
Entspannt Euch doch mal... - AM ARSCH GELECKT!
Jo, ging mir auch so.Angry Wasenhuhn hat geschrieben::cry:
Der Melancholische
Coolio war anders als viele im West-Coast-Gangsta-Rap. Er ließ Nachdenklichkeit zu, Zweifel und Trauer. Nachruf auf einen Missverstandenen.
Von Jürgen Schmieder, Los Angeles
Traurig. Das ist das Wort, dürfte man lediglich eines verwenden, um dieses wunderbare Lied des Rappers Coolio zu beschreiben. "Gangsta's Paradise" heißt es, und schon die erste Zeile ist eine Abkehr von der vulgär-aggressiven und bisweilen arg sexistischen Lyrik der West-Coast-Gangsta-Rap-Szene der 1990er: "As I walk through the valley of the shadow of death, I take a look at my life and realize there's nothing left", heißt es da.
Es ist eine Kombination aus dem wohl meistzitierten Bibelvers (Psalm 23), Dantes Inferno und dem Leben auf der Straße im Los Angeles der 90er. Und es ist: unfassbar melancholisch. Da wandert einer durchs finstere Todestal und sieht beim Blick auf sein Leben, dass da nichts mehr übrig ist. Und er fragt sich im Alter von 23 Jahren, ob er den 24. Geburtstag erleben wird. Einer, der an diesem Leben verzweifelt, keinen Ausweg sieht und kein normales Leben wird führen können.
Coolio ist der falsche Künstlername für diesen Rapper. Der richtige: Melanchoolio.
Natürlich ist "Gangsta's Paradise", eine verschattete Adaption von Stevie Wonders "Pastime Paradise", ein Mega-Hit gewesen im Jahr 1995, weltweit. Und natürlich war genau das ein Problem. Das Lied ist eigentlich eine melancholische Gospel-Predigt, ein Bericht aus einem harten und damit - das vergisst man bei der ganzen Gangsta-Romantik ja immer wieder - aus einem vor allem traurigen Leben. Trotzdem sparte es sich die Aggression. Eigentlich.
Denn natürlich wurde es missverstanden. Vor allem hier, in Deutschland. In der Dorfdisco grölten die Halbstarken, dass auch sie quasi ihr ganzes Leben im Paradies der Outlaws und Verstoßenen gelebt hätten, verglichen sich also mit den Menschen aus, zum Beispiel, South Central Los Angeles. Dann gingen sie in sündteuren Sneakers durchs behütete Bayern nach Hause. Wer später mal dort war, in South Central, der schämt sich heute hoffentlich wenigstens ein bisschen.
Coolio ist dort aufgewachsen. Geboren wurde er vor 59 Jahren in Compton als Artis Leon Ivey Jr. Er war als Jugendlicher Mitglied der Mona Park Compton Crips, einer der gefährlichsten Gangs von Los Angeles. Er war kriminell und drogenabhängig - aber er war auch in der Jugendfeuerwehr. Er verarbeitete diese Zeit künstlerisch, blieb dabei Poet, Prediger, Philosoph. Die Zeitschrift Entertainment Weekly beschrieb das Album, das ebenfalls "Gangsta's Paradise" hieß, so: "Der Straßen-Philosoph mit dem kühlen Kopf predigt für Respekt schwarzen Frauen gegenüber, über Verantwortung von Vätern, für Safer Sex - und führt damit die große Tradition von Sly Stone und Stevie Wonder fort. Das Ghetto erscheint einem als Ort, an dem man Hoffnung haben darf."
Der Erfolg von "Gangsta's Paradise" machte aus dem eher öden Lehrer-Drama "Dangerous Minds" einen Hit und aus Michelle Pfeiffer ein Vorbild, wie Lehrer der 90er sein wollten. Es war ein popkulturelles Phänomen, ausgezeichnet mit Grammy, American Music Awards und MTV Video Music Awards. Insgesamt verkaufte Coolio in seiner Karriere 17 Millionen Alben.
Viele davon allerdings wegen des einen Hits. Und dem Missverständnis, das ihm immer anhing. Es gibt eine Aufnahme eines Konzerts von Coolio, die "Night of the Proms" in Rotterdam 1997. Er rappt, und unten brüllen all die Halbstarken, die ganzen weißen Kids. Coolio sieht beim Refrain ins Publikum. Es ist ein "Ah, so ist das"-Blick. Ein trauriger also.
Coolio hat auch noch andere Lieder gemacht, das fantastische "C U When U Get There" zum Beispiel, basierend auf Johann Pachelbels "Kanon in D-Dur". Jedem, der Texte verfasst, sollte es als Test dienen: Wenn ein Text zu diesem Lied schwingt, ist alles in Ordnung. Oder "Fantastic Voyage". Oder "1, 2, 3, 4, (Sumpin' New)". Nichts kam aber an den Erfolg von "Gangsta's Paradise" ran, und Coolio sagte immer wieder mal, dass ihn das doch ein bisschen störe. Immer der Mega-Hit.
In der Folge machte er in Reality-Shows mit, auch hier, 2004 bei "Comeback - Die große Chance". Deutsches Privatfernsehen. 2018 sagte er in einem Interview, dass er zufrieden sei und sich seines Platzes in der Rap-Geschichte wohl bewusst: "Ich bin mir sicher, dass die Leute, auch wenn ich diesen Planeten werde verlassen haben, mein Werk studieren werden." Man hat recht wenig gehört von Coolio zuletzt, am Mittwoch dann die Nachricht, dass er im Haus eines Freundes in Los Angeles verstorben sei. Sein Manager sagte, es sei ein Herzinfarkt gewesen.
Man hört natürlich "Gangsta's Paradise" an einem solchen Tag (und versteht es endlich), und man ist, auf eine sehr eigenartige Weise: traurig.

Monitor hat geschrieben:Man konnte sie im November 2021 in Esslingen hören. Demnächst im November London, Paris, Amsterdam, Winterthur.

Hasenrupfer hat geschrieben:Monitor hat geschrieben:Man konnte sie im November 2021 in Esslingen hören. Demnächst im November London, Paris, Amsterdam, Winterthur.
Mich wundert's einfach überhaupt net, dass du sie kennst...
....einem deutschen Publikum wurde sie 2005 durch den Musikfilm „Crossing the Bridge“ des Regisseurs Fatih Akin bekannt.

