publicenemy hat geschrieben:Berechtigter Einwand. So richtig gut und kommerziell risikoarm ist das Geschäft für die Spieler und deren Berater. Und dafür soll man in das System immer mehr Geld reinpumpen. Das funktioniert mit 50% der jetzigen Budgets genauso. Und für die Vereine bleibt es ein Rattenrennen.
Jou, das ist der grundsätzliche Kasus Kaktus.
Aber selbst wenn man diesen sinnlosen Überbietungswettkampf akzeptiert oder wenigstens mal für einen Moment argumentativ hintenanstellt: bleibt dennoch die Frage, ob die Bundesliga diesen Überbietungswettkampf gewinnen oder wenigsten ausgeglichen gestalten könnte, wenn sie nur endlich mit denselben Waffen kämpfen dürfte (das wird ja immer implizit vorausgesetzt). Schaut man sich z.B. die Entwicklung der durchschnittlichen Ticketpreise in den 5 großen europäischen Ligen an und vergleicht parallel die Zuschauerentwicklung, stellt man fest, dass die PL die höchsten Preise hat und gleichzeitig Zuschauerzuwachs. In Italien sind die Preise am geringsten, trotzdem sind dort die Zuschauerzahlen im langfristigen Trend rückläufig. Es scheint also kulturelle Unterschiede zu geben, die eine Vergleichbarkeit des wirtschaftlichen Potentials erschweren. Ich habe vorsichtige Zweifel daran, ob die deutschen Zuschauer Ticketpreise wie in UK akzeptieren würden. Nicht nur unbedingt wegen Armut oder Geiz, sondern weil die Menschen hierzulande einfach anders ticken. Und dasselbe gilt für Streaming-Abos und Übertragungsrechte. Würde man in Deutschland 50+1 aufgeben, kann jemand wirklich seriös vorhersagen, ob Blackrock Dortmund noch so eine attraktive Marke wäre im Ruhrpott? In UK sind die Leute mit dieser Art von Vereinsstruktur aufgewachsen und kannten nie was anderes. Und trotzdem kennen wir alle die Anekdoten über englische Fans, die mit Ryanair ein Stündchen nach Deutschland fliegen, um sich hier in der dritten Liga ein 50+1 Spiel mit Bier und wehenden Arschhaaren anzuschauen.
Hinzu kommt, dass die zusätzliche Kohle, die die englischen Clubs erwirtschaften, ja nicht effektiv wirksam wird und auch nicht werden kann. Also ein Verein der 50% mehr Einnahmen durch Vermarktung hat, hat am Ende der Saison nicht 50% mehr Punkte auf dem Konto. Wenn man sich die kolportierten Gehaltsbudgets der Vereine anschaut und diese über einige Zeit mit der Punktausbeute korreliert, dann kommt man nicht mal auf 10% Effektivität. Das liegt natürlich daran, dass Fußball ein Spiel ist und kein skalierbarer Arbitragehandel. Zumal die Kohle ja nicht einfach in UK bleibt und dort weiter akkumuliert. Die Kohle die die PL durch Vermarktung einnimmt, fließt z.B. einfach so wieder nach Frankreich ab, weil die dort hervorragende Jugendarbeit machen und sich die englischen Clubs bei den Transferkosten für französische Spieler gegenseitig überbieten.
Schaut man sich also nicht nur einzelne Clubs an, um zu verstehen wie Geld und Erfolg tatsächlich zusammenhängen, sondern schaut man sich ein ganzes nationales Fußball-System an, relativiert sich die Korrelation zwischen Geld und Erfolg noch weiter, bzw. aus einer Korrelation wird eigentlich ein hochkomplexes Multi-Vektoren-System, dass sich kaum noch vorhersagen läßt.
Ich will nicht sagen, dass Geld und Erfolg gar nicht zusammenhängen. Das wäre natürlich Quatsch. Und ich bin auch kein Ultra-Fan, der grundsätzlich gegen Kommerz und Kapitalismus ist. Die Frage ist für mich eher die: für wie viel mehr Geld kann ich mit wie viel mehr an sportlichem Erfolg kalkulieren, muss aber gleichzeitig wie viele Kröten schlucken? Lohnt sich das oder lohnt sich das nicht?