinhalb Jahre ist das jetzt her – und die Realität eine andere: Das Verhältnis zwischen Vogt und Riethmüller gilt als zerrüttet. „Atmosphäre und Klima im Präsidium sind nicht gut“, sagt Riethmüller auf Nachfrage. Mehr gibt er nicht preis. Aus Loyalität dem Verein gegenüber. Doch zuvor wurde auf die entsprechende Anfrage unserer Redaktion an die einzelnen Präsidiumsmitglieder, wie sie das Binnenklima einschätzen, lange um eine passende Formulierung gerungen. „Die Arbeit im Präsidium ist an Inhalten orientiert. Wir müssen uns dabei nicht immer einig sein. Daher gibt es Themen, die kontrovers diskutiert werden. Zum Schluss gibt es immer eine demokratische Entscheidung“, heißt es in einer Erklärung des VfB-Präsidiums schließlich.
Diplomatische Worte, um den schönen Schein zu wahren. Vogt und Adrion wollen sich nicht darüber hinaus äußern – ebenfalls, um dem Verein nicht zu schaden. Allerdings ist es auf der Geschäftsstelle ein offenes Geheimnis, dass die Beziehung zwischen Vogt und Riethmüller zum Zerreißen gespannt ist. Im vergangenen Oktober kam es bei einem Essen im Mercedes-Benz-Museum sogar zu einem offenen und lautstarken Streit am Tisch. Zu den Augen- und Ohrenzeugen zählte Adrion, der zwischen seinen Präsidiumskollegen immer wieder als Vermittler dient.
Eskaliert ist die Situation zwischen den beiden Unternehmern bereits zuvor im Aufsichtsrat der VfB AG, dem sowohl Vogt als auch Riethmüller und Adrion angehören. Der Präsident wollte den im Aufsichtsrat angesehenen Riethmüller bei der Neubestellung offenbar draußen haben – und soll darauf hingewirkt haben. Auf Vogts’ Frage an Riethmüller, ob er überhaupt weitermachen wolle, antworte Riethmüller mit der Gegenfrage, ob Vogt sich denn wünsche, dass er bleibe. Vogt reagierte als Vorsitzender des Kontrollgremiums mit Schweigen.
An der Personalie Bertram Sugg, der als verdientes Aufsichtsratsmitglied nicht nur gegen seinen eigenen Willen ausscheiden musste, rieben sich Vogt (gegen Sugg) und Riethmüller (für Sugg) erneut, ebenso an der Frage um eine Aufsichtsratsvergütung, die Riethmüller ablehnt. Nach Auskunft des VfB gibt es jedoch keine Themen, die aufgrund der persönlichen und inhaltlichen Differenzen vom Präsidium nicht behandelt wurden. Verzögerungen aber wohl schon, eine umstrittene Personalführung des Präsidenten ebenso. Insider sprechen von einer bleiernen Schwere, die das Klima im roten Clubhaus belastet – ausgehend von den internen Auseinandersetzungen beim VfB, die sich über den Vereinsbeirat, das zweite Vereinsgremium, fortsetzen.
Nach dem überwunden geglaubten Machtkampf zwischen dem früheren AG-Boss Thomas Hitzlsperger und Vereinschef Vogt bestimmt nach dem Weggang des Ex-Profis noch immer Lagerdenken häufig das Geschehen an der Mercedesstraße 109 in Bad Cannstatt: Es gibt die Vogt-Befürworter und die Vogt-Kritiker, was den Vereinsbeirat entzweit hat. So tief ist auch hier der Riss mittlerweile, dass bei der Sitzung Mitte Dezember eine Mediatorin Arbeit bekam.
Zu den Szenen, die auf eine wenig konstruktive Zusammenarbeit und eine gestörte Atmosphäre schließen lassen, gehören zudem die Auftritte des Präsidenten und seines für die Finanzen zuständigen Präsidiumsmitglieds Riethmüller auf der Mitgliedersammlung in diesem Jahr. Vogt erwähnte in seiner Rede den Vorstand der AG um Alexander Wehrle positiv, auch Vizepräsident Adrion und einzelne Vereinsbeiräte. Über Riethmüllers Arbeit? Kein lobendes Wort. Dabei hatte der Tübinger den Budgetplan völlig neu aufgestellt, diesen den Mitgliedern und Medien erklärt, die aktuell roten Zahlen gerechtfertigt und Maßnahmen für künftig nachhaltig positive Ergebnisse präsentiert.
Zuletzt stellte sich Riethmüller, der 2019 gegen Vogt als Präsidentschaftskandidat angetreten war, den Fans auf zwei Regionalversammlungen. Dabei präzisierte und korrigierte er die öffentliche Erklärung des Präsidiums zu einem möglichen Satzungsverstoß im Fall der Vereinsbeiräte André Bühler und Marc Nicolai Schlecht – ein Thema, das die VfB-Gremien aufwühlt. Vogt war dagegen schon länger nicht mehr auf einer solchen Veranstaltung für die Anhänger. Zahlreiche andere Repräsentationstermine nimmt er jedoch wahr, gerne auch medienwirksame.
Bilder, die Einigkeit zwischen Vogt und Riethmüller demonstrieren, gibt es dagegen nur noch selten. Was auch daran liegt, dass die beiden Funktionäre, die sich vor der Mitgliederversammlung 2021 gegenseitig schätzten und unterstützten, die VfB-Spiele nicht mehr Seite an Seite verfolgen.
Hitzlsperger hatte Recht. Vogt so schnell wie möglich raus!!!!!!