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Spielgerät
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Granadaseggl
Ein langes und sehr interessantes Interview mit Hitz in der SZ aus Anlass seines Coming Outs vor 10 Jahren . Leider hinter der Paywall. Ich stelle mal wieder fest, dass der Mensch Hitzlsperger für den VfB eine Nummer zu groß war. Mindestens.
Ein paar Auszüge:

SZ: Herr Hitzlsperger, was haben Sie am Vormittag des 8. Januar 2014 gemacht?

Thomas Hitzlsperger: Ich war hier in München und die Tage vorher extrem angespannt. So viele Jahre, in denen ich mir den Kopf zerbrochen hatte, Gespräche geführt, Interviewfassungen hin und her redigiert. Aber an dem Vormittag hatte ich das gute Gefühl: Ich bin vorbereitet, jetzt geht’s endlich los. Familie und Freunde waren informiert, mit einer Agentur hatte ich zwei Videos vorbereitet, eines auf Deutsch, eines auf Englisch. Das Interview war geführt und musste nur noch in Druck, es war nichts mehr zu ändern. Ein Gefühl, wie wenn du vom Zehn-Meter-Turm gesprungen und noch nicht unten angekommen bist.

m 11.49 Uhr ging die Pressemitteilung der „Zeit“ raus. Was passierte dann?

Der Server der Zeit brach zusammen. Mein Handy stand nicht mehr still, einfach alle haben sich gemeldet. Viel Lob, ganz viel Zuspruch. Es hagelte Interviewanfragen, die Tagesschau hat berichtet. Ich war die ganze Zeit im Austausch mit der Agentur, gemeinsam haben wir das abgearbeitet.

Und all das, weil ein Mann öffentlich sagt: Ich bin schwul. Ehrlich, das gibt einem schon zu denken.

Ja, stimmt. Aber alle Beteiligten wussten lange vorher, dass es eine große Sache sein könnte. Homosexualität im Profifußball: Das Thema waberte so. Darüber wurde getuschelt, darüber wurde geschrieben, es gab auch mal ein Interview mit einem anonymen Fußballer. Philipp Lahm und andere prominente Spieler haben sich geäußert. Und du denkst: Nein, das bringt uns hier nicht weiter, ich könnte einen besseren Beitrag leisten. Denn es gab schon ein paar Aussagen, die mich geärgert haben. Es hieß immer, die Medien sind das Problem, die Sponsoren, die Fans. Aber das war es gar nicht. Sondern ich habe mich halt unwohl in der Kabine gefühlt.

Welches Motiv hat damals überwogen: Der Wunsch, sich selbst zu befreien, oder das Bedürfnis, anderen auf diesem Weg zu helfen?

Es gab viele Aspekte, die mir wichtig waren. Ich wollte auf gar keinen Fall geoutet werden – wenn, dann sollte es zu meinen Bedingungen geschehen. „Selbstbefreiung“ trifft es nicht, denn ich war ja raus aus dem Fußball, meine Eltern und Freunde wussten alle Bescheid. Ich dachte vor allem: Wenn ich es nicht sage, dann sagt’s keiner. Ich wollte eine Diskussion über Homophobie im Fußball auf den Weg bringen, anderen eine Hilfestellung geben, indem ich aus meinem Leben erzählte.

Die hörbaren Reaktionen waren durch die Bank positiv. Mit dem Rückenwind im Kreuz: Wünschten Sie, Sie hätten den Schritt damals früher gemacht?

Ich wollte ja! Ich wollte wissen, wie sich das anfühlt, wie die Kollegen und die Fans reagieren. 2012 bin ich zu einem Medienanwalt gegangen und habe dem gesagt, dass ich der Zeit ein Interview geben werde. Ich wollte von dem eigentlich nur hören, was ich beachten sollte. Und der sagte: Lassen Sie das bleiben. Geben Sie auf gar keinen Fall ein Interview, Sie werden die Reaktionen nicht aushalten. Einerseits war ich sauer, andererseits habe ich seinen Ratschlag befolgt. Das war eine schwierige Zeit, weil ich da noch aktiver Fußballer war, eigentlich nicht mehr weiterspielen wollte und alles sich so vermischt hat.


.....

Gestehen Sie zu, dass der Schritt auch 2014 noch mutig war?

Hmmm. Das ist das, was die Leute automatisch sagen, heute noch: mutig. Gerade habe ich wieder eine Mail bekommen, in der mir jemand zu meinem Mut gratuliert. Meinen Eltern zu sagen, dass ich schwul bin, dafür habe ich Mut gebraucht. An dem Abend, als ich es ihnen erzählt habe, musste ich erst ein Bier trinken. Wenn jemand in einem Land, in dem Homosexualität unter Todesstrafe steht, offen homosexuell lebt: Das ist mutig. Aber in Deutschland?

Sie meinen, man riskiert hier eigentlich nichts.

Es gibt ja keine Gefahr durch die Gesetzgebung. Trotzdem muss ich aufpassen, das hier nicht kleinerzureden, als es war. Im Profifußball hatte sich vor mir in Deutschland noch keiner geoutet. Aber ich habe mich zunehmend unwohler gefühlt. Ich wollte auf keinen Fall mein Leben so verbringen, dass ich mich immer verdrehen muss, immer aufpassen, was ich sage. Das war keine Option mehr für mich.


...

Es gibt heute 265 000 Profifußballer weltweit, sieben von ihnen leben offen schwul. Wovor genau haben die anderen noch Angst?

Meine größte Sorge war die Mannschaftskabine. Ich erinnere mich an zwei Diskussionen, da wurden zum Teil krasse Sachen gesagt. „Mit einem schwulen Mitspieler würde ich nicht duschen.“ Oder eine Bemerkung zu unserem Physiotherapeuten: „Wenn du schwul wärst, ich würd’ mich von dir nicht anfassen lassen.“ Ich meine, das waren Mannschaftskollegen von mir!

Und Sie, was haben Sie gesagt?

Natürlich nichts. Weil ich total unsicher war. Meine Stimme hätte so gezittert, ich hätte mich quasi zwangsgeoutet.
Es bringt jetzt gar nichts, mit dem Kopf die rote Laterne einzuhauen
- Fabian Seneca Wohlgemuth -

Tamasi
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Grasdaggl
Allein schon deshalb lesenswert:

Und du denkst: Nein, das bringt uns hier nicht weiter, ich könnte einen besseren Beitrag leisten.

Die Standardformulierung ist doch: "Und dann denkt man: Nein, das bringt..."

Ich kann diese unpersönliche "Man"-Formulierung nicht leiden.

Allein deshalb:

:vfb:


schwaebi
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Halbdaggl
Wenn ich nach der Profikarriere gleich Trainer geworden wäre und nichts anderes als Fußball kennengelernt hätte? Irgendwann bist du siebzig, dann kommen die ganzen Fußballfunktionäre zu deinem Geburtstag, es wird über die alten Spiele geredet und sonst nichts. Das entspricht nicht meinen Vorstellungen. Dafür ist das Leben zu aufregend.


Diesen Satz mag ich sehr.

Kronenclub
Granadaseggl
Spielgerät hat geschrieben:Ein langes und sehr interessantes Interview mit Hitz in der SZ aus Anlass seines Coming Outs vor 10 Jahren . Leider hinter der Paywall. Ich stelle mal wieder fest, dass der Mensch Hitzlsperger für den VfB eine Nummer zu groß war. Mindestens.
Ein paar Auszüge:

SZ: Herr Hitzlsperger, was haben Sie am Vormittag des 8. Januar 2014 gemacht?

Thomas Hitzlsperger: Ich war hier in München und die Tage vorher extrem angespannt. So viele Jahre, in denen ich mir den Kopf zerbrochen hatte, Gespräche geführt, Interviewfassungen hin und her redigiert. Aber an dem Vormittag hatte ich das gute Gefühl: Ich bin vorbereitet, jetzt geht’s endlich los. Familie und Freunde waren informiert, mit einer Agentur hatte ich zwei Videos vorbereitet, eines auf Deutsch, eines auf Englisch. Das Interview war geführt und musste nur noch in Druck, es war nichts mehr zu ändern. Ein Gefühl, wie wenn du vom Zehn-Meter-Turm gesprungen und noch nicht unten angekommen bist.

m 11.49 Uhr ging die Pressemitteilung der „Zeit“ raus. Was passierte dann?

Der Server der Zeit brach zusammen. Mein Handy stand nicht mehr still, einfach alle haben sich gemeldet. Viel Lob, ganz viel Zuspruch. Es hagelte Interviewanfragen, die Tagesschau hat berichtet. Ich war die ganze Zeit im Austausch mit der Agentur, gemeinsam haben wir das abgearbeitet.

Und all das, weil ein Mann öffentlich sagt: Ich bin schwul. Ehrlich, das gibt einem schon zu denken.

Ja, stimmt. Aber alle Beteiligten wussten lange vorher, dass es eine große Sache sein könnte. Homosexualität im Profifußball: Das Thema waberte so. Darüber wurde getuschelt, darüber wurde geschrieben, es gab auch mal ein Interview mit einem anonymen Fußballer. Philipp Lahm und andere prominente Spieler haben sich geäußert. Und du denkst: Nein, das bringt uns hier nicht weiter, ich könnte einen besseren Beitrag leisten. Denn es gab schon ein paar Aussagen, die mich geärgert haben. Es hieß immer, die Medien sind das Problem, die Sponsoren, die Fans. Aber das war es gar nicht. Sondern ich habe mich halt unwohl in der Kabine gefühlt.

Welches Motiv hat damals überwogen: Der Wunsch, sich selbst zu befreien, oder das Bedürfnis, anderen auf diesem Weg zu helfen?

Es gab viele Aspekte, die mir wichtig waren. Ich wollte auf gar keinen Fall geoutet werden – wenn, dann sollte es zu meinen Bedingungen geschehen. „Selbstbefreiung“ trifft es nicht, denn ich war ja raus aus dem Fußball, meine Eltern und Freunde wussten alle Bescheid. Ich dachte vor allem: Wenn ich es nicht sage, dann sagt’s keiner. Ich wollte eine Diskussion über Homophobie im Fußball auf den Weg bringen, anderen eine Hilfestellung geben, indem ich aus meinem Leben erzählte.

Die hörbaren Reaktionen waren durch die Bank positiv. Mit dem Rückenwind im Kreuz: Wünschten Sie, Sie hätten den Schritt damals früher gemacht?

Ich wollte ja! Ich wollte wissen, wie sich das anfühlt, wie die Kollegen und die Fans reagieren. 2012 bin ich zu einem Medienanwalt gegangen und habe dem gesagt, dass ich der Zeit ein Interview geben werde. Ich wollte von dem eigentlich nur hören, was ich beachten sollte. Und der sagte: Lassen Sie das bleiben. Geben Sie auf gar keinen Fall ein Interview, Sie werden die Reaktionen nicht aushalten. Einerseits war ich sauer, andererseits habe ich seinen Ratschlag befolgt. Das war eine schwierige Zeit, weil ich da noch aktiver Fußballer war, eigentlich nicht mehr weiterspielen wollte und alles sich so vermischt hat.


.....

Gestehen Sie zu, dass der Schritt auch 2014 noch mutig war?

Hmmm. Das ist das, was die Leute automatisch sagen, heute noch: mutig. Gerade habe ich wieder eine Mail bekommen, in der mir jemand zu meinem Mut gratuliert. Meinen Eltern zu sagen, dass ich schwul bin, dafür habe ich Mut gebraucht. An dem Abend, als ich es ihnen erzählt habe, musste ich erst ein Bier trinken. Wenn jemand in einem Land, in dem Homosexualität unter Todesstrafe steht, offen homosexuell lebt: Das ist mutig. Aber in Deutschland?

Sie meinen, man riskiert hier eigentlich nichts.

Es gibt ja keine Gefahr durch die Gesetzgebung. Trotzdem muss ich aufpassen, das hier nicht kleinerzureden, als es war. Im Profifußball hatte sich vor mir in Deutschland noch keiner geoutet. Aber ich habe mich zunehmend unwohler gefühlt. Ich wollte auf keinen Fall mein Leben so verbringen, dass ich mich immer verdrehen muss, immer aufpassen, was ich sage. Das war keine Option mehr für mich.


...

Es gibt heute 265 000 Profifußballer weltweit, sieben von ihnen leben offen schwul. Wovor genau haben die anderen noch Angst?

Meine größte Sorge war die Mannschaftskabine. Ich erinnere mich an zwei Diskussionen, da wurden zum Teil krasse Sachen gesagt. „Mit einem schwulen Mitspieler würde ich nicht duschen.“ Oder eine Bemerkung zu unserem Physiotherapeuten: „Wenn du schwul wärst, ich würd’ mich von dir nicht anfassen lassen.“ Ich meine, das waren Mannschaftskollegen von mir!

Und Sie, was haben Sie gesagt?

Natürlich nichts. Weil ich total unsicher war. Meine Stimme hätte so gezittert, ich hätte mich quasi zwangsgeoutet.


Mit seinem offenen Brief war er sicherlich keiner der als Mensch oder charakterlich zu groß für den VfB ist.
Das war unwürdig.
#verpisst euch alle#


Spielgerät
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Granadaseggl
Kronenclub hat geschrieben:Mit seinem offenen Brief war er sicherlich keiner der als Mensch oder charakterlich zu groß für den VfB ist.
Das war unwürdig.


Da erkenne ich nichts unwürdiges.
Das war alles richtig und wahr, was in dem Brief stand. Er hat hart in der Sache aber nicht beleidigend formuliert. Er hat es aus ehrlicher Sorge um den Verein getan und nicht aus eigennützigen Motiven.
Der Brief zu diesem Zeitpunkt war ein taktischer Fehler. Das spricht aber eher für meine These, weil menschlich.
Es bringt jetzt gar nichts, mit dem Kopf die rote Laterne einzuhauen
- Fabian Seneca Wohlgemuth -

schwaebi
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Halbdaggl
Blackburn Rovers
Jon Dahl Tomasson expected to leave Blackburn as transfer chaos swirls

Die Bürohengste haben am letzten Tag des Transferfensters "Save" statt "Spieler anmelden" geklickt. :roll: Jetzt wollen sie einen neuen Trainer holen. Mal sehen, ob sie das hinkriegen.

Bundes-Jogi
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Grasdaggl
Schlaggerät Tomasson!

Google Translator-Übersetzung für "Striker Tomasson".
Kann halt "Keule Lagerhaus" nicht das Wasser reichen.
„Selbst das wildeste Tier kennt doch des Mitleids Regung“ – „Ich kenne keins und bin deshalb kein Tier“ (Richard III).




de mappes
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Spamferkel
Tamasi hat geschrieben:Endo nach dem Gewinn der Asienmeisterschaft direkt wieder in der Start-Elf von Liverpool. Nicht statt, sondern mit MacAllister. Cool!


Endo spielt bei Katar? :shock:
Don't criticize what you can't understand











Bundes-Jogi
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Grasdaggl
Nice Weather hat geschrieben:Klinsi Jogi Doppelspitz


Wenn schon, dann bitte Klinsi Jogi Doppelspitz-Weck.

Und dann als Ultra Chor: "Brétzedle-Buaba, Bretzedle-Buaba, hopfet, hopfet!"
„Selbst das wildeste Tier kennt doch des Mitleids Regung“ – „Ich kenne keins und bin deshalb kein Tier“ (Richard III).