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Der Xbox-Controller wird von einer Firma namens ChyronHego zur Dateneingabe benutzt – die sind in der Premier League, der Primera Division und in der Bundesliga mit jeweils sechs Kameras und drei Mitarbeitern vor Ort. Die Daten gehen an Opta, und von dort an Medien, Verbände und Vereine – auch der VfB ist Kunde.

Alles über Midtjylland, die vor kurzem noch vor der Pleite standen und mit einer sehr analytisch geprägten Herangehensweise jetzt dänischer Meister sind, kann auch hier rein.

Des weiteren wüsste ich gerne endlich mal, was ein Zweikampf ist und was nicht, und warum die meisten Medien in Deutschland nicht unterscheiden zwischen Torschüssen, die aufs Tor gehen, und Torschüssen, die auf die Tribüne gehen.


Zweikämpfe:

Angenommen ein Gegner stürzt auf mich zu und ich spiele einen erfolgreichen Pass. Habe ich dann einen Zweikampf gewonnen, wenn der Gegner

  1. noch zwei Meter von mir entfernt ist
  2. einen Meter von mir entfernt ist
  3. ganz nah an mir dran ist

Umgekehrt: gewinne ich einen Zweikampf, wenn ich einem Gegner den Passweg zustelle? Wenn ich seinen Pass abfange? Oder muss ich auf Tuchfühlung sein, um einen gewonnen Zweikampf zu verbuchen, und wenn ja, wie nah?

Kommt in einem Kopfballduell der Gegner zuerst an den Ball, der Ball landet aber bei meinem Teamkameraden, habe ich dann trotzdem einen Zweikampf verloren?

Usw. usf. – Zweikampfstatistiken sagen mir sehr wenig.


Erhellendes zum Thema “den muss er machen”:

http://statsbomb.com/2016/10/xcommentary/

Man kann den Fußball nicht komplett quantifizieren, man hat aber tonnenweise Daten. Und aus denen lässt sich herauslesen, dass er den meistens eben nicht machen muss, auch wenn er relativ nah am Tor steht.

Ist leicht verständlich: im Grunde sagen die Daten nur, dass die Fehlerquote im Fußball relativ hoch ist. Noch kürzer ausgedrückt: Fußballspiel, schweres Spiel.

Daraus ergibt sich auch, dass es kompletter Flimflam ist, wenn Spieler und Trainer sagen, dass man “an der Chancenauswertung arbeiten” muss. Das ist nicht falsch, heißt aber nix anderes als besser zu kicken oder ein besserer Spieler zu werden. Oder aus der Sicht des Spielers: “nächste Frage bitte”.

Mago
Granadaseggl
im Grunde sagen die Daten nur, dass die Fehlerquote im Fußball relativ hoch ist. Noch kürzer ausgedrückt: Fußballspiel, schweres Spiel.


Ich frage mich, ob man diesen Schluss wirklich so ziehen kann, oder ob die hohe Fehlerquote nicht einfach mit zu wenig Training zu tun hat. Warum legen denn manche Spieler für gewisse Situationen wie direkte Freistöße Sondereinheiten ein? Weil sie wissen, dass man durch permanente Übung besser werden kann. Und dennoch semmelt CR7 die Dinger noch ziemlich oft drüber. Natürlich auch, weil es einen Unterschied macht, ob ich den Freistoß im Training schieße oder vor 60.000 Zuschauern, schon klar. Dennoch bin ich immer wieder verblüfft über die unzulängliche Verarbeitung z.B. ruhender Bälle. Wir reden immerhin von Profis.

Das bewegt sich ja alles innerhalb des selben Systems: sicherlich treffen bessere Spieler häufiger, und Spieler, die solche Situationen häufiger trainieren, vielleicht auch. Aber die sind ja in den Daten ebenfalls erfasst. Das heißt das gesamte System bewegt sich wahrscheinlich ein bisschen, wenn zum Beispiel ein Verein wie der BVB diesen Footbonauten einführt, der gewisse Fähigkeiten schärft. Aber eben nur ein bisschen.

Wir reden von Profis, klar. Eine Trefferquote von ungefähr 50% am Fünfmeterraum ist verblüffend, aber das ist halt der Ist-Zustand – nackte Zahlen. Das heißt ja auch nicht, dass die den Ball nicht aufs Tor kriegen, sondern dass es schwierig ist, ein Tor zu erzielen: scharfe Flanken, gute Verteidiger, reaktionsschneller Torwart etc.

Habe auf die Schnelle nur einen halbwegs aussagekräftigen Artikel über die besten Freistoßschützen gefunden. Die arbeiten mit Daten zwischen August 2012 und Oktober 2015, und zählen die geschossenen Freistoßtore: Ronaldo ist auf Platz 6, mit 9 Freistoßtoren in 108 Spielen. Was dabei auffällt ist seine Quote zum Zeitpunkt, als der Artikel verfasst wurde: 88 Freistöße, 2 Treffer. Das hört sich rattenschlecht an, und trotzdem ist er in den Top 10.

Ist sicherlich unscharf, weil er vermutlich mehr treten durfte als andere, aber trotzdem aussagekräftig. Haushohe Sieger übrigens: Andrea Pirlo (ein Freistoßtor alle 7,5 Spiele) und Hakan Calhanoglu (eins alle 6,8 Spiele).
http://www.fourfourtwo.com/features/rev ... ick-takers

Ich finde keine richtig guten Zahlen für die Verwandlung von Freistößen – nur tonnenweise blöde Bildergalerien mit unscharfen Werten aus zwei Spielzeiten oder so. Die besten Freistoßschützen liegen da aber bei einer Quote von etwa 20% – das heißt die Besten der Besten versemmeln 8 von 10 Freistößen.

Hat jemand die Quote von Karl Allgöwer parat? Der hat in elf Jahren beim VfB 129 Bundesligatore erzielt, also etwa 12 pro Saison – er galt als Freistoß-Halbgott, wahrscheinlich auch zu recht. Aber wie viele Spiele musste man wohl darauf warten, bis man wirklich mal so einen direkt verwandelten Freistoß bewundern durfte, für die er so berühmt war? Vermutlich einige. Der hat auch die meisten in die Wolken oder in die Mauer gedroschen.

Mago
Granadaseggl
Der hat auch die meisten in die Wolken oder in die Mauer gedroschen.


Eben. Mit würde es schon reichen, wenn die Herren den Ball öfter aufs Tor bringen würden. Darauf, ob der Torwart den Ball dann hält oder nicht, hat der Schütze ja nur begrenzten Einfluss.

Was das Thema Zweikämpfe anbelangt, kann ich leider nicht Erhellendes beitragen. Könnte das Konzept ebenfalls nicht definieren.
Und was die Unterscheidung Torschüsse vs. Schüsse aufs Tor anbelangt: Die App LiveScore unterscheidet beide Kategorien, könnte aber statt der gelben Karten - die ja zweimal aufgeführt werden - noch gerne weitere Matchdaten in ihre Statistik aufnehmen wie Laufleistung, Ballkontakte gesamt usw.

RedBlues
Halbdaggl
Solche statistiken sind interessant, auch für trainer. Wenn ich als trainer weiss wo die statistisvh gesehen beste Schussposition ist, versuche ich spielzüge und laufwege so einzuüben, dass ich möglichst viele dieser Situationen im Spiel habe. Andererseits versuche ih in der abwehr so zu arbeiten, dass der gegner nicht in dieser position viele freie schüsse bekommt.

Verglichen mit Football ist Fussball noch richtig primitiv, vor allem in der Aussendarstellung, denke schon dass Trainer wie Tuchel, Klopp und Co schon länger wesentlich analytischer vorgehen.

Iron
Grasdaggl
RedBlues hat geschrieben:Solche statistiken sind interessant, auch für trainer. Wenn ich als trainer weiss wo die statistisvh gesehen beste Schussposition ist, versuche ich spielzüge und laufwege so einzuüben, dass ich möglichst viele dieser Situationen im Spiel habe.


Ich weiß nicht ob das so sinnvoll ist. Solche Werte würde ich eher unterstützend anwenden. Sind schließlich Erfassung von vergangenen Spielen und anderen Gegnern.

Bei Einzelnen Spieler würde ich das eher interessant finden.

Nichts gegen eine Grundsatzdiskussion – nur um nochmal zum Ausgangspunkt zurückzukehren: der Artikel weist nach, dass es nur sehr sehr wenige Positionen und Situationen gibt, in denen ein Stürmer das Tor machen “muss”. Nix weiter.

Der Aufhänger sind diese Expertenphrasen: “der muss drin sein”, “er muss an dieser Abschlussschwäche arbeiten” und so weiter. Dabei ist es zum Beispiel ganz normal, dass aus sechs Metern Entfernung nur die Hälfte der Bälle reingeht, wenn man sich die Zahlen anguckt.

Ich finde den knallroten Bereich an der Grenze des Fünfmeterraums besonders überraschend. Chancen aus dieser Position werden gern als Hundertprozentige bezeichnet, dabei sind es in Wirklichkeit Vierzig- bis Sechzigprozentige. Ich weiß das ist nur eine Phrase, aber die Zahlen geben halt auch keine 75, 80 oder 90 Prozent her.

Also ich fand das schon erhellend, auch wenn man in diesen Zahlen natürlich nix findet, was man vorher nie für möglich gehalten hätte. Es heißt halt, dass man ein ganz normales Fußballspiel guckt, wenn ein VfBler mal wieder direkt vor dem Tor einen verdaddelt.

Tifferette
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Grasdaggl
Also sagen wir "den kann er gerne mal machen", oder "den sollte er machen", wenn man sich richtig aus dem Fenster lehnt.

Aber das ist ausnahmsweise mal eine gute Statistik. Die werden mir nämlich derzeit brütal überbewertet (das mit den Zweikämpfen meintest Du ja schon weiter oben). Im Rasenfunk gab es neulich eine eher mäßige Folge zur Spielanalyse. Der Superanalyst hat aber eine schöne Anekdote erzählt, nämlich von einem Spiel, in dem die eine Mannschaft die andere mit 5:0 oder ähnlich abgeschossen hat. Ein Blick auf die Statistik zeigte, dass die Siegermannschaft signifikant mehr gelaufen ist.

Funfact: Die sind nach den Toren (war ein Auswärtsspiel) zu ihren Fans gerannt, die zu diesem Zeitpunkt auf der anderen Seite des Platzes saßen bzw. standen. So viel zur Statistik.

Genauso wie die Laufleistung wenig aussagt, solange man nicht auch die Ballbesitzstatistik anschaut. Alles wesentlich einfacher, als so mancher es gerne hätte.
"They may be drinkers, Robin, but they are also human beings."

(Batman)


Plan B
Halbdaggl
Nice Weather hat geschrieben:Ja mei, wenn ich Fußball gucke, bin ich ja auch der Ansicht, dass er den MACHEN MUSS, DAS ARSCHLOCH.

...


Also das hängt jetzt mal zunächst davon ab,
1) in welchem Verein das Arschloch spielt
2) welcher Verein der Gegner ist
3) wie der Spielstand ist

Aber grundsätzlich sollte man nicht soviel auf Statistik geben, sondern die Trends rausarbeiten.
Wenn man sich für Statistik im Sport interessiert, dann ist man zB beim Baseball oder Tennis richtig aufgehoben.
Carpe diem.



CoachingZone
Halbdaggl
Interessantes Interview mit Michael Reschke (ehemals Chef-Kaderplaner bei Bayer 04, jetzt Technischer Direktor bei den Unaussprechlichen) mit El Pais, in dem er sich u.a. zu Scouting äußert:

.. die Suche nach Talenten:

»Ein Beispiel: 2015 war ich in Griechenland bei der U19 Europameisterschaft. Damals habe ich José Ángel Sánchez (Generaldirektor Real Madrid) eine SMS gesandt und ihm für den Kauf von Marco Asensio von Mallorca für nur 3,5 Millionen gratuliert. Man könnte Jose dafür ein Denkmal setzen! Würde Real Madrid ihn nun für 50 Millionen gehen lassen? Ich glaube nicht. Wir haben Joshua Kimmich unter ähnlichen Umständen verpflichtet: er spielte in der zweiten Liga bei Leipzig, war noch keine 19 Jahre alt und wir haben 8,5 Millionen Euro für ihn gezahlt. Das war viel Geld in diesem Moment. Aber manchmal muss man solche Entscheidungen treffen. Kimmich hat eine fantastische Mentalität und wird für unseren Klub noch sehr wichtig werden. Wenn es sein muss, würde er durch eine Mauer rennen, um ein Spiel zu gewinnen. Er gibt immer alles für seinen Klub. Zudem verfügt er über sehr gute technische und taktische Fähigkeiten.«


.. das richtige Vorgehen auf einem gesättigten Markt:

»Ein gutes Auge allein reicht nicht. Man muss eine Struktur besitzen, die es einem erlaubt handlungsschnell Entscheidungen zu treffen. Es gilt den Markt zu kennen und über gute Kontakte zu verfügen. Ich glaube, dass alle Spitzenvereine gut beraten sind, zukünftig mit einer sportlichen Doppelspitze zu agieren.

Eine Art „Innenminister“, als wichtigster Absprechpartner für den Trainer, die Spieler, den Trainerstab, die medizinische Abteilung und alle weiteren Mitarbeiter im Teamumfeld, sowie als Bindeglied zum Präsidium und der Geschäftsführung. Gleichzeitig muss er den Klub in den Medien und somit in der Öffentlichkeit vertreten. Zudem gilt es mit der Nachwuchsabteilung und weiteren Abteilungen des Klubs vernetzt zu sein.

Zusätzlich braucht man eine Art „Außenminister“. Es gilt, in Zusammenarbeit mit der extrem wichtigen Scouting-Abteilung den nationalen und internationalen Spielermarkt, im Spitzen- und Nachwuchsbereich einschätzen zu können. Zudem muss man, so vernetzt zu sein, dass man wichtige Vertrags-Konstrukte wie Ausstiegsklauseln kennt. Selbstverständlich gilt es auch die eigenen Talente sehr gut einschätzen können. Dieser „Außenminister“ muss dann gemeinsam mit dem Trainer, der Geschäftsführung und dem „Innenminister“ eine Kaderplanungs-Strategie vorzubereiten.

Die sportliche und wirtschaftliche Bedeutung des Transfergeschäftes ist mittlerweile extrem groß. Es ist kaum noch möglich, die täglichen, wichtigen Aufgaben eines Sportdirektors zu erledigen und gleichzeitig das Transfergeschäft optimal zu lösen.

Eine Frage meinerseits: Wie hoch ist das Investment von Real Madrid bei Transfers, wenn man die Kosten für die Verpflichtung, die Provisionen und das Gehalt des Spielers für fünf Jahre berechnet?


[Einwurf des Fragestellers: Allein für Bale hat Madrid 2013 ein Paket von 200 Millionen € geschnürt.]

Und für den einen jüngeren Spieler wie Asensio? Vielleicht 25 Millionen. Das bedeutet, dass ein großer Club für bei Neuverpflichtungen zwischen 15 und in der Spitze 200 Millionen Euro investiert. Nur für eine Verpflichtung! Ein Kader besteht natürlich aus rund 22 Spielern.

Wenn man beispielsweise einen Außenverteidiger sucht, kommen vielleicht 5-8 Spieler für eine Position in Frage. Es gilt dann Qualität, Potential und Investment im Vergleich mit den Spielern aus den eigenen Reihen zu vergleichen und dann den Entscheidungsprozess vorzubereiten. Wenn man sich gleichzeitig auch noch um alle Aufgaben des „Innenministers“ kümmern muss, ist dies aus meiner Sicht nicht möglich.

Man kann den Markt nicht vollständig kontrollieren. Unsere Scouting-Abteilung ist vergleichsweise klein, aber von hoher Kompetenz und mit großer Leidenschaft bei der Sache.«


.. statistische Analysen im Scouting:

»Wer erstellt diese Analysen? Das ist eine interessante Frage. Wer analysiert jeden Zweikampf und entscheidet, wer diesen gewonnen hat? Ist es eine Maschine, ein System oder ist es eine Person? Ich habe es bewusst, sozusagen als Selbstversuch, mit einem Spieler während eines Spiels ausprobiert. Es ist beispielsweise sehr schwierig bei jedem Zweikampf klar zu entscheiden, wer der Sieger ist.

Nehmen wir ein Beispiel: Ein Spieler führt in einem Spiel 5 Zweikämpfe, von denen er zwei klar gewinnt und zwei klar verliert. Beim fünften Zweikampf gibt es nun ein Problem: für den einen Analysten hat der Spieler das Duell gewonnen und für den anderen verloren. Abhängig von dieser Einschätzung entsteht eine gewonnene Zweikampfbilanz von 40 % oder 60 %.

Wer steckt dahinter? Wer analysiert diese Komplexität? Gott? Ich will den mathematischen Systemen nicht ihre Bedeutung absprechen, aber das Entscheidende, um den Marktwert eines Spielers zu bestimmen, sind weiterhin klare Analysen der eigenen Scouts. Die mathematischen Daten können helfen und für die Medien interessant sein. Aber Fußball ist komplexer als andere Sportarten, wie American Football, Basketball oder Eishockey, wo Statistiken aussagekräftiger sind.«


http://deportes.elpais.com/deportes/201 ... 47489.html (Originalbeitrag in spanischer Sprache)

http://miasanrot.de/michael-reschke-interview-el-pais/ (Zusammenfassung der wichtigsten Aussagen auf Deutsch)
Wenn die Unfähigkeit einen Decknamen braucht, nennt sie sich Pech.

- Charles Maurice de Talleyrand -


Mietmaul
Darauf wollte ich schon länger mal hinweisen: Das Datencenter der SZ (falls ihr das nicht eh schon kennt).

Eine wunderbare Datenspielerei. Hier am Beispiel VfB - SCF. Man sieht etwa (in der Taktiktafel und dann die entsprechenden Felder auswählen), dass die drei Fehlpässe von Burnic in dem Spiel lange Vertikalpässe waren, die eben mit mehr Risiko behaftet sind. Alleine aus der Passquote sieht man das noch nicht. Auch die Heatmaps und Aktionsradius finde ich sehr aufschlussreich.

http://liveticker.sueddeutsche.de/fussb ... chalkboard

Ich bin rehabilitiert.

Nice Weather hat geschrieben:Zweikämpfe:

Angenommen ein Gegner stürzt auf mich zu und ich spiele einen erfolgreichen Pass. Habe ich dann einen Zweikampf gewonnen, wenn der Gegner

  1. noch zwei Meter von mir entfernt ist
  2. einen Meter von mir entfernt ist
  3. ganz nah an mir dran ist

Umgekehrt: gewinne ich einen Zweikampf, wenn ich einem Gegner den Passweg zustelle? Wenn ich seinen Pass abfange? Oder muss ich auf Tuchfühlung sein, um einen gewonnen Zweikampf zu verbuchen, und wenn ja, wie nah?

Kommt in einem Kopfballduell der Gegner zuerst an den Ball, der Ball landet aber bei meinem Teamkameraden, habe ich dann trotzdem einen Zweikampf verloren?

Usw. usf. – Zweikampfstatistiken sagen mir sehr wenig.



Keiner weiß, was ein Zweikampf ist. Tobi Escher in Bohndesliga: “Das ist halt so’n nutzloser Wert. ’Ne Zweikampfquote ist halt so wie Wurst: wenn du einmal weißt wie’s gemacht wird, willst du nix mehr damit zu tun haben.”

Weiter: “Es gibt keine feste Definition, was ein Zweikampf ist – wie willst du das definieren? Wenn zwei Spieler sich gegenüberstehen, ist das ein Kopfballduell, zählt da mit rein, wenn ein Spieler vorher den Pass spielt, wenn ich einen Pass spielen will und der Gegner da mit dem Fuß dazwischengeht…?”

“Quantität wird mit dieser Quote nicht gemessen, und Qualität auch nicht: wenn du irgendwo im Mittelfeld nach ’nem hohen Ball das Kopfballduell gewinnst, und der Ball landet dann beim nächsten Kopfballduell, dann hast du im Zweifel zehn gewonnene Zweikämpfe, aber deiner Mannschaft nichts davon gekauft.”

“Zweikampfquote ist die Statistik, die am wenigsten mit Siegen korreliert. Es gibt eine Korrelation zwischen Torschüssen, es gibt eine starke Korrelation zwischen Packing und gewonnenen Spielen, es gibt auch ’ne gewisse Korrelation mit der Laufleistung – allerdings nur für Teams mit bestimmter Taktik – aber es gibt keine Korrelation zwischen gewonnen Zweikämpfen und Siegen.”

Mir ist in England aufgefallen, dass der Begriff Zweikampf in Deutschland so übertrieben zelebriert wird. Muss an den alten deutschen Tugenden liegen.

higgi hat geschrieben:
Nice Weather hat geschrieben:
higgi hat geschrieben:Xgoals
Stuttgart 2,27 - Wolfsburg 1,66

Zum kotzen :puke:


Das ist nicht zum Kotzen, das ist klasse. Außerdem ging’s heute nur darum, dass der Ahamada kein PTSD kriegt wie der Bobo seinerzeit, sondern mal schön ein bisschen Bundesliga kicken kann. Alles andere ist egal.

Das ist nicht klasse, Das heißt dass jeder Kreisligist aus solchen Chancen 2-3 Tore macht.


Nein, das heißt es überhaupt nicht. xG ist schön griffig, aber man muss aufpassen: es sagt aus, ob man was vom Spiel hatte oder nicht, aber es sagt über die Qualität der einzelnen Chancen nicht unbedingt viel aus.

Ich hatte übrigens den Elfmeter vergessen – so gesehen ist der Wert nicht ganz so klasse wie ich behauptet hatte, und da sind wir auch beim Knackpunkt: ein Elfer zählt etwa 0,75. Klingt viel, aber es gibt Jobs, bei denen du mit einer Fehlerquote von 25 Prozent achtkantig rausfliegst; oder anders: wenn du nach Mallorca willst und weißt, dass von 10 Flügen 2 abstürzen, dann fährst du dein Leben lang mit dem Schiff.

So gesehen ist xG immer ein “Können”-Wert, kein “Müssen”-Wert. Die haben eins geschossen und einen Elfer verballert – so viele Hochkaräter bleiben bei 2,2 da nicht übrig. Vergleiche das mal mit Dortmund: die hatten gegen Union einen Wert von 6,7 und nur 2 Tore gemacht – das ist eine Nummer, die auf eine schlechte Chancenverwertung schließen lässt.

Rechnet man den Elfer raus, dann kommt man für den VfB und Wolfsburg auf ähnliche Werte, und das ist halt okay; Union hatte 0,2 – das ist scheiße.


Hasenrupfer
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Grasdaggl
Nice Weather hat geschrieben:
Rechnet man den Elfer raus, dann kommt man für den VfB und Wolfsburg auf ähnliche Werte, und das ist halt okay; Union hatte 0,2 – das ist scheiße.


:lol:

Und quasi der Beweis, dass man immer noch die Spiele schauen muss, anstatt auf solche arbiträren Daten.

0,2 für Union, isch klar, vollkommen souveräner Sieg für Dortmund, ge...

xG = 2 heißt, dass in einem Spiel, in dem das Team zu Chancen dieser Qualität kommt, im Schnitt zwei Tore fallen. Kommt ja eigentlich auch hin: eins haben’s geschossen, und eins hat der Förster vergeigt. Darf man sich ja auch drüber aufregen, keine Frage. Trotzdem sind 2,2 mit zig Verletzen gegen eine formstarke Mannschaft ein guter Wert.

Das schöne an diesem xG ist halt, dass es endlich mal mit diesem Schwachsinn der “hundertprozentigen Chancen” aufräumt. Dass das keine Hunderprozentigen waren, hast du ja daran gesehen, dass sie nicht reingingen. Ganz einfach, per Definition: eine hundertprozentige Chance ist eine, die immer immer immer reingeht, in hunderttausend Spielen. Und das gibt’s eben nicht – und zwar gibt’s das so sehr nicht, dass die Werte weeeeeeeeeeit niedriger sind als man denkt.

Elfmeter sind das beste Beispiel: dass nur drei Viertel reingehen, leuchtet einem ja ein, das kann man ja nachgucken. Aber warum kann man dann nicht aufhören, dauernd von hundertprozentigen Chancen im laufenden Spiel zu labern? Es dürfte doch klar sein, dass das ganz so leicht nicht sein kann. Die besten Stürmer der Welt vergeigen gute Gelegenheiten, und genau darauf beruht das ja: wahrscheinlich sind 85 Prozent oder so das höchste der Gefühle. Kannst dich beim Gomez bedanken, der 2008 aus einem Meter Entfernung in den Wiener Nachthimmel geballert hat.

Und nochmal: so ne achtzigprozentige Chance ist natürlich ärgerlich, wenn man sie versemmelt. Aber würdest du dein Haus darauf verwetten, dass die jemand reinmacht? Da sind 20 Prozent Fehlerquote plötzlich die größte Zahl, die man jemals gesehen hat. So ist das mit der Wahrscheinlichkeit. Warum gibt’s beim Roulette grad und ungrad, wenn die Chancen da eigentlich ganz gut sind: 50 Prozent, wenn wir die Null mal ignorieren. Da haste dich aber ruckizucki ruiniert, weil es eben nicht heißt, dass man in 50 Prozent der Fälle zu 100 Prozent gewinnt. Ganz und gar nicht.

Hasenrupfer
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Grasdaggl
Das Problem sind ja nicht diese advanced stats an sich, sondern der vollkommen fehlende Kontext, in welchem man diese betrachten muss.
Sky und Konsorten blenden die nach dem Spiel ein, ohne einen einordnenden Satz dazu zu verlieren. Woher auch, die Kommentatoren kapieren diese ja selber nicht...

Ähnlich verhält es sich mit dem "Packing", was der Reinartz vor ein paar Jahren werbewirksam in der ARD versucht hat zu vermarkten: wenn einer nen Traumpass spielt, sieht man das als halbwegs erfahrener Zuschauer sofort, dafür braucht man keine neue Statistik.
Nur, über eine ganze Saison verteilt, wird sowas durchaus interessant. Was wiederum nicht in der Berichterstattung vorkommt...