Ich versuche es mal so. Vorweg: Sippenhaft ist ein doofes Konzept und mir liegt nichts daran, alle über einen Kamm zu scheren. Im Gegenteil: Verursachungsgerechte Beurteilung ist ne prima Idee. Und das sage ich, weil es nicht schadet: Ich mag viele Sachen, die die Ultras tun und sagen.
Ich glaube man kann sich schnell drauf einigen: Einzelne Idioten sind einzelne Idioten und sollen sich auch einzeln dafür verantworten. Sippenhaft Buuuh!
Mich stört etwas anderes in diesem Zusammenhang, aber das sage ich oft und wiederholt und halt auch jetzt nochmal. Die Ultras bilden eine sehr starke In-group. Diese Werte werden stark gelebt und belebt. Es wird auch deutlich kommuniziert. Am deutlichsten an alle, die zur out-group erklärt werden, je nach Situation ist es eben mal der DFB, die Fans des anderen Vereins, oder die anderen Fans des eigenen Vereins. Abgrenzung ist wichtig, nein, es ist zentral.
Das ist ein guter Nährboden für Uniformität, und angesichts von einigen Vokabularien ("Commando" in allererster Linie) gehört das zur Grundhaltung. Das ist nicht verwerflich. Und insoweit ist das alles in allem recht nahe an dem, was ein rheinländischer Karnevalsverein so macht. (Der Satzungszweck ist halt etwas anders, aber wen juckt den sowas...?) Und gemeinsames "Allaaf" mit Tusch oder gemeinsames "18hundert93" mit Megaphonmuezzin - da gibt es förmliche aber keine materiellen Unterschiede.
Insofern ist es für das vorliegende Beispiel schon etwas verwunderlich, dass Fans von Uniformität, gerade so ein Massenphänomen wie die Kostümierung auf Wiesn und Wasen bekritteln. Das ist nichts anderes als ein einheitlicher Dresscode, eine gewisse Konvention. Albern irgendwo und genau betrachtet auch falsch, mindestens aber unpassend, aber Das hatten wir aber weiter oben schon. Aber gut, das läuft bie mir jetzt unter "Leben und leben lassen..." Wer sich in so ein Sepplkostüm zwängen will, wegen mir. Freiheitliches Prinzip, olé!
Die Forderung, dass diese Klamotten aus der Kurve raus sollen, ist aber genauso unangebracht, wie eine Dirndlkontrolle am Bierzelt. (Gab es das nicht schon? Dass man da an bestimmten Tagen nicht mehr ohne Tracht reinkommt?). Das allein erinnert an amerikanische Highschool-Komödien, wenn die Motoradgang den Schachclub beim konzentrierten Endspiel stört...
Na gut, das läuft auch unter dem Grundprinzip "Abgrenzung". jeder macht, das worauf er Bock hat. Ich will DAS nicht kritisieren. Darum geht es in Vereinen ja ganz allgemein.
Mir ist das bei den Ultras in einer Hinsicht etwas zu ausgeprägt: Das Wechselspiel zwischen Abgrenzung und Uniformität übertönt das oben angesprochene Prinzip der "Verursachung". Und da sind die Ultras (als Gruppe) wirklich ein Chamäleon. Konkret: Geht es um Sippenhaft, sind die Ultras gegen Massenbestrafung, weil es ja nur einige wenige waren.Bitte bestraft die, die das waren, aber nicht uns alle!
Geht es hingegen um die Identifizierung und Saktionierung solchen Verhaltens, steht da eine schweigende anonyme Masse. Wo ist dann also das Interesse, an individualisierter Verantwortung? Und mir ist schon klar, dass eine Gruppe, die Loyalität und Treue als vorrangige Werte begreift, seine eigenen Leute nicht ausstößt. Aber bitte, dann möchte ich schon betonen, dass da ein Wechsel der Prioritäten stattfindet, je nach Fragestellung.
Es bliebe eine Möglichkeit: Man nimmt das selbst in die Hand denn man lässt sich von der out-goup ja nicht reinquatschen. Ich weiß nicht, ob es Selbstreinigungsprozesse gibt... Ich frag daher mal: Gibt es wenigstens intern Mails oder andere Kommunikation mit der Ansage, dass man gewisse Dinge doch vielleicht lassen sollte? Gibt es tatsächlich sowas wie die Ausschließung von Auswärtsfahrten o.ä., wenn es einer mal wirklich übertrieben hat?
Das weiß man als Außenstehender nicht. Ich vermute nur: Dass Treue und Loyalität hier im Vordergrund stehen, um im Zweifel auch Regeln zu No-Gos der jeweiligen out-group zu ignorieren. Und das sieht einfach stark danach aus, dass keine Selbstreflexion im größeren Kontext stattfindet. Und das ist wirklich mein Kernproblem, weil es eben Bereiche betrifft, die nicht in der Kategorie "Kindergarten" bleiben.
Gewalt ist einfach beschissen und da unterstelle ich auch mal diese Einsicht bei den allermeisten der Ultras. Man kann doch aber dann von einer organsisierten Gruppe erwarten, dass Sie Ihre Überzeugungen auch bei Ihren Mitgliedern durchsetzt. Und wenn zum Thema Gewalt die Haltung keine Ablehnung ist (was ich nicht glaube), dann bringt es eh nichts sich mit diesem Thema weiter zu befassen.
Nun gut, mich wundert es nicht, dass Staat, Verbände und Vereine alle möglichen Wege suchen, hinter dem Schweigen die "Täter" ausfindig zu machen. Diese Maßnahmen werden sehr gerne als Schikane oder Repression bezeichnet. Ich will die Wirkung auf Fans definitiv nicht kleinreden. Hier beginnt eben eine Diskussion der Angemessenheit, Wirksamkeit, Verhältnismäßigkeit des Staatshandelns, die ich aber (jetzt, hier) nicht führen möchte. Mir wäre etwas Öffnung und Dialog wichtiger als Abgrenzung. Bedauerlich, dass man das bei den Pyros nicht hinbekommen hat. (Und mir ist egal, wer da welchen Dialog zuerst verunmöglicht hat.)
Mir reicht es auch, zu bedauern, dass es Risikospiele gibt, dass es Spiele gibt, die ich nicht mehr besuchen mag, weil ich keinen Bock habe auf Kontrollen (So geil ist das Vorspiel mit einem 2m-Schrank nämlich auch wieder nicht, gell!) und schwere Kampfanzüge in dunkelgrün, wenn ich meiner Freizeitbeschäftigung nachgehen will. Und das finde ich wirklich bedauerlich.
Und in meiner in-group gedacht: Die Scheiß-Vereinsbosse beschleunigen die Kommerzialisierung. Die Scheiß-Verbände bilden den Nährboden dafür und greifen ab. Die Scheiß-"faule-Eier-Fans" versauen die Stimmung für alle anderen und die Scheiß-Polizei überzieht den Spieltag mit Law & Order. Und der Gentner und der Maxim und der Schantz... So!
Und wenn man verlangt, den Beckenbauer DFB-seitig über die Planke zu schicken (zurecht!), dann fordere ich die selbe Konsequenz in Richtung der Waschbeckenschmeißer und Schläger.
Das Huhn wurde in den Urlaub geschickt. ENTSPANNT EUCH ALLE MAL!