Ein ausführlichstes Portrait unseres neuen ZM. Wem die ganzen spieltaktischen Details zu unübersichtlich sind, der kann ja gleich zum Fazit übergehen...
(Es) kam ihm sehr entgegen, dass Paderborn strategisch passend auf seine Stärken ausgerichtet ist: Hohe Dominanz, durchaus ansprechendes Ballbesitzspiel und ein hohes Anlaufen des Gegners.
Der SC Paderborn hatte – in der 3. Liga – einen Dominanzanspruch in allen Spielphasen. Und warum scheint das so optimal für den schmächtigen Mittelfeldspieler zu sein?
Weil Philipp Klement alles ist: Ankersechser, balancierender Achter, Nadelspieler, dribbelstarker Flügelspieler, kreativer Zehner und Standardgott. Philipp Klement ist immer das, was das Spiel gerade von ihm verlangt. Und das ist in der zweiten Liga zu wenig für seine individualtaktischen Qualitäten.
Aufmerksamkeit erregt der gebürtige Ludwigshafener vorrangig mit seinen Distanzschüssen: Klement ist nicht nur bei Standards gefährlich, sondern kann den Gegner ebenso aus dem Spiel überraschen. Der 26-Jährige verbindet bei seinen Schüssen einen für den Torwart ekelhaft einzuschätzenden Topspin mit klinischer Präzision.
Doch den Spitznamen „Dirigent“ bekommt man nicht allein aufgrund gefährlicher Distanzschüsse verliehen. Vielmehr entspricht Klement dem Stereotypen des spielstarken zentralen Mittelfeldspielers: 1,74 Meter klein, schmächtig gebaut und Linksfuß. Im Laufe seiner Karriere hat Klement quasi jede Position im Mittelfeld bekleidet und kann überall seine Stärken einbringen.
In dieser Saison spielte der 26-Jährige ausschließlich im zentralen Mittelfeld, was nach eigener Aussage seinen Stärken am meisten entgegenkommt. Klement ist nämlich ein sehr ballsicherer Spieler. Diese Ballsicherheit erlangt er nicht nur durch seine – für Zweitligaverhältnisse – absolut herausragende Technik, sondern ebenso durch seine Übersicht.
Sein Umblickverhalten ist über jeden Zweifel erhaben: Vor jeder Aktion schaut Klement mehrmals über seine Schulter, um sich seiner Umgebung bewusst zu sein. Dadurch ist nicht nur sein Bewegungsspiel sehr stark und sorgt dafür, dass er selten unter Druck gerät; selbst falls er unter Druck gerät, behält er die Ruhe, weil er bereits vorher weiß, wo sich Mit- und Gegenspieler befinden.
Sein Bewegungsspiel ist aber nicht egozentrisch ausgerichtet, sondern dient der Aufrechterhaltung des Ballbesitzspiels seiner Mannschaft: Wenn das bedeutet, dass er im Mittelfeld unter Druck den Ball empfängt und zwei Gegenspieler ausmanövrieren muss, dann macht er das eben. Wenn das bedeutet, dass er den Ball mit einem Kontakt auf einen besser postierten Spieler klatschen lässt, dann macht er das auch.
Und wenn es bedeutet, dass sein Laufweg nur dem Zweck dient, seinem Mitspieler eine unbedrängtere Ballannahme zu ermöglichen: Philipp Klement macht das.
All diese Aktionen haben gemeinsam, dass Klement so das Ballbesitzspiel seiner Mannschaft ermöglicht bzw. verbessert. Er stellt die Verbindungen zwischen dem ersten, zweiten und letzten Drittel nicht nur durch seine Aktionen mit Ball her: Der 26-Jährige nutzt kluge Laufwege und Positionierungen, um die Balance seiner Mannschaft nicht zu gefährden bzw. herzustellen.
Beispielsweise balanciert er die Bewegungen des Paderborner Sechsers Jürgen Gjasula aus, indem er den ballfernen Halbraum nutzt, wenn Gjasula sich im ballnahen Halbraum anbietet. Er bietet Gjasula eine Verlagerungsoption, ohne sich ihm zu nah aufzudrängen und so Anspielstationen zu versperren.
Balancespieler erhalten in der öffentlichen Wahrnehmung – meiner Meinung nach – für ihre Qualitäten zu wenig Aufmerksamkeit. Die Aufstellung der Spieler wird akzeptiert, doch ihre Stärken und die Wichtigkeit für das Spiel der eigenen Mannschaft kaum beleuchtet. Klement erhielt diese Saison bisher nur so viel Aufmerksamkeit, weil er einige schöne Tore erzielt hat.
Nicht nur der Spielertyp des 26-Jährigen ist unterschätzt: Seine individuellen Qualitäten sind es ebenso. Der Mittelfeldspieler besitzt eine sehr enge Ballführung und eine herausragende Balance, die es ihm ermöglichen, sich auf engstem Raum mit Ball zu drehen.
Seine Ballan- und Mitnahmen sind technisch ebenfalls auf hohem Niveau: Bevor Klement den Ball empfängt, positioniert er seinen Körper optimal. Dadurch ist er in der Lage, den Ball mit dem ersten Kontakt in die angestrebte Spielrichtung mit- und somit direkt Dynamik aufzunehmen.
Seine Handlungsschnelligkeit wird ebenso in Szenen nach einer Balleroberung deutlich. Das Gegenpressing löst er auf, indem er abwartet und somit Druck und Gegner auf sich zieht. Aus diesem Druck befreit er sich mit besagter Ballführung und Balance. Die Anschlussaktionen des Ludwigshafeners sind sehr erfolgsstabil – teilweise auch absurd gut – und veranschaulichen, dass er sich nach dem Ballgewinn nicht erst neuorientieren muss.
Das ist ihm möglich, da Klement durch die dauerhafte Beobachtung des Geschehens bereits einen Überblick darüber hat, welche Optionen ihm zur Verfügung stehen.
Um jedoch konstant die richtige Option zu wählen und diese ebenso erfolgsstabil umzusetzen, benötigt man eine gute Handlungsschnelligkeit, hohe technische Qualitäten und eine gehörige Portion Spielintelligenz; Philipp Klement hat das alles.
Erfolgsstabiles Passspiel qualifiziert einen Spieler aus fußballromantischer Sicht aber noch nicht zum Zehner der A-Jugend des 1. FC Kaiserslautern: Stattdessen benötigt der Zehner das berühmt-berüchtigte „Auge für den tödlichen Pass“. Nicht ganz überraschend: Philipp Klement hat dieses Auge.
Ob mit dem Innen- oder mit dem Außenrist, ob als hoher Diagonalball oder als Schnittstellenpass: Wenn ein Mitspieler auf dem Weg Richtung Tor ist, wird Klement ihn nicht nur sehen, sondern auch anspielen. So spielt der 26-Jährige in dieser Saison bisher 3 Key Passes pro Spiel (Stand: 9.Spieltag), was nicht nur für einen zentralen Mittelfeldspieler stark ist.
Dabei kommt ihm selbstverständlich zugute, dass seine Standards ganz gut kommen und Hünemeier, Strohdiek, Gueye und Gjasula nicht gerade kopfballschwach sind. Der Wert ist trotzdem beeindruckend, weil Klement im Vergleich zur letzten Saison aus tieferer Grundposition agiert.
Doch nicht nur offensiv besitzt Klement große Qualitäten; in der Defensive hat er ebenso vereinzelt gute Momente.
Im hohen Paderborner Pressing prescht er bei Gelegenheit aus seiner tiefen Position vor, um den Gegner früh unter Druck zu setzen.
Der Mittelfeldspieler wählt seine Attacken sinnvoll unter Berücksichtigung einiger Trigger aus: Ob schlechte Orientierung, suboptimale Körperstellung, technische Schwächen oder eine schwache Staffelung des Gegners; Klement läuft den Gegner früh an und zwingt ihn so zum unkontrollierten Befreiungsschlag.
Besonders seine gute Handlungsschnelligkeit und das hohe Spielverständnis kommen ihm hier zugute. Außerdem besitzt Klement eine starke Ausdauer, welche es ihm erlaubt, auch in der Schlussphase weite (und wichtige) Wege zu gehen.
Es bleibt die Frage offen: Weshalb ist er noch nicht Weltfußballer geworden?
Weil Klement große (und offensichtliche) Schwächen hat. Sein Spielverständnis hilft ihm zwar im Pressing, kann seine Defizite im Zweikampfverhalten aber nicht kaschieren.
Der 26-Jährige attackiert zwar mit passendem Timing; im direkten Zweikampf fehlt es allerdings an Durchsetzungsvermögen. Seine körperliche Schwäche kommt besonders zum Tragen: Klement ist mit 1,74 eher klein und zusätzlich sehr schmächtig. Dementsprechend sind physische Duelle nicht seine Kerndisziplin.
Der Mittelfeldspieler hat jedoch nicht nur defensiv in isolierten Situationen seine Probleme: Offensiv fehlt es ihm an Dynamik und Explosivität, um in solchen Szenen Effekt zu haben.
Klements Ballverluste verlaufen oft nach dem selben Muster: Er wartet mit Ball ab, um nach der „perfekten“ Option zu suchen, treibt den Ball dabei in immer enger werdende Räume und isoliert sich somit vom restlichen Mannschaftsverbund.
Der „Dirigent“ versucht jede Szene spielerisch optimal zu lösen, doch einige Situationen sind so komplex, dass selbst Klement sie nicht lösen kann. Der Verteidiger hat einfaches Spiel, da der 26-jährige zusätzlich beim Dribbling auf seinen linken Fuß festgelegt ist.
Eine weitere Schwäche des Ludwigshafeners ist nämlich sein rechter Fuß bzw. seine konsequente Weigerung, diesen zu nutzen. Ich werde (hoffentlich) bald einen Text hochladen, in dem ich erkläre, welche Vorteile es bringt, beidfüßig zu sein bzw. welche Nachteile, klar auf einen Fuß festgelegt zu sein.
Bei Klement ist auffällig, dass er im Dribbling stark nach links tendiert und sich so manche Male in unvorteilhafte Situationen begibt. So kommen bereits in der zweiten Liga einige Ballverluste zustande. Bisher bleibt fraglich, wie stark die Schwächen des Mittelfeldspielers auf hohem Niveau zum Tragen kommen und wie ausgeprägt seine Stärken zum Vorschein kommen.
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Fazit
Ein Spieler mit seinen Qualitäten sollte – trotz seiner offensichtlichen Schwächen – einen Platz in der Bundesliga finden. Spieler wie Klement, die solch ein gruppentaktisch intelligentes Bewegungsspiel besitzen, gibt es sehr selten: Und wenn sie dies noch mit hoher individualtaktischer Qualität kombinieren, sollte (eigentlich) jeder Scout hellhörig werden.
Brauchst du einen dominanten Sechser, der das Aufbauspiel leiten kann?
Oder benötigst du einen Box-to-Box Achter, der seine Stärken in jedem Drittel des Spielfeldes entfaltet? Du suchst einen Spieler, der als einrückender Flügelspieler die Bewegungen seiner Mitspieler ausbalanciert? Oder ist dein Transferziel ein klassischer Zehner, der das Auge für den „tödlichen“ Pass hat und selbst Torgefahr mitbringt?
Dann suchst du vermutlich Philipp Klement.
Seine Anpassungsfähigkeit und sein Facettenreichtum erlauben es ihm nämlich, jede dieser Rollen auf hohem Niveau zu performen.
Sieht so aus, als ob Klement sehr gut zum Walter-Fußball passen wird...