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Herr Gebauer, die Fussball-WM in Katar liegt ein gutes Jahr zurück, Saudiarabien wird wohl die WM 2034 zugeschlagen bekommen, die asiatischen Winterspiele werden 2029 in der saudischen Wüste auf einem Plateau stattfinden. Wenn Sie einen Blick in die Zukunft wagen: Wo sehen Sie den Sport in zehn Jahren?
Zunächst einmal ist die Gegenwart trübe genug. Dass die Bewerbung der Saudi um die Fussball-WM 2034 erfolgreich war, zeigt, dass der Weltverband Fifa vollkommen hörig geworden ist gegenüber den grossen Geldgebern. Die Fifa hat ihre Ansprüche, den Fussball zu entwickeln, aufgegeben – falls sie jemals welche hatte.
Was schlagen Sie vor?
Warum nicht eine WM in Nordafrika ausrichten, wo die Fussballbegeisterung sehr gross ist? Stattdessen gibt es innerhalb von zwölf Jahren die zweite WM auf der Arabischen Halbinsel. Und im Fall von Katar war es ja so, dass die WM in ein Land ohne Fussballkultur vergeben wurde. Saudiarabien macht vor allem durch enorme finanzielle Aufwendungen für den Fussball von sich reden und wird diese WM wohl bekommen.
Was hat der Fussball zu befürchten?
Wenn eine WM in einem Land ohne nennenswerte Fussballkultur stattfindet, gehen die lokalen Zuschauer verloren, darunter leidet die WM-Atmosphäre. Der Fussball ist auch deshalb gross geworden, weil seine Bindung an die regionalen Kulturen ausserordentlich stark ist. Am besten sieht man das in England. Ohne die enge Bindung einerseits an die Arbeiterkultur, anderseits an die Universitätskultur – notabene ohne Unterstützung durch das wohlhabende englische Bürgertum – wäre der Fussball niemals so entstanden, wie er entstanden ist. Die Klubs haben die Traditionen gepflegt, selbst wenn sie heute mit Geld teilweise zugeschüttet werden.
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Wird über das Engagement der Araber gesprochen, fällt häufig der Begriff Sportswashing. Hat die WM in Katar dazu beigetragen, die Saudi gesellschaftsfähig zu machen?
Die Golfstaaten werden als Geschäftspartner ohnehin anerkannt. Das liegt schon allein daran, dass sie für die Rohstoffversorgung der Welt ausserordentlich bedeutsam sind. Der Fussball hat den Blick bei Katar auf den Sport verengt. Doch Katar unterstützt auch den Terrorismus. Durch den Fussball entstand eine andere Wahrnehmung, die viel freundlicher ist. Nun macht ausgerechnet der regionale Konkurrent Saudiarabien das Gleiche. Der zweifelhafte Ruf soll verbessert werden, eine Fussball-Weltmeisterschaft ist da sehr willkommen.
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Und noch einmal: Wo sehen Sie den Sport in zehn Jahren?
Noch ist in Arabien sehr viel Geld vorhanden. Und damit versuchen die Saudi, ihre Utopie umzusetzen. Doch: Wie lange geht es mit dem Geldfluss noch weiter? In nächster Zukunft bestimmt, aber in weiterer Ferne glaube ich nicht. Deswegen arbeiten diese Länder ja auch daran, ihre Produkte zu diversifizieren, und denken sich neue Wege aus. Ob das erfolgreich ist, steht in den Sternen. Es könnte also sein, dass diese Länder nicht mehr ganz so reich bleiben und die Lust am Sport verlieren.
Der Sport ist nun auch kein unendlicher Wachstumsmarkt.
Die Inflation der Wettbewerbe wird irgendwann enden. Daher sind die ökonomischen Chancen begrenzt, erst recht, wenn man bedenkt, dass dereinst eine Quersubventionierung durch das Öl- und Gasgeschäft nicht mehr so leicht fallen dürfte wie heute. Und dann würde sich die Frage stellen: Welches kulturelle Kapital haben die Saudi im Fussball bis dahin angehäuft?