haber: Das ist eigentlich ganz einfach. Bevor ein (Dritte-Welt)-Staat von der UNO, der EU oder der Weltbank Geld für Entwicklungsprojekte erhält, muss er bestimmte ethische Richtlinien einhalten. Dafür setzen die Geldgeber Kommissionen ein, die regelmäßig prüfen, wie es denn vor Ort um diese Vorgaben bestellt ist. Vor einem Jahr hatte ich das Glück, dass ich projektbezogen für eine solche Kommission arbeiten kann. Glück deshalb, weil ich normalerweise schon zu alt bin. War auch sehr überraschend für mich und nur dem Umstand geschuldet, dass der eigentlich Ausgewählte, auf den Job verzichtete und ich sofort zur Verfügung stand.
Mein spezielles Thema ist dabei Sklaverei beziehungsweise Zwangsarbeit. Es wäre zum Beispiel für die EU sehr peinlich, wenn sich herausstellte, dass ein von ihr finanziertes Projekt durch Sklavenarbeit ermöglicht wurde. Natürlich werden solche Projekte im Vorfeld gründlich untersucht, doch eineRecherche vor Ort gehört mit zu den üblichen Arbeiten. Und so reise ich jetzt zusammen mit einem Team aus Verwaltungsfachleuten, Entwicklungsexperten und Juristen also im offiziellen Auftrag durch die Gegend und veri- oder falsifiziere Hinweise die in Richtung Zwangsarbeit usw. gehen. Darüber schreibe ich dann einen Bericht, der als Entscheidungshilfe dienen soll.
Vor Ort rede ich mit Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen, das heißt Gewerkschaften, Menschenrechtsorganisationen und so weiter. Das ganze ist, wie gesagt, hoch offiziell. Ich treffe mich eher nicht mit geheimen Informanten in verrauchten Kaschemmen.
Das ist aber auch das Problem. Ich kann nur arbeiten, wenn die jeweilige Regierung das erlaubt. Und das ist im Moment eben nicht der Fall. Da werden Termine verschoben, Absprachen nicht eingehalten oder bürokratische Hürden errichtet. Meine persönliche Meinung dazu ist, dass erst einmal aufgeräumt werden muss. Irgendwann darf ich ins Land, aber bis dahin sind eventuelle Hinweise längst beiseite geschafft und der örtliche Ministeriale wird mir mit einem freundlichen Lächeln ein Dossier aushändigen, in welchem ich nur Gutes finden werde. Es nervt, weil ich natürlich weiß, dass es gelogen ist. Nur, ich kann es dann nicht mehr beweisen. Jetzt würde ich vielleicht noch Spuren entdecken.
Dass ich auf die Fälle hier nicht explizit eingehe, das gehört einfach zu meiner Arbeitsplatzbeschreibung.
Ansonsten bin ich Teilzeitausgewanderter und verbringe einen Teil des Jahres an einem geostrategisch unwichtigen Ort direkt am Äquator: Sao Tome, eine Insel vor der Westküste Afrikas.
Das ist alles. Ich hoffe das reicht dir.