RedBlues hat geschrieben:Damit sind wir dann endgültig in der ganzen Fußballabteilung eindeutig kein Verein mehr.
Sind wir ja auch ab der U16 nicht mehr - die höheren Jahrgänge gehören jetzt zu einer Fußball-AG.
Ich kann die Diskussion und die Überlegungen durchaus verstehen.
Es verändert sich im Profifußball halt alles hin zu noch mehr Profitabilität. Mit 2,5 Mio € kann man vielleicht einige Talente durch finanzielle Anreize halten oder hinzukaufen. Muss man wohl mittlerweile, wenn man mit den mäzen-finanzierten "Vereinen" wie Wolfsburg, den Reißbrettern oder den Vorchristlichen mithalten will.
Nichtsdestotrotz litt die Jugendabteilung des VfB in den vergangenen (mindestens) fünf Jahren ja auch unter zahlreichen Umstrukturierungen. Man hat die eigene Strahlkraft über- und die Konkurrenz unterschätzt. Man hat viel Kompetenz (Leitung, Trainer) verloren. Man hat auch kaum mehr große Talente herausgebracht. Hinzu kommt, dass halt auch die erste Mannschaft nicht mehr das Zugpferd ist, mit dem man die ganz großen Talente locken kann. Die gehen lieber zu den obigen Mannschaften oder auch nach Schalke, Leverkusen - zu den erfolgreicheren Teams.
Die grundsätzliche Frage ist halt, will man ausbilden oder will man nur die Toptalente aus den Jugendmannschaften haben.
Für ersteres ist eine zweite Mannschaft notwendig, weil bei weitem nicht alle Spieler, die den Weg in den Profifußball finden, schon mit 18 Jahren so weit sind, in einer der ersten drei Ligen zu spielen. Und weil man die Ausbildung in der eigenen Hand haben sollte.
Für zweiteres kann man verleihen, wenn der Spieler noch nicht so weit sind oder kurzfristig der Kaderplatz in der ersten Mannschaft besetzt ist, man von dem Talent perspektivisch aber selbst sportlich profitieren will.
Daraus folgt aber ein großer Mehraufwand an Organisation. Man muss geeignete Leihvereine finden, bei denen die Talente genügend Spielpraxis und weitere Ausbildung erhalten (ich denke da beispielsweise an Innenverteidiger oder Torhüter, die in den ersten Profijahren unbedingt Erfahrung sammeln müssen). Man muss Kontakt zu den Spielern halten, damit diese auch wieder zurück zu uns wollen. Man muss sie regelmäßig beobachten (und das eben bei mehreren Spielern u.U. bei unterschiedlichen Vereinen), um ihre Entwicklung einschätzen und beurteilen zu können. Es erfordert auch eine sehr komplexe Kaderplanung für die eigene Mannschaft, weil man auf kurzfristige Entwicklungssprünge der jungen Spieler ja gar nicht reagieren kann. Oder dann eben Talente verliert.
Gleichzeitig aber erfordert es mMn einen größeren Kader der ersten Mannschaft, weil man bei Verletzungsseuchen nicht mal eben einen Spieler aus der zweiten Mannschaft hochziehen kann (wie dies beispielsweise mit Sessa schon geschehen ist). Denn auf ausgeliehene Spieler hat man während der Leihe keinen Zugriff (oder man muss hochkomplexe Verträge aufsetzen - und dann muss dies der aufnehmende Verein ja auch mitmachen). D.h.: Man kann kurzfristig nicht von einem sich stark entwickelnden Talent profitieren. Genauso wie man ihm als Belohnung das Hineinschnuppern in die erste Mannschaft nicht mal eben ermöglichen kann.
Für mich fraglich ist auch, wie sich das Ganze auf den Teamspirit der U-Mannschaften auswirkt, wenn die Perspektive Zweite Mannschaft fehlt und nur die Rosinen in den jeweiligen Kadern gehätschelt werden. Und die Spieler müssen den Weg der Ausbildung via Leihe auch mitmachen wollen. Beim ein oder anderen (begabten) Jungspieler findet da mittlerweile ein Umdenken statt.
Zuletzt macht es übrigens auch einen Unterschied bei der Entwicklung der eigenen Trainer, wenn man denen die Perspektive "Zweite Mannschaft" nicht mehr geben kann. Von der Fürsorgepflicht für die jungen Spieler ganz abgesehen, die @RedBlues ja auch angesprochen hat.
Schindelmeiser hat sich gegen eine Auflösung der U23 entschieden, weil er der Ansicht war, dass diese als U21 gut geeignet ist, manche Spieler ein oder zwei Jahre länger an die Anforderungen des Profifußballs heranzuführen. Und da im Hintergrund ja bereits an Spielerverpflichtungen für die neue Saison gearbeitet wurde, scheint er nicht der einzige in der AG gewesen zu sein, der darin Sinn sieht.
Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass hier im Jugendbereich vieles mit Gewalt verändert werden soll - so wie im ganzen "Verein". Vielleicht geht es nicht anders, weil man sonst endgültig abgehängt wird. Aber ein gutes Gefühl habe ich bei solchen Gewaltakten nicht.
Wenn die Unfähigkeit einen Decknamen braucht, nennt sie sich Pech.
- Charles Maurice de Talleyrand -