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Die gegenwärtige Popmusik geht praktisch auf eine Handvoll Leute zurück – natürlich fing das nicht bei Null an, und es gibt sicherlich auch zig Innovatoren aus dieser Zeit, die schlicht und einfach nie berühmt wurden, aber die Mütter und Väter der Musik, die wir heute hören, kann man an ein paar Händchen abzählen. Die Beatles zum Beispiel kann man mögen oder nicht, sie haben jedenfalls ein paar eingängige Songs geschrieben und nicht nur einen gewissen Musikstil, sondern auch eine gewisse Art Musik zu machen popularisiert. Und Chuck Berry war einer ihrer direkten Vorläufer. Und so weiter.

Die Beatles, Chuck Berry und einige andere werden immer genannt, wenn bekannte Musiker nach ihren Einflüssen gefragt werden, egal ob Lemmy, Springsteen, Metallica oder eben Dave Grohl. Der ist ja eh sehr darauf bedacht, die Geschichte zu dokumentieren: hat schon einige Dokus gemacht – als Produzent, Regisseur und Protagonist vor der Kamera.

Das hat man als Musikhörer nicht immer sofort auf dem Teller – ich hätte zum Beispiel früher nicht gedacht, dass Lemmy ein riesiger Beatles-Fan war, und dass das auch ganz logisch ist. Habe während meines Studiums viele Musiker kennengelernt und war überrascht, was die so im Plattenschrank hatten: Beatles und Stevie Wonder anstatt Misfits oder NoFX oder was weiß ich. Chuck Berry war noch ein bissle früher, bei dem laufen ganz viele Fäden zusammen.

Gitarristen entdecken spätestens mit Mitte 20 den Blues für sich: da wird dann nur noch Blues gehört, Blues gespielt, und über Blues geredet. Blues, Blues, Blues. Die kriegen dann selbst den Blues, weil die Leute um sie herum nicht ständig Blues hören wollen und einfach nicht kapieren, dass ALLES auf den Blues zurückgeht. Und Chuck Berry war der, der den Blues genommen, um ein paar Dinge erweitert, verjüngt und daraus den Rock & Roll gemacht hat. Ganz zentrale Figur im Stammbaum.

Man sieht diese direkten Erblinien auch in einem Interview mit Berry von 1980, in dem er Punkplatten rezensiert: http://www.spin.com/2017/03/read-chuck- ... -and-more/

Summa summarum: Chuck Berry hat als einer der allerersten seine eigene Musik geschrieben, gespielt und aufgenommen, Texte über Teenagerkultur und Konsumkritik verfasst und auf der Bühne die Sau rausgelassen. Ganz genau das, was man heute macht, wenn man eine Rockband gründet.








Man kommt da schnell wieder auf den Do-it-yourself-Gedanken zurück, der auch im Punk immer präsent war – selber schreiben, selber spielen, selber aufnehmen – spätestens im Punk halt auch erweitert um die Idee, auch Konzerte und Tourneen selbst zu organisieren und zu promoten.

Heute gibt es da ja auch wieder eine Welle, weil man mit dem Laptop ganze Platten aufnehmen und abmischen kann – oder eben elektronische Musik machen. Das war auch charakteristisch für den Techno in den Neunzigern: selber an den Knöpfen rumspielen und selber Parties organisieren.

Chuck Berry zu den Punksongs: “das erinnert mich an früher, damals konnten wir auch nicht mehr als drei Akkorde.” Ist das selbe Thema.

Genau so die Inhalte, das Politische: der Begriff Teenager stammt aus den Fünfzigern, davor waren die Jungstifte keine eigene Kategorie. Nach dem Krieg hatten die auch mal einen Nachmittag frei und mussten keine Geschosse in die Flak laden, da konnte man sich mal ein bisschen entfalten und – ganz radikal – in Jeans und T-Shirt rumlaufen, um die Alten zu schocken. Hat auch damit zu tun, dass Industrie und Werbung diese Altersgruppe als Kunden entdeckte, wobei das eine wahrscheinlich das andere bedingte und umgekehrt. Chuck Berry war einer der ersten, der das in seinen Texten aufgegriffen hat, und seither drehen sich Rockmusik und Verwandte meist um das tägliche Leben unserer Heranwachsenden.

Ein paar Sachen habe ich auch erst gelernt, als ich ihn anlässlich seines Todes nachguckte. Ist interessant, und absolut nachvollziehbar, dass ihn alle als Urvater verehren.


Auswurf
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Grasdaggl
ich hatte ne gitarre in form, eines kuheuters (stichsäge)
Trotzdem beneide ich die hippies - die können sich besser in den arm nehmen anstatt einen auf cool zu machen


wann ist früher?
Schweizer kenn ich seit ca 84 (vorher kannte ich niemand)
Schulschwäzen und zu dem oder/und radio barth gehen
das ist doch keine Musik








Zum Ratzer ist man damals ca. einmal im Monat – die interessanten Platten standen (im Laden in der Paulinenstraße, bevor er ein paar Meter weiter Richtung Paulinenbrücke gezogen ist) in der Reihe vorne am Schaufenster ganz links.

Da konnte man sich es auch einen Monat überlegen, ob man eine Platte mitnimmt – die war beim nächsten Besuch meistens auch noch da.

darkred
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Halbdaggl
Mensch der Karl-Heinz. Ein Stuttgarter Original.
Hab ich immer gern Platten gekauft und auch gerne 1-2 Mark/Euro mehr wie in der Lerche berappt. Weiß noch genau, die erste war ne Hüsker Dü. "The Living End" glaube ich...

Beim Schweizer Ecke Olgastrasse habe ich zudem Ende der 90er ne Roland 505 Groovebox erstanden. War infolge halt auch öfters dort weil man sich einfach mit ihm hervorragend nerdig über Musik und Instrumente unterhalten konnte... :D

Paleto Gaffeur
Halbdaggl
Wieso....ratzer ist voll ontopic...Musikhören.

Stimmt...Hans Peter. Das waren Zeiten als ich erstmalig beim Gary Moore Konzert in der Sporthalle Böblingen aushilfsweise mit den Jungs vor der Bühne stand...Rücken zur Bühne und Mädels rausgezogen bevor sie ohnmächtig wurden...Stolz wie Bolle.

darkred
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Halbdaggl
Das EXIL am Marienplatz. Klebriger Boden, schummriges Licht und alle subversiven Elemente der Stadt am Tresen. :mrgreen:
Hab ich den ein oder anderen Vollrausch bei Morgendämmerung raus getragen.
Haber, dann warste bestimmt auch desöfteren im Casino, neben dem alten Medienhaus in Heslach... ;)