Wer lesen mag, hier das gesamte Interview.
Ohne Dietrich hätten wir Hitzlsperger nicht als Sportvorstand.
Schon geil, wie er das hindreht.
[spoiler]VfB-Aufsichtsrat Wilfried Porth
„Buchwalds Geschichte ist einfach nicht richtig“
Von Peter Stolterfoht
Peter Stolterfoht
und Joachim Dorfs
Joachim Dorfs
-25. April 2019 - 18:03 Uhr
VfB-Aufsichtsrat und Daimler-Vorstand Wilfried Porth spricht im exklusiven Interview Klartext zu Guido Buchwald, Jürgen Klinsmann und Präsident Wolfgang Dietrich sowie der Gefühlslage im Hause Daimler.
Stuttgart - Wilfried Porth hat den VfB Stuttgart immer im Auge. Die bodentiefen Fenster in seinem Büro im elften Stock der Untertürkheimer Daimler-Zentrale eröffnen ihm einen unverstellten Blick auf das Clubgelände. Was er vom Team gerade zu sehen bekommt, gefällt dem Daimler-Vorstand und VfB-Aufsichtsratsvize natürlich nicht. „Wenn sich die Mannschaft in einem desolaten Zustand präsentiert, heißt das aber nicht, dass auch der Verein in einem desolaten Zustand ist“, sagt der 60-Jährige im Exklusivinterview mit der Stuttgarter Zeitung, in dem er sich vor den VfB-Präsidenten Wolfgang Dietrich stellt und in eine andere Richtung austeilt.
Herr Porth, gibt es etwas, das Sie mit Blick auf das Heimspiel gegen Mönchengladbach optimistisch stimmt?
Ich spüre, dass die Mannschaft den festen Willen hat, sich anders als zuletzt zu präsentieren. Ich spüre auch, dass Interimstrainer Nico Willig die richtigen Worte gefunden hat. Und dass dies von unserem Sportvorstand Thomas Hitzlsperger fachmännisch begleitet wird. Das Team hat jedenfalls neue Impulse bekommen. Ob das gegen Gladbach gleich zum Sieg reicht, wird man sehen.
Stimmen Sie uns zu, dass sich der VfB mit der 0:6-Niederlage in Augsburg zum Gespött der Bundesliga gemacht hat?
Ich glaube, man muss da auch unterscheiden können. Wenn sich die Mannschaft in einem desolaten Zustand präsentiert, heißt das nicht, dass auch der Verein in einem desolaten Zustand ist. Aber keine Frage, der Auftritt der Mannschaft in Augsburg war inakzeptabel. Von einem Akt der Selbstzerstörung, wie Sie geschrieben haben, kann aber keine Rede sein.
Der Faktor Wolfgang Dietrich
Ist diese Einschätzung so abwegig?
Ja, weil wir unter Wolfgang Dietrich viel aufgebaut haben, was nicht so schnell zerstört werden kann. Ohne den Präsidenten gäbe es nicht die Ausgliederung, ohne ihn gäbe es uns nicht als Investor, ohne ihn gäbe es nicht einen zweiten Investor, der bald mit dabei sein wird, und zuletzt gäbe es ohne ihn nicht den VfB-Sportvorstand Thomas Hitzlsperger. Es war Wolfgang Dietrichs Idee, ihn für dieses Amt vorzuschlagen. Dies waren alles Gremienentscheidungen, der Präsident aber hat den Impuls gegeben. Und genau so einen Präsidenten wollten wir.
Trotzdem wird man den Verdacht nicht los, dass beim VfB etwas Grundlegendes nicht stimmt. Ambitionen und Wirklichkeit klaffen doch seit Jahren weit auseinander. Trotz hoher Investitionen werden die Ziele regelmäßig weit verfehlt.
Die Erwartungshaltung wird auch hier in Stuttgart traditionell vom Umfeld kreiert.
Moment, der Präsident hat öffentlich das Ziel ausgegeben, sich im oberen Tabellendrittel zu etablieren.
Aber nicht sofort, es wurde ein langfristiges Ziel ausgegeben, das wir Schritt für Schritt erreichen wollen. Aber natürlich haben Sie recht. Wir hatten häufig Aufs und Abs. In dieser Saison fehlt der Mannschaft die Stabilität, weil unsere zentrale Achse auf dem Feld nicht wie gewünscht funktioniert.
Die Krise ist also rein sportlicher Natur?
Nein, da kommt viel zusammen. Ein Beispiel: Wir waren in den letzten Jahren immer wieder gezwungen, Trainerverpflichtungen vorzunehmen, die nicht von langer Hand geplant werden konnten, weil wir in schwierigen Situationen waren.
Kritik an Jürgen Klinsmann
Die Struktur der Gremien und wie dort gearbeitet wird, hat nichts damit zu tun, dass dem VfB der erneute Abstieg droht?
Ich sehe darin wirklich kein grundlegendes Problem. Nehmen wir die Verpflichtung von Michael Reschke als Sportvorstand. Dieser Beschluss wurde einstimmig gefasst. Und ich erinnere mich nicht daran, dass diese Personalie auch nur von einer Zeitung negativ bewertet wurde. Dass es am Ende nicht geklappt hat, darüber sind wir selbst am meisten enttäuscht.
Jürgen Klinsmann hat angemerkt, dass beim VfB zu viel von Leuten entschieden wird, die von Fußball keine Ahnung haben.
Ein Bundesligist ist heute auch ein wirtschaftliches Unternehmen. Deshalb brauchen wir Experten, die davon etwas verstehen, genauso wie Fußball-Sachverständige. Ich habe mit Jürgen Klinsmann in den letzten Jahren einige Gespräche geführt. In diesen Unterhaltungen ist allerdings völlig unklar geblieben, welchen konkreten Beitrag er zum Erfolg des VfB leisten kann und will – und vor allem: zu welchen Konditionen. Ganz ehrlich: Diese pauschale Verunglimpfung finde ich abenteuerlich. Ich verstehe, dass Fußballer nach ihrer Karriere eine Aufgabe im Management suchen. Dazu braucht es in diesem auch wirtschaftlich hochprofessionell gewordenen Geschäft aber die Kenntnisse und Kompetenzen, um – in unserem Fall – eine AG zu führen.
Der Fall Guido Buchwald
Die wird nun mal in allererster Linie am sportlichen Erfolg gemessen. Die Fans beruhigt es im Moment nicht, dass der VfB finanziell gut dasteht, sondern es ärgert sie, dass es sportlich ganz schlecht aussieht.
Noch mal: Wir sind am unglücklichsten darüber, dass unsere Entscheidungen noch nicht zu dem sportlichen Erfolg geführt haben, den wir uns vorstellen. Wir haben mit Daimler höchste Ansprüche. Wir wollen die Nummer 1 im Premiumsegment sein, die Nummer 1 als Unternehmen. Wir dominieren seit Jahren die Formel 1, übrigens nach Jahren, die extrem schwierig waren. Sie glauben doch nicht im Ernst, dass wir in den VfB über 40 Millionen investieren und mit dem Ist-Zustand zufrieden sind.
Bedauern Sie es eigentlich, dass sich Guido Buchwald aus dem Aufsichtsrat zurückgezogen hat?
Ich bedaure die Situation sehr. Uns verbindet ja mehr als die Zeit beim VfB. Als ich in Japan für Mitsubishi tätig war, arbeitete er als Trainer und Manager bei den Urawa Red Diamonds, unserem Firmen-Team. Der Guido ist eine Ikone in Japan. Er konnte leider den Erfolg, den er in Japan hatte, nicht auf Deutschland übertragen. Die Situation mit ihm im Aufsichtsrat war sehr schwierig. Und die Geschichte, die er jetzt erzählt, ist einfach nicht richtig.
Die Geschichte lautet . . .
. . . dass ich ihn rausgemobbt hätte.
Es geht um den Vorfall im VIP-Raum, wo Sie ihn nach dem Spiel gegen Freiburg angeschrien haben sollen.
Man muss früher anfangen. Guido Buchwald hat Monate zuvor schon in einem Interview gesagt, dass er über Vorgänge beim VfB nur aus der Zeitung erfahren hat. Er hat behauptet, dass er sich im Aufsichtsrat gegen Entscheidungen ausgesprochen habe. Das ist einfach unwahr. Da gibt es SMS und Aussagen vor Zeugen, dass er die Verpflichtung von Herrn Reschke ganz klasse fand. Dass er viele andere Dinge auch klasse fand. Dazu kommt, dass er immer über alles informiert war, über jeden Spieler, der verpflichtet werden sollte, obwohl der Vorstand dazu gar nicht verpflichtet gewesen wäre. Wenn er dann sagt, er habe davon aus der Zeitung erfahren, ich sage es noch mal, dann ist das unwahr.
Hat Guido Buchwald gelogen?
Wie ging es dann weiter?
Nach dem Freiburg-Spiel kritisierte Thomas Berthold Vorstand und Aufsichtsrat des VfB. Er berief sich dabei explizit auf Guido Buchwald.
Kritik ist beim VfB also unerwünscht?
Es ist absolut legitim, Kritik zu üben und eine andere Auffassung zu haben. Guido Buchwald hatte aber keine andere Auffassung. Die hat er hinterher kreiert, nachdem es nicht lief. Ich habe ihm aber weder gesagt, er solle zurücktreten, noch dass er an der Krise des VfB schuld sei. Er hat das aber behauptet, was nachweislich falsch und nicht akzeptabel ist. Darauf habe ich ihn emotional hingewiesen. Jetzt hat er ja wieder ein entsprechendes Interview bei Sport 1 gegeben, diesmal mit der Unterstützung des Trainer-Neulings Stefan Effenberg.
Werden Sie noch mal mit Guido Buchwald reden.
Ja natürlich, jederzeit, wenn er will.
Bei den Vorwürfen von Guido Buchwald hat ja auch mitgeschwungen, dass Wolfgang Dietrich und Sie Entscheidungen träfen und dass der restliche Aufsichtsrat lediglich ein Abnick-Gremium sei.
Das würde zum Beispiel bedeuten, Hartmut Jenner wäre Mitglied eines Abnick-Gremiums. Für jemanden, der den Kärcher-Chef kennt, klingt das absurd.
Was ist mit Quattrex?
Bei Ihnen klingt es ein bisschen danach, Vorstand und Aufsichtsrat hätten alles richtig gemacht und die Devise lautet: weiter so.
Nein! Egal, wie diese Saison endet, müssen wir Dinge aufarbeiten. Wahrscheinlich haben wir die Entscheidung zu spät getroffen, den Sportvorstand durch einen Sportdirektor zu entlasten. Jetzt haben wir den umworbenen Sven Mislintat bekommen, was früher wahrscheinlich nicht möglich gewesen wäre. Vielleicht haben wir uns auch zu früh von Tayfun Korkut getrennt.
Kommen wir zu Herrn Dietrich und Quattrex. Ist es Ihrer Meinung nach unbedenklich, wenn der Präsident des VfB Stuttgart Erträge aus Geschäften mit anderen Fußballclubs erzielt?
Alles, was jetzt diskutiert wird, war vor seiner Wahl bekannt. Wirklich alles. Der VfB und die DFL haben alle Unterlagen von Wolfgang Dietrich vorgelegt bekommen. Das ist und war alles geprüft und in Ordnung. Wir haben uns ja ganz gezielt für einen Präsidenten entschieden, der im Fußballgeschäft aktiv war. Aus seiner Tätigkeit als Privatunternehmer hat er jetzt noch Engagements, die sukzessive auslaufen. Ganz wichtig dabei: Es sind keine erfolgsabhängigen Engagements. Es hat also keine Auswirkung für ihn, wenn Union Berlin oder Heidenheim in die erste Liga aufsteigen.
Unverständlich ist aber, dass laut Handelsregister immer noch Wolfgang Dietrichs Firma VMM 50 Prozent an der Quattrex Finance GmbH hält.
Der Verkauf dieser Anteile ist an das Finanzergebnis 2017 geknüpft. Dazu braucht es den Jahresabschluss. Den Vertrag zur Übertragung hat er aber längst gemacht. Jetzt aber stehen erst die Termine zur Handelsregisterübertragung fest.
Daimler hat den Fall Dietrich selbst überprüft
Für Daimler ist Compliance ein sehr wichtiges Thema. Würde dieser Fall einer Überprüfung Ihres Hauses standhalten?
Das haben wir ja im Zuge unserer Investition überprüft. Logisch. Am Ende gab es vom VfB, der Deutschen Fußball-Liga und von Daimler keinerlei Einwände. Wolfgang Dietrich arbeitet ehrenamtlich für den VfB und hat deshalb seine Geschäftsanteile verkauft. Das muss man doch auch mal anerkennen, und es zeigt doch seine Leidenschaft für den Verein.
Daimler hat Geschäftsanteile der VfB-AG gekauft. 11,75 Prozent für 41,5 Millionen Euro. Eine gute Investition?
Absolut. Der VfB steht für die Region, ist unser Nachbar und erhöht die Attraktivität des Standorts. Wir haben mit Überzeugung und ganzem Herzen investiert. Wir springen sicher nicht ab, wenn es kritisch wird.[/spoiler]