Nice Weather hat geschrieben:Die zwölfjährige Nichte sagte unlängst, dass sie gern einen Plattenspieler hätte. Jeder kennt den Begriff Vinyl – es scheint, dass diese Form genau so überleben wird wie das gedruckte Buch, vorerst zumindest.
130 Jahre Tonaufzeichnung sind nicht mehr als ein Wimpernschlag in der Musikgeschichte: eine kurze Phase, in der man Formate ausprobiert hat, bevor man einen Weg gefunden hat, die Musik den Leuten direkt ins Ohr zu liefern.
Zur Musik gehört ein bisschen Begleitinfo – mindestens ein Titel und der Name des Künstlers: Die 12 Zoll-Schallplatte ist dafür das schönste Format, und das ist einer der Gründe für das Revival. Auch die Platten selbst haben eine ästhetische Qualität, an die CDs nie heranreichten. Abgesehen von der Tatsache, dass sich die Beschichtungen einer CD nach 20 Jahren auflösen oder so.
Es gibt also ein mit den Händen greifbares Format, das sich einiger Beliebtheit erfreut – auch wenn es umsatzmäßig nicht den Hauch einer Chance gegen Streamingplattformen hat. Darin, dass mangelhafte Formate auftauchen und nach kurzer Zeit wieder verschwinden, sehe ich keinen kulturellen Verlust, nein.
Meinen Mini Disc Player habe ich vor einigen Jahren verschenkt – die Preise auf eBay waren einfach zu schlecht für einen Verkauf, null Nachfrage.
Ja, sieht ja wohl so aus, dass Vinyl überleben könnte. Hätte das nie gedacht. Aber ich habe meine Schallplattensammlung natürlich nicht verscheuert, sondern behalten. Das ist ein großer immaterieller Wert, weil ich, angefangen mit 13, mein ganzes Leben lang Schallplatten gekauft habe, aber auch ein nicht zu unterschätzender materieller Wert. Uralt-Schellacks, die wie später die CD, von innen nach außen abgespielt wurden, werden heute in Sammlerkreisen für gut und gerne 100 € verkauft.
Und ein LP-Album mit illustriertem Begleitheft, üblicherweise für Opern, aber auch für Pop, ist in der Tat etwas haptisches, wie ein gut illustriertes Buch.
Bei der CD ist natürlich alles kleiner, dafür platzsparend. Wäre die CD nicht gekommen, hätte ich wohl anbauen müssen.
Dass sich die Beschichtung der CD nach 20 Jahren auflöst, ist ein Gerücht. Das mag in Einzelfällen vorgekommen sein, z.B. wenn sie in feuchten Räumen gelagert werden. Jetzt, da ich das schreibe, lausche ich meiner allerersten CD, die ich 1983 gekauft habe. Eine Aufnahme der ARCHIV-Produktion der Deutschen Grammophon mit der Nummer 400 045-2 (die Endziffer war damals 2 für die CD, 1 für LP und 3 für die Compact Cassette). Vivaldis Quattro Stagioni, gespielt vom The Englisch Concerrt mit Trevor Pinnock. die CD ist makellos, das Jewel Case wie neu und der Sound aus meinen Canton-Boxen natürlich großartig.
Mein Sony Mini-Disc ist bei uns fast täglich im Gebrauch. Ich hatte für meine Frau damals ihre Lieblingsstücke von CD oder Schallplatte überspielt. Am PC brennen konnte man CDs noch nicht. Das "Beschriften" der Disc und der einzelnen Musikstücke war ein mühseliges Unterfangen. Buchstabe für Buchstabe musste im Display eingestellt werden.
In den 90ern gab es einige Jahre lang schon digitale Sendungen, die mit einem speziellen Tuner empfangen werden konnten. Weiß nicht mehr, wie das System hieß. Es waren vorwiegend Klassikkanäle. Ich habe da viele Live-Übertragungen von Opern und Konzerten auf Mini-Disc mitgeschnitten. Das ist unglaublich. Für die analoggewohnten Ohren war das der Sprung in eine neue Dimension. Man war, zumindest akustisch, dabei.
Für eine freie und selbstbestimmte Ukraine.