Für mich persönlich ist die entscheidende Frage zum Videobeweis weniger eine, OB sein Einsatz notwendig ist, sondern eher, WIE man ihn am Besten einsetzt und durchführt.
Und hier zeigt es sich, dass der DFB wohl weniger bei anderen Sportarten Anleihe genommen hat, die den Videobeweis zum Teil schon seit etlichen Jahren erfolgreich einsetzen (z.B. Feldhockey), als (möglicherweise ums Verrecken) einen eigenen (ganz besonders schlauen?!) Weg gehen wollte.
Wenn man von den technischen Unzulänglichkeiten absieht (obwohl man sich schon fragen darf, wie die in Deutschland (!) überhaupt möglich sind), wurde zu Beginn der Saison der Ansatz verfolgt, dass der Videoschiedsrichter - so wie die übertragenden Fernsehsender - bestimmte Situationen nochmals in Zeitlupe kontrolliert und seine Sichtweise dem leitenden (Feld-)Schiedsrichter mitteilt, der dann ohne Überprüfung dieses Urteil übernimmt. Dies hatte aber zur Folge, dass der Feldschiedsrichter nicht mehr wie der eigentliche Entscheider wahrgenommen wurde, sondern eher wie ein Befehlsempfänger.
Mittlerweile hat man wohl gelernt, dass dadurch die Autorität und Kompetenz des Feldschiedsrichters untergraben wird. Jetzt sind die leitenden Schiedsrichter dazu übergegangen, sich die Situationen nach einem Einwurf des Videoschiedsrichters selbst nochmals anzusehen und dann eine Entscheidung zu treffen. Dies dauert zwar länger (und der Spielfluss ist natürlich auch länger unterbrochen, und es gibt folglich noch längere Nachspielzeiten), aber mMn wird dadurch die Entscheidungsgewalt wieder dorthin verlagert, wo sie hingehört, nämlich zum Spielleiter auf dem Feld. Und der Videobeweis wird eine zumindest offensichtliche Entscheidungshilfe.
(Wenn man mal seitens des DFB über den Tellerrand hinausgeguckt hätte, dann hätte man diese Vorgehensweise schon gleich übernehmen können... Nun hat man halt wie ein kleines Kind erst mal ausprobiert, ob man es auch ganz anders als die Vorbilder machen kann - und ist damit gescheitert.)
Was aber daran den Fußball kaputt machen soll, wenn sich der Schiedsrichter die Zeit nimmt, spielentscheidende Szenen nochmals in den Aufzeichnungen anzusehen, bevor er ein Urteil fällt, das erschließt sich mir nicht. Mir ist es tausend Mal lieber, dass ein Schiedsrichter sein Urteil nochmals überprüft bzw. überhaupt überprüfen kann, als dass er bei strittigen Situationen auf die Erinnerung an seine Wahrnehmung angewiesen ist. So die Situation für ihn überhaupt gut sichtbar gewesen ist. (Und wie sehr man den Videobeweis vermissen kann, wenn man ihn erst mal gewohnt ist, hat man ja im DFB-Pokal gut beobachten können...)
Was der Videobeweis nicht verbessern kann, ist die Auslegung der nicht klar operationalisierten Regeln. Die danach getroffenen Entscheidungen transparenter und auch vergleichbarer zu machen, dort muss die eigentliche Anstrengung des DFB (oder der anderen Verbände und Organisationen) liegen.
Letztendlich sind wir auf der Erde und unter Menschen - und da Irren bekanntlich menschlich ist, werden wir auch in Zukunft immer mal wieder Fehler erleben müssen. (Und haben damit ja auch immer noch Stoff zum Diskutieren.
)
Was der Einsatz des Videoschiedsrichter in jedem Fall verändert, ist, dass potentiell jede Unsportlichkeit wie Schwalben und versteckte Fouls oder Handspiele
gleich auf dem Spielfeld und während des Spiels geahndet werden kann. Das wird sicherlich in Zukunft auch wieder zu mehr Fairplay führen - und das ist wirklich im Sinne des Sports!!!
Und wer jetzt bedauert, dass das Zücken der Roten Karte das Spiel zerstört habe: Das hat sie - wenn überhaupt - auch schon ohne Videoschiedsrichter geschafft, ich denke da beispielsweise an unser Spiel in Hamburg in der Abstiegssaison. Aber diese Sanktion ist nun mal Teil der Regeln, nach denen der Fußball gespielt wird, und dies ja nicht aus Jux und Tollerei, sondern als unmissverständliche Warnung, die Regeln einzuhalten.
Wenn die Unfähigkeit einen Decknamen braucht, nennt sie sich Pech.
- Charles Maurice de Talleyrand -