StZ (Gerhard Pfisterer und Carlos Ubina) hat geschrieben:Tim Walter, Trainer des VfB Stuttgart
„Ich sehe mich als väterlicher Freund“Von Gerhard Pfisterer und Carlos Ubina 25. Juli 2019 - 17:25 UhrTim Walter spricht über sein Rollenverständnis und seine emotionale Art als Trainer – und er verrät, bei welcher Fußballgröße er sich vor dem Wechsel zum VfB Stuttgart einmal mehr Rat geholt hat.Tim Walter steht vor seiner Pflichtspiel-Premiere als Trainer des VfB Stuttgart. Foto: dpa/Christoph Schmidt, Illustration: RuckaberleStuttgart - Gut gelaunt kommt Tim Walter zum Gespräch. Offen spricht der neue Trainer des Fußball-Zweitligisten VfB Stuttgart vor dem Saisonstart an diesem Freitag (20.30 Uhr) gegen Hannover 96 über sich und seine speziellen Methoden.
Herr Walter, wer ist aus Ihrer Sicht der beste deutsche Trainer?Es gibt viele gute deutsche Trainer. Aber Jürgen Klopp hat immer wieder bewiesen, dass er ein hervorragender Trainer ist. Es ist aber nicht nur immer abhängig von Titeln, ob einer ein guter Trainer ist. Sondern auch davon, wie er mit den Menschen umgeht. Und ich glaube, dass Kloppo eine sehr gute Art hat, mit Menschen umzugehen.
Wo würden Sie sich selbst in so einem Ranking einordnen?Das sollen andere machen. Ich bin zufrieden, wenn ich ein guter Vater für meine Kinder bin und wenn ich von meinen Spielern als guter Mensch eingeschätzt werde.
„Ich wollte immer Fußballspieler und Profi werden, ich wollte Reichtum und Ruhm“, haben Sie mal gesagt. Warum hat es als Spieler nicht geklappt, jetzt als Trainer aber schon?Ich hatte Talent, aber mir hat als Spieler der Ehrgeiz und der absolute Wille gefehlt, auch hätte ich damals meine Sensibilität ablegen müssen. Und ich hatte leider auch nicht den richtigen Trainer, der so mit mir gearbeitet hat, dass ich es vielleicht zu mehr schaffen hätte können.
Sind Sie als Trainer nun der Gegenwurf zum Spieler Tim Walter – jedenfalls sind Sie als Coach sehr zielstrebig und direkt.Definitiv, das war ich schon immer. So hat mich meine Mutter erzogen. Sie hat immer gesagt: Du musst zu dem stehen, was du machst, und deine Meinung auch vertreten. Und so habe ich es dann auch gemacht. Egal, ob man dann mal aneckt oder nicht. Aber ich kann immer in den Spiegel schauen – und das ist für mich das Entscheidende.
Ihre stetige Weiterentwicklung als Trainer ist Ihnen wichtig. Wer gibt Ihnen dabei Rückmeldung?Da habe ich schon so meine Menschen, die mich gut reflektieren können und mir ihre Meinung sagen.
Ihr erfahrener Co-Trainer Rainer Ulrich?Auf jeden Fall.
Und auch Matthias Sammer, wie wir gehört haben?Auch das ist richtig.
Wie kam diese Verbindung zustande?Über meine Zeit bei Bayern München, schon vom ersten Kontakt weg. Ich habe ein gutes Verhältnis zu ihm. Als es darum ging, dass ich vielleicht nach Stuttgart gehe, habe ich beispielsweise mit ihm geredet.
Und was hat er gesagt?Das verrate ich nicht (lacht).
Falls die Trainerkarriere nicht so weitergeht, wie Sie sich das vorstellen, wäre vielleicht auch Kommentator eine Alternative – zumindest, wenn man Ihr Agieren an der Seitenlinie verfolgt wie etwa bei der Generalprobe gegen den SC Freiburg (4:2).Ich bin sehr emotional. Für mich ist wichtig, dass ich das Ganze lebe. Denn so wie ich es lebe, leben es meine Jungs. Ich glaube, dass sie spüren, dass ich immer voll dabei bin, das ist für mich ganz wichtig. Aber: Es geht dabei immer um Fußball, das zwischenmenschliche Verhältnis zwischen uns wird darunter nie leiden. Ich will die Spieler als Fußballer besser machen. Dazu müssen sie kapieren, dass es manchmal hart wird, ich sie aber nie persönlich angreife.
Ihre Art des Coachings kostet viel Energie.Danach bin ich total platt, das stimmt. Nach jedem Spiel bin ich wie ein ausgepresster, ausgesaugter Schwamm, da kommt kein Tropfen mehr raus. Genau das bin ich. Genau das will ich für die Jungs sein, ich will immer für sie da sein. Deshalb muss ich das so machen, das steckt einfach so in mir drin.
Wie und wo laden Sie den Akku wieder auf? Es geht ja immer weiter und weiter, am nächsten Tag ist schon wieder Training.Ich kann sehr schnell den Schalter wieder umlegen, wenn ich eine Nacht darüber geschlafen habe. So richtig negativ bin ich eigentlich nur, wenn ich verliere, das mag ich gar nicht. Das hält aber auch nur einen Tag an, dann liegt der Fokus schon wieder auf etwas anderem.
Andere Trainer überlassen große Teile der täglichen Arbeit auf dem Platz Ihren Assistenten, Sie involvieren sich immer stark selbst. Ist das eine Beobachtung jetzt aus der Lernphase in der Vorbereitung oder ist das Ihre generelle Herangehensweise?Das ist immer so, ich kann nicht ruhig sein. Ich habe mir schon oft vorgenommen, mich im Training mal etwas zurückzuhalten. Ich kann das aber nicht (schmunzelt). Ich traue es meinen Co-Trainern natürlich absolut zu, sie sollen sich in jeder Situation voll einbringen und ihre Meinung sagen. Ich muss das aber einfach so leben, sonst habe ich das Gefühl, nicht zu 100 Prozent dabei zu sein.
Hart, aber herzlich – ist das eine treffende Beschreibung für Sie selbst?Väterlicher Freund, würde ich sagen, das versuche ich zu sein.
Und der väterliche Freund kennt nicht nur Zuckerbrot, sondern auch die Peitsche. Sie agieren beispielsweise bei den Übungseinheiten mit Strafen wie Purzelbäumen über den Platz für die Verlierer des Trainingsspiels, um den Siegeswillen zu schärfen – funktioniert das auf Dauer auch im Misserfolgsfall?Na klar, das geht immer. Aber ich bin davon überzeugt, dass wir Erfolg haben werden. Weil ich immer nur an den Erfolg denke und immer nur nach vorne schaue und immer nur positiv bin, egal, was ich tue.
Das erste Pflichtspiel mit der Zweitliga-Auftaktpartie gegen Hannover 96 steht vor der Tür. Wie sehr hat das Team Ihre Spielidee bereits verinnerlicht?Ich glaube, man hat das in der Vorbereitung schon gesehen: Egal, ob etwas Negatives oder etwas Positives auf dem Platz passiert, machen die Jungs weiter. Das ist eine Grundvoraussetzung, um erfolgreich zu sein. Egal, ob man in Führung geht oder in Rückstand gerät. Ob alles gleich auf Anhieb funktioniert, wird man sehen.
Es ist außergewöhnlich zu sehen, wie konsequent die Bälle unter Ihnen von hinten herausgespielt werden und nicht lang geschlagen werden. Wie schwer ist das einem Innenverteidiger zu vermitteln, dem jahrelang beigebracht wurde, kein Risiko einzugehen?Es geht dabei um Psychologie und Überzeugung. Wenn du draufhaust, wenn einer einen Fehler macht, verliert er den Mut. Aber ich animiere die Jungs dazu, immer weiterzumachen. Wenn einer hinten einen Fehler macht, versuchen die Jungs vorne es mit Toren auszumerzen. Wir machen alles gemeinsam. Deshalb ist es auch wichtig, dass Verlierer von Trainingsspielen Dinge gemeinsam machen und merken: Ich bin nicht alleine. Das Team ist der Schlüssel. Wer Fehler macht, muss aufgefangen werden und darf nicht alleine dastehen.
Wie zufrieden sind Sie mit der aktuellen Kaderzusammensetzung?Super. Natürlich freue ich mich auch, wenn ich noch einen oder zwei dazubekomme, aber ich bin ich auch so zufrieden. Ich arbeite immer mit dem, was ich habe, und versuche das Optimum rauszuholen. Wir haben eine harmonische Truppe, die immer Gas gibt.
Also haben Sie gerade nach dem langfristigen Ausfall von Neuzugang Sasa Kalajdzic nicht unverzüglich Ersatz im Angriff gefordert?Wir haben noch genug Stürmer hier, und in zwei, drei Wochen kommt Nico Gonzalez von den Panamerikanischen Spielen zurück. Dann haben wir genau den Spieler, den wir noch brauchen, weil Nico viel Tempo mitbringt.
Hinter ihm liegt eine unglückliche Premierensaison in Stuttgart, in der ihm viel misslungen ist.Nico ist ein guter Junge, er ist positiv verrückt und hat ein gutes Herz. Er hat eine Spielfreude und Wildheit, die man ihm lassen muss. Er hat Spaß, diese Freude darf man ihm nicht nehmen. Das ist seine Stärke. Man muss versuchen, dass er vor dem Tor ruhiger wird – und auch da bin ich mir sicher, dass wir das hinbekommen.
Es werden immer wieder Angebote für ihn kolportiert, zuletzt aus England . . .. . . da ist nichts dran.
Sie würden also Ihr Veto einlegen für einen Wechsel in diesem Sommer?Ja, definitiv. Nico ist unser Spieler, der bleibt da!