Nach dem schönen Fußballnachmittag, der die Emotionen hochkochen ließ, hier aus der Sammlung meiner klassischen Erweckungserlebnisse etwas für die Seele:
2. Peter Tschaikowsky Fantasieouvertüre Romeo und JuliaVon Tschaikowsky kannte ich als Sechzehnjähriger bis dato nur die Nußknackersuite und das Capriccio Italien. Und doch war er schon einer meiner Lieblingskomponisten geworden und ich wollte von ihm mehr und mehr hören.
Die Deutsche Grammophon Gesellschaft begann zu Beginn der 60er Jahre unter ihrem Sublabel Heliodor, das ursprünglich für B-Schlagermusik kreiert worden war, Aufnahmen des amerikanischen Labels Westminster Records zu veröffentlichen:
https://en.wikipedia.org/wiki/Westminster_RecordsWestminster war bekannt für seine technisch hochwertigen Aufnahmen mit europäischen Spitzenorchestern unter Dirigenten, die für die großen Klassik-Labels nicht bekannt genug waren, um sie weltweit vermarkten zu können, wie Hermann Scherchen oder Arthur Rodzinski. Aus wettbewerbsrechtlichen Gründen durften die Orchester nicht unter ihrem bekannten Namen firmieren. So wurden die Wiener Philharmoniker zum Vienna State Orchestra, was insofern nicht falsch war, da Mitglieder der Philharmoniker auch in der Oper spielten.
Bei meinen regelmäßigen Heimsuchungen der Stuttgarter Plattenläden fiel mir im Haus der Schallplatte eine Schallplattenhülle des Werkes in die Augen.
Ich hatte das Werk noch nie gehört und bin ehrlich genug, zu erwähnen, dass das Cover - Romeo zum Kuss über die vermeintlich tote Julia gebeugt - mit kaufentscheidend war, setzte es doch das Sehnen eines pubertierenden Jugendlichen in ein kongeniales Bild um.
Die Aufnahme des Vienna State Orchestras unter Hermann Scherchen, in Jahrzehnten oft abgespielt, ist heute noch das Paradestück in meiner Sammlung des Werkes.
Romeo und Julia ist musikalisch in vielerlei Hinsicht wunderbar gedeutet worden. Ich erinnere hier nur an Berlioz, Gounod, Prokofieff und Bernstein.
Tschaikowsky hat sich für eine Fantasieouvertüre entschieden, um uns die Geschichte der beiden unglücklich Liebenden aus Verona zu erzählen. Programmmusik im besten Sinne.
Ich habe für uns eine neuere Version ausgewählt. Das Tonhalle Orchester Zürich spielt in einer coronageprägten Aufführung unter Paavo Järvi:
Tschaikowsky nähert sich dem Thema mit einer choralartigen Einleitung, der ein altes russisches Kirchenlied zugrunde liegt. Es spiegelt die Empfindungen von Pater Lorenzo wider und bereitet schon auf die kommende Tragödie vor. Im Hauptteil beschreibt der Komponist die Familien der Capulet und Montague und ihren Kampf gegeneinander. Nachdem der Kampfeslärm abgeebbt ist, erhebt sich das großartige Liebesthema aus den Streichern. (in unserer Aufnahme 07:35), um sich kurz danach zu einer Hymne aufzuschwingen (08:37). Doch das Kampfthema kehrt wieder (10:35), um nach Erlöschen erneut dem Liebesthema (13:45) Raum zu geben, diesmal ekstatisch verklärt. Ein letztes Mal hören wir das Kampfthema (15:15). Das Choralthema der Einleitung leitet schließlich über zur Apotheose, in der bruchstückhaft das Liebesthema zu hören ist, bis Fortissimo-Schläge das Werk beschließen.