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Strafraumgitarre
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Halbdaggl
muffinho hat geschrieben:Jetzt fehlt nur noch tiffis Einsatz bzgl. selbstreferentiell und wir sind schon wieder auf Los :D


Stimmt, dann würde mappi das mit wohlwollenden Worten kommentieren können. Im Konjunktiv. :)
Fick den Reichskanzler! Und den Kaiser!

Tifferette
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Ach schau. Der kann Konjunktiv?

Aber grundsätzlich ist das Forum immer am besten, wenn es selbstreferentiell wird.
"They may be drinkers, Robin, but they are also human beings."

(Batman)

Strafraumgitarre
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Halbdaggl
Tifferette hat geschrieben:Ach schau. Der kann Konjunktiv?

Behauptet er: 8)
de mappes hat geschrieben:ich würde sowas, wenn im witzethread präsentiert, als äußerst bieder kennzeichnen...und das wäre wohlwollend formuliert.
Fick den Reichskanzler! Und den Kaiser!



Bundes-Jogi
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Grasdaggl
Kleiner literarischer Exkurs. Passt leider auch heute noch. Oder soll man sagen "wieder"?

Sie sind überzeugt, sie hätten recht.

Es ist eine schreckliche Bande!

Oder versteh ich sie nicht? Bin ich denn mit meinen vierunddreißig Jahren bereits zu alt? Ist die Kluft zwischen uns tiefer als sonst zwischen Generationen?

Heut glaube ich, sie ist unüberbrückbar. Daß diese Burschen alles ablehnen, was mir heilig ist, war zwar noch nicht so schlimm. Schlimmer ist schon, wie sie es ablehnen, nämlich: ohne es zu kennen. Aber das Schlimmste ist, daß sie es überhaupt nicht kennenlernen wollen!

Alles Denken ist ihnen verhaßt.

Sie pfeifen auf den Menschen! Sie wollen Maschinen sein, Schrauben, Räder, Kolben, Riemen – doch noch lieber als Maschinen wären sie Munition: Bomben, Schrapnells, Granaten. Wie gerne würden sie krepieren auf irgendeinem Feld! Der Name auf einem Kriegerdenkmal ist der Traum ihrer Pubertät.

Doch halt! Ist es nicht eine große Tugend, diese Bereitschaft zum höchsten Opfer?

Gewiß, wenn es um eine gerechte Sache geht –

Um was geht es hier?

»Recht ist, was der eigenen Sippschaft frommt«, sagt das Radio. Was uns nicht gut tut, ist Unrecht. Also ist alles erlaubt, Mord, Raub, Brandstiftung, Meineid – ja, es ist nicht nur erlaubt, sondern es gibt überhaupt keine Untaten, wenn sie im Interesse der Sippschaft begangen werden! Was ist das?

Der Standpunkt des Verbrechers.

Als die reichen Plebejer im alten Rom fürchteten, daß das Volk seine Forderung, die Steuern zu erleichtern, durchdrücken könnte, zogen sie sich in den Turm der Diktatur zurück. Und sie verurteilten den Patrizier Manlius Capitolinus, der mit seinem Vermögen plebejische Schuldner aus der Schuldhaft befreien wollte, als Hochverräter zum Tode und stürzten ihn dann vom Tarpejischen Felsen hinab. Seit es eine menschliche Gesellschaft gibt, kann sie aus Selbsterhaltungsgründen auf das Verbrechen nicht verzichten. Aber die Verbrechen wurden verschwiegen, vertuscht, man hat sich ihrer geschämt.

Heute ist man stolz auf sie.

Es ist eine Pest.

Wir sind alle verseucht, Freund und Feind. Unsere Seelen sind voller schwarzer Beulen, bald werden sie sterben. Dann leben wir weiter und sind doch tot.


http://gutenberg.spiegel.de/buch/jugend ... ott-8275/5
„Selbst das wildeste Tier kennt doch des Mitleids Regung“ – „Ich kenne keins und bin deshalb kein Tier“ (Richard III).

Unter Westfalen
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Tifferette hat geschrieben:Ach schau. Der kann Konjunktiv?

Aber grundsätzlich ist das Forum immer am besten, wenn es selbstreferentiell wird.


Leider werden Ansätze dazu manchmal schon im Keim erstickt.

8)

Was mir aber grundsätzlich egal ist.

8) :arr: :mrgreen:
Für eine freie und selbstbestimmte Ukraine.

Unter Westfalen
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Grasdaggl
Das ist man den ganzen Tag unterwegs,
kommt zurück, hastet zum PC,
klickt den Politikfred an
und was liest man:
alles OT.

Und alles ohne Beanstandungen.
Sacha gibt's. :cyclops:

Apropos Maaßen:

Wenn ihr meine unmaaßengebliche Meinung hören wollt
aber auch, wenn ihr sie nicht hören wollt:

bis Dienstag ist eine Anschlussbeschäftigung für ihn gefunden.

Und die SPD bereitet eine Mitgliederbefragung vor,
ob man für den Horst auch noch etwas findet.

:cyclops:
Für eine freie und selbstbestimmte Ukraine.

Bundes-Jogi
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UMSTRITTENER AFD-FRAKTIONSCHEF

Leserbrief aus 2006: So tickte Björn Höcke als Lehrer
München - Björn Höcke ist der Rechtsaußen der AfD - mit Kritik am Holocaust-Denkmal in Berlin sorgte er für einen Eklat. Ein Leserbrief aus 2006 offenbart, welches Geschichtsbild Höcke schon zu seiner Zeit als Lehrer hatte.

Den Leserbrief schrieb Höcke im Jahr 2006 an die „HNA“ als er noch an der Rhenanus-Schule im hessischen Bad Sooden-Allendorf Geschichte unterrichtete. Unterzeichnet ist die Zuschrift jedenfalls mit „Björn Höcke, Bad Sooden-Allendorf“. Darin ließ sich der heutige AfD-Mann zu höchst fragwürdigen Thesen hinreißen.

Höcke schrieb damals zum Bombenangriff auf Dresden kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs: „In der Weltgeschichte sind niemals zuvor und niemals danach in so kurzer Zeit so viele Menschen vom Leben zum Tode befördert worden wie im ehemaligen Elbflorenz.“ Und weiter: „Es ging darum, bis zum Kriegsende eine möglichst große Anzahl deutscher Menschen (gleich welchen Alters und Geschlechts) zu töten.“

Dresden setzte Historikerkommission ein
Fest steht: Die Aussagen Höckes im Leserbrief sind falsch. So starben allein beim amerikanischen Atombomben-Abwurf auf Hiroshima unmittelbar etwa 80.000 Menschen - die späteren Strahlenopfer nicht eingeschlossen. Und in Dresden? 2004 wurde dort extra eine Historikerkommission gebildet, die die Opferzahlen verifizieren sollte. In ihrem über 90-seitigen Abschlussbericht kommen die Experten zum Schluss, dass durch die Bombenangriffe britischer und amerikanischer Bomber in Dresden Mitte Februar 1945 „bis zu 25.000 Menschen“ getötet wurden.

Für die besonders von Rechten immer wieder kolportierte These, in Dresden seien über 100.000 Menschen getötet worden, fand die Kommission keine „belastbaren Argumente“. Den 2010 veröffentlichten Bericht konnte Höcke, als er seinen Leserbrief 2006 schrieb, noch nicht gekannt haben. Aber: Selbst die Stadt ging ab 1965 von bis zu 35.000 Toten aus - und publizierte das als amtliches Ergebnis.

Missbrauch zu politischen Zwecken
Eine viel zu hohe Opferzahl haben laut Militärhistoriker Matthias Rogg die Nazis selbst zu in die Welt gesetzt. „Das Propagandaministerium hat damals Zahlen im sechsstelligen Bereich lanciert – völlig aus der Luft gegriffen. Sie sollten als Beleg für ein Kriegsverbrechen dienen“, so Rogg in einem „Welt“-Interview. Bis heute gebe es einen Missbrauch der Bombardierung Dresdens zu politischen Zwecken. „Das beweisen die jährlichen Aufmärsche von Neonazis in Dresden.“

Ob die Bombardierung Dresdens als Kriegsverbrechen gewertet werden kann, ist zumindest zweifelhaft. Ein entsprechendes Zusatzprotokoll zur Haager Landkriegsverordnung, in dem Angriffe aus der Luft auf zivile Ziele als Bruch des Völkerrechts bezeichnet werden, wurde laut Rogg nie ratifiziert. Er nennt dafür Gründe: „Angesichts der Opfer, die die vorherige Bombardierung Coventrys und Londons forderte, hat man sich in Großbritannien dieser Diskussion gar nicht gestellt. Alles, was dazu diente, den Krieg zu verkürzen und die eigenen Soldaten wieder nach Hause zu holen, war im Grunde legitimiert.“

Holocaustleugner Irving als Quelle?
In seinem Leserbrief schreibt Höcke zudem, dass in Dresden zur Zeit der Bombardierung mit Flüchtlingen aus den deutschen Ostgebieten überfüllt gewesen sei. Diese These stammt hauptsächlich vom britischen Holocaustleugner David Irving und ist nach dem Stand der Geschichtsforschung falsch. Auffallend auch, dass Höcke in seinem Leserbrief zwar „namhafte britische Historiker“ und „britische Dokumente“ als Belege für seine Thesen anführt, aber keine Namen oder Quellen nennt. Irving verfasste in der Tat 1963 ein Buch über die Luftangriffe auf Dresden. Später behauptete er, die Gaskammern in Ausschwitz hätten keinen Vernichtungszweck gehabt. Irving wurde mehrfach gerichtlich verurteilt - in mehreren Ländern.

Seine jüngsten Äußerungen zum Holocaust-Denkmal in Berlin bleiben für Björn Höcke dagegen ohne Konsequenzen: Der AfD-Bundesvorstand verzichtete auf ein Parteiausschlussverfahren gegen den umstrittenen Thüringer Fraktionschef.

mb/snacktv


https://www.merkur.de/politik/leserbrie ... 16577.html

Nur mal so, Höcke war und ist GESCHICHTSlehrer. Und den Leserbrief sollte man sich mal durchlesen.
Zuletzt geändert von Bundes-Jogi am 14. September 2018 19:14, insgesamt 1-mal geändert.
„Selbst das wildeste Tier kennt doch des Mitleids Regung“ – „Ich kenne keins und bin deshalb kein Tier“ (Richard III).


Unter Westfalen
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Bundes-Jogi hat geschrieben:https://www.vice.com/de/article/yvkjnb/wir-haben-mit-einem-ehemaligen-schueler-ueber-bjoern-hoecke-geredet-277


ich scho a bissle elder,
aber ned uninteressant
Für eine freie und selbstbestimmte Ukraine.



Bundes-Jogi
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Unter Westfalen hat geschrieben:
Nur mal so, Höcke war und ist GESCHICHTSlehrer.


Geschichte ist das, was man sich selber zurechtbastelt.


Naja, auch da gibt es einen Lehrplan, oder wie man heute sagt, ein "Curriculum". Und daran sollte man sich in etwa halten. Wenn er dem Nationalsozialismus mehr nebenher, aber dem Deutschen Kaiserreich deutlich länger und intensiver gewidmet hat, dann ist das grenzwertig. Gut, das Kaiserreich währte 37 Jahre, das "tausendjährige Reich" "nur" 12 Jahre.
„Selbst das wildeste Tier kennt doch des Mitleids Regung“ – „Ich kenne keins und bin deshalb kein Tier“ (Richard III).

Unter Westfalen hat geschrieben:Geschichte ist das, was man sich selber zurechtbastelt.


Das wird immer wieder rumposaunt – so wie history is written by the victors – und es ist Käse. Es gibt jede Menge unbestechliche Quellen, und nur weil sich die Geschichtsforschung immer wieder selbst korrigieren muss und nicht immer alles gleich richtig einordnen kann, heißt das nicht, dass man es sich selbst zusammenfriemeln muss oder darf.

Es gibt Geschichtsbücher, in denen Falsches steht, Schulbücher sind auch heute noch häufig von der Politik und der Kultur des Landes beeinflusst, in dem sie erscheinen usw. usf., deswegen kann man aber nicht einfach einen raushauen und behaupten, dass das alles einen Bias hat. Seriöse Historiker beleuchten geschichtliche Ereignisse aus allen Blickwinkeln, die ihnen zur Verfügung stehen.


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Nice Weather hat geschrieben:
Unter Westfalen hat geschrieben:Geschichte ist das, was man sich selber zurechtbastelt.


Das wird immer wieder rumposaunt – so wie history is written by the victors – und es ist Käse. Es gibt jede Menge unbestechliche Quellen, und nur weil sich die Geschichtsforschung immer wieder selbst korrigieren muss und nicht immer alles gleich richtig einordnen kann, heißt das nicht, dass man es sich selbst zusammenfriemeln muss oder darf.

Es gibt Geschichtsbücher, in denen Falsches steht, Schulbücher sind auch heute noch häufig von der Politik und der Kultur des Landes beeinflusst, in dem sie erscheinen usw. usf., deswegen kann man aber nicht einfach einen raushauen und behaupten, dass das alles einen Bias hat. Seriöse Historiker beleuchten geschichtliche Ereignisse aus allen Blickwinkeln, die ihnen zur Verfügung stehen.


Sch.....
wieder mal nicht den Ironiemodus eingeschaltet. :oops:
Muss bei Dir und @de mappes besser aufpassen. :idea:

Was Du geschrieben hast, weiß ich natürlich auch.

Also, die Geschichte des Dreißigjährigen Krieges aus Sicht der kriegsführenden Parteien
ist dieselbe,
wie aus Sicht der Einwohner von Calw,
deren Stadt von den Habsburgischen eingeäschert und die gefoltert, vergewaltigt und ermordet worden sind? :?:

Oder
Deine Sicht auf die Zeit von 1933-1945
ist dieselbe, wie die von Höcke? :cyclops:

Ich hatte von zurechtbasteln rumposaunt, nicht von Geschichtsschreibung.

Aber manchmal ist ein EINZEILER vielleicht doch zu wenig, um einen Gedanken mitzuteilen.
Werde in mich gehen.
Isch nur manchmal halt a bissle weit. 8)

https://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_von_unten
Für eine freie und selbstbestimmte Ukraine.

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publicenemy hat geschrieben:Das sollten sich die Semantiker unter uns mal aufmerksam lesen. Eine klasse Kolumne.

http://www.spiegel.de/panorama/justiz/h ... 28154.html


Ist mir in der Summe etwas zu selbstverliebt in die eigene Rhetorik. Der Stil stiehlt dem Inhalt ein wenig zu sehr die Show, was ein bisschen schade ist, denn es steht viel wahres und richtiges drin. Dennoch unterstütze ich die Leseempfehlung.

Dieser Absatz hat mir besonders gut gefallen:
Seither tobt ein beispiellos alberner Interview- und Verlautbarungskrieg darüber, ob die Beurteilung des Leiters des Bundespresseamts, Seibert, es sei zu abstoßenden "Hetzjagden" durch einen rechtsradikalen "Mob" gekommen, zutreffend, germanistisch richtig, inhaltlich angemessen, politisch zumutbar und genügend sensibel war und ist. An dieser gesamtdeutschen Deutschlehrerkonferenz nehmen unter anderem teil: eine Bundeskanzlerin, mehrere Bundesminister, mindestens ein Ministerpräsident, ein Verfassungsschutzpräsident, Oberbürgermeister, Intendanten, Chefredakteure, Mitglieder einer rassistischen Partei, Mahner und Warner, Kommentatoren.

Und der @Airwin, der guten Gesellschaft und Vollständigkeit halber. :P

Intellektuell und sozial randständige Persönlichkeiten wie Bachmann, Höcke und Weidel zwingen die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und des Freistaats Sachsen zu einer öffentlichen Diskussion darüber, ob man das "kurzfristige Verfolgen" von Ausländern durch Nationalsozialisten als "Hetzjagd" bezeichnen dürfe. Der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, von Leitmedien als Witzeerzähler mit Weste und Staatsexamen geehrt, faselt wochenlang öffentlich umher, ob die Wortwahl der Bundeskanzlerin angemessen sei. Einen mit seinen Dienstaufgaben zusammenhängenden vernünftigen Grund kann er auch zehn Tage später nicht nennen. Und niemand erteilt ihm die Weisung, weitere unqualifizierte Kommentare zu unterlassen.

Bingo :!:
Fick den Reichskanzler! Und den Kaiser!

Unter Westfalen
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Fällt mir gerade noch ein:

Die Geschichte Palästinas seit Christi Geburt
aus Sicht der Palästinenser
und der Israelis.

Vor Jahren habe ich in Arte einen Film über die Indoktrinierung von Kindern durch evangelikale Lehrer und Eltern in den USA gesehen. Da wurde der junge Bush tatsächlich als quasi Heiliger dargestellt und die Kinder wurden angehalten, wie die Mormonen auf der Straße zu missionieren.
Für eine freie und selbstbestimmte Ukraine.

publicenemy hat geschrieben:Das sollten sich die Semantiker unter uns mal aufmerksam lesen. Eine klasse Kolumne.

http://www.spiegel.de/panorama/justiz/h ... 28154.html


Absolut top. Ausnahmsweise möchte ich’s hier in Gänze festhalten – die Lektüre lohnt sich.


Hetzjagd, Migration und Maaßen
Offenkundig außer Kontrolle

Der Wortstreit um die Hetzjagd in Chemnitz ist ein sensationeller kommunikativer Erfolg der rechtsradikal-nationalsozialistischen Minderheit und eine deprimierende kommunikative Insolvenz des von ihr bekämpften "Systems".

Eine Kolumne von Thomas Fischer


I. Migration und Worte

Gewalt ist die Mutter aller Probleme. Wir wissen aus zahlreichen Quellen, dass dies die Menschen jedenfalls seit 30.000 Jahren wissen; es war gewiss auch zuvor schon bekannt. Gewalt ist der Inbegriff des Bedrohlichen. Sie ist, was den Menschen und das Tier in ihm erregt, verängstigt, beflügelt und ernährt. Sie verfolgt uns am Tag in der "Tagesschau", am Abend im Park, in der Nacht in den Träumen. Man kann das Wort und seine Wirklichkeit nicht besiegen, so sehr man auch will, selbst wenn man die Grimmschen Märchen von achtsamen Sozialpädagoginnen umschreiben lässt und Homer aus der Perspektive der Traumatologie dekonstruiert. Am Ende kommen dann ein Assad, ein Stalin oder ein Eichmann über die armen Menschen und über die reichen Nichts-Gewusst-Habenden ein Otto Mühl, der Schweineblut ins Schweinebett schüttet.

Wer also sagt, dass Migration die Mutter aller Probleme sei, könnte entweder sehr dumm sein oder versuchen, extrem geschickt zu tun, was aber vermutlich nur eine Abwandlung des Ersteren wäre plus jahrzehntelanger Übung darin, selbst die schlichtesten oberbayerischen Intrigen mit einer Aura hintergründiger Langzeitplanung zu umgeben. Eine dritte Möglichkeit ist, dass die betreffende Person es ernst meinen könnte.

Es ist ja auch irgendwie richtig: Wäre der Mensch nicht einst aus dem Ngoro-Ngoro-Krater herausgekrabbelt, hätte es eine Menge Probleme weniger gegeben. Der Deutsche Wald wüsste bis heute nicht, wie er mit Vornamen heißt und dass er als natürlicher Lebensraum für eine hochentwickelte Spezies deutschen Bluts vorgesehen wurde von Karl dem Großen, Dschingis Khan, Johannes dem Täufer und dem Genossen Sarrazin.

Man sollte also den Bundesminister des Innern nicht unterschätzen: Ohne Migration von Römern kein Kölner Karneval, ohne Migration von Arabern kein König von Mallorca, ohne Migration von Polen keine Geländeabsenkung im Ruhrgebiet. Also massenhaft weniger Sekundärprobleme, die wir alle nicht hätten, wenn nicht die einen oder anderen sich immer einmal wieder aufgemacht hätten in die weite Welt.

Sogar den Sachwaltern der höchstrichterlichen Reputation des Bundesgerichtshofs wäre ohne die Migration ein Problem erspart geblieben: Ende des 18. Jahrhunderts war es, als mein Vorfahr, ein Leinenweber in Mittweida in Sachsen, nach Böhmen migrierte, dort eine Königstochter slawischen Ursprungs freite, weshalb seine Urenkel ab 1919 Tschechoslowaken hießen, unter Konrad Henlein 1938 innerlich und sodann unter Edvard Benes 1946 körperlich ins Land der Migranten de Maizière, Hupka und Brandt migrierten.

Als Bio-Sachse bin ich also allenfalls noch von direkten Nachkommen August des Starken zu schlagen, der allerdings nordeuropäische Linien einkreuzte und einen Hang zum Polnisch-Ungarischen entwickelte. Ich wiederum verband mich im Laufe der Jahrzehnte auf innige Weise unter anderem mit Russen, Ungarn, Polen, Iranern, Israelis, Amerikanern, Italienern, Gambiern, Niederländern und Briten. Ich migrierte ins Nassauische, ins Napoleonische, ins Sächsische und endlich in die Hauptstadt der Gerechtigkeit.

Deshalb lasse ich mich im Sachsentum keinesfalls von zwangsmigrierten Pseudo-Thüringern, niedersächsischem Fleckvieh oder LPG-Vorsitzenden aus Gelsenkirchen übertreffen! Was lernen wir daraus? Ohne Bewegung keine Zeit, sagt Einstein. Ohne Zeit kein Wahlkampf, sagt Seehofer. Ohne Migration kein Seehofer, sagt Darwin.


II. Guben, Chemnitz

Am 13. Februar 1999 sprang in Guben, einem bezaubernden Städtchen in Brandenburg, ein junger algerischer Mensch, verfolgt von elf rechtsradikalen Schlägern, die auf der Jagd nach einem Kubaner waren, in Todesangst durch eine Glasscheibe. Er verletzte sich dabei so schwer, dass er verblutete. Sein Freund wurde so lange verfolgt und zusammengeschlagen, bis man ihn für tot hielt und liegen ließ. Ein drittes Opfer wurde von der Polizei aus einem belagerten Bistro gerettet. Die Täter verfolgten das Polizeifahrzeug und versuchten, in die Polizeiwache einzudringen.

Das Ereignis ging als "Hetzjagd von Guben" in die deutsche Geschichte und die strafjuristische Terminologie ein. Die jugendlichen bzw. heranwachsenden Täter (17 bis 21 Jahre alt) wurden nach Cottbusser Art mit der "ganzen Härte des Rechtsstaats" verfolgt: Manche erhielten richterliche Verwarnungen, sieben wurden mit kurzen Jugendstrafen bestraft, von denen fünf zur Bewährung ausgesetzt wurden. Am 9. Oktober 2002 entschied der 5. Strafsenat des BGH letztinstanzlich; die lächerlichen Strafen wurden bestätigt.

Neunzehn Jahre nach den Ereignissen von Guben ist auf höchster politischer Ebene der Bundesrepublik eine beeindruckende Debatte darüber entstanden, welche tatsächlichen Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit das deutsche Wort "Hetzjagd" Anwendung finden darf und von Herrn Lehrer Dr. Maaßen nicht rot unterkringelt und mit dem Randvermerk "Ausdruck!" versehen werden muss.

Wieder war ein Mensch mit kubanischem Migrationshintergrund involviert. Er wurde am 26. August 2018 in Chemnitz bei einer tätlichen Auseinandersetzung durch Messerstiche getötet; zwei weitere Personen wurden schwer verletzt. Sobald bekannt wurde, dass es sich bei den Tatverdächtigen um Asylbewerber handelte, erfasste eine gewaltige Betroffenheit ganz Deutschland, vor allem aber alle Sachsen. Erstaunlich! Ich habe von 1993 bis 2000 in Sachsen gelebt und hörte, soweit ich mich erinnere, kein einziges freundschaftliches Wort über Kubaner oder "Deutsch-Kubaner". Wenn es jetzt anders ist, freut mich das sehr.

Angemessen finde ich, dass das Tatopfer von der besorgten Presse vielfach als "Familienvater" und "Handwerker" vorgestellt wurde. Beide Definitionen vermitteln den Bürgern, mehr als die immer neue Ablichtung der Kerzenansammlungen, die sich in Deutschland traditionell an jedem Tatort eines Gewaltdelikts finden, eine minimale assoziative Ahnung davon, was es bedeutet, wenn ein Mensch Opfer gnadenloser Gewalt wird. Schade, dass MDR, Bundesregierung und Freie Presse die Biografien und Verwandtschaftsbeziehungen der übrigen Beteiligten noch nicht vollständig entfaltet haben. Es hätte vielleicht dies ein Weg sein können zu zeigen, dass und wie sich Gewaltverbrechen aus oft abwegig oder marginal erscheinenden Einzelheiten, Zufällen, bösem Willen, Rücksichtslosigkeit, Missverständnis und vielen anderen Quellen "ergeben", wie viel Erbärmlichkeit und Furcht oft hinter den Oberflächen stecken, und wie fragil vielfach die Zuweisungen von Ursachen und Verantwortung sind, die einer Gesellschaft in einer jeweils gegebenen Lage ausreichen, um Gewalt zu legitimieren.


III. Hetzjagd, Moral

Bei einer von zu schwachen Polizeikräften nur unzureichend kontrollierbaren Demonstration rechtsradikaler und nationalsozialistischer Gruppierungen, mit Sympathie begleitet von angeblich "normalen" Chemnitzer Bürgern, kam es zu zahlreichen Äußerungs-Straftaten (Hitlergruß, NS-Parolen, Bedrohungen) und gewaltsamen Auseinandersetzungen, bei denen ausländisch aussehende Personen angegriffen, verfolgt und geschlagen wurden; außerdem wurde ein jüdisches Restaurant angegriffen.

Seither tobt ein beispiellos alberner Interview- und Verlautbarungskrieg darüber, ob die Beurteilung des Leiters des Bundespresseamts, Seibert, es sei zu abstoßenden "Hetzjagden" durch einen rechtsradikalen "Mob" gekommen, zutreffend, germanistisch richtig, inhaltlich angemessen, politisch zumutbar und genügend sensibel war und ist. An dieser gesamtdeutschen Deutschlehrerkonferenz nehmen unter anderem teil: eine Bundeskanzlerin, mehrere Bundesminister, mindestens ein Ministerpräsident, ein Verfassungsschutzpräsident, Oberbürgermeister, Intendanten, Chefredakteure, Mitglieder einer rassistischen Partei, Mahner und Warner, Kommentatoren. Bei dieser Gelegenheit werden auch gleich noch einige andere Begriffe des deutschen Wortschatzes neu vermessen: "Mob", "Abschlachten", "Sachsen", "Volksverräter", "Ostdeutschland" usw.

Das ist aus verschiedenen Gründen erstaunlich. Zum einen ist der Wortstreit ein sensationeller kommunikativer Erfolg der rechtsradikal-nationalsozialistischen Minderheit und daher eine deprimierende kommunikative Insolvenz des von ihr bekämpften "Systems". Intellektuell und sozial randständige Persönlichkeiten wie Bachmann, Höcke und Weidel zwingen die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und des Freistaats Sachsen zu einer öffentlichen Diskussion darüber, ob man das "kurzfristige Verfolgen" von Ausländern durch Nationalsozialisten als "Hetzjagd" bezeichnen dürfe. Der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, von Leitmedien als Witzeerzähler mit Weste und Staatsexamen geehrt, faselt wochenlang öffentlich umher, ob die Wortwahl der Bundeskanzlerin angemessen sei. Einen mit seinen Dienstaufgaben zusammenhängenden vernünftigen Grund kann er auch zehn Tage später nicht nennen. Und niemand erteilt ihm die Weisung, weitere unqualifizierte Kommentare zu unterlassen.

Gemeinhin ist der normal besorgte Bürger weniger empfindsam, wenn es um Sprache geht. Jedenfalls sind mir keine Regierungserklärungen und Spontandemos in Erinnerung, die sich gegen die Verwendung der Begriffe "Mob", "Plündernder Mob", "Bürgerkrieg", "Schlägerbande", "Hetzjagd" und vieles mehr im Zusammenhang mit moralisch anspruchsvollen Unmutskundgebungen etwa von Globalisierungsgegnern, Feiern aus Anlass des Kampftags der Arbeiterklasse usw. richteten. Weder die Hamburger an sich noch die Berliner als solche mussten von ihren Regierungen vor dem Verdacht in Schutz genommen werden, es handle sich bei ihnen insgesamt um Bürgerkriegsbefürworter. Auch die Städte selbst waren nicht beleidigt, weil jemand sagte, in ihnen seien unter Beifall von Teilen der Bevölkerung gewalttätige Übeltäter aufmarschiert, die kritikwürdige Anlässe als Vorwand für verbrecherische Gewalt und Drohungen nahmen. Wenn also der Chemnitzer als solcher gar nichts mit dem braunen Mob gemein hat, sondern nur mit Quarkkeulchen, aber ohne Ausländer, vor allem aber in Ruhe und Frieden leben möchte, dann ist ja alles gut, und kein Ministerpräsidentlein muss sich für irgendetwas entschuldigen - außer dafür, dass es aus unerklärlichen Gründen manchmal anders aussieht.


IV. Abschlachten

An dieser Stelle kann ich von zwei Hetzjagden aus meinem Leben berichten: Im Sommer 1971 fuhr ich, als 18-jähriger Tourist, per Anhalter durch England. In der Kneipe eines Kaffs in Devon verwickelten mich einige schon damals besoffene Briten in einen Streit darüber, ob ich schon damals ein Scheiß-Ausländer sei oder nicht. Die Sache endete damit, dass meine Freundin und ich durch die menschenleeren nächtlichen Straßen verfolgt wurden und schließlich den Großteil der Nacht mit gezücktem Messer in einem Versteck am Strand verbrachten - bereit zur Notwehr gegen wen auch immer.

Die andere Hetzjagd hatte zwei Teile und fand im Jahr 1979 in Frankfurt statt: Auf dem Weg zu einer Anti-NPD-Demonstration wurde ich von drei Zivilfahndern der Hessischen Polizei (an die Wand) gestellt und belehrt: Erstens würde man mir gern mit ein paar Knüppelhieben in die Knie zeigen, dass Spinner wie ich auf der Straße nichts zu suchen haben, und zweitens wisse "die NPD wenigstens, was Ordnung ist". Der Tag endete in einer Zangenbewegung der "Jungen Nationaldemokraten", die, mit Eisenstangen und Fahrradketten bewaffnet, rund um die Konstabler Wache verängstige Menschen durch die Nacht jagten. Unangenehme Erfahrungen, aber gut ausgegangen.

Abwegig ist, dass höchste Repräsentanten der beiden vereinigten deutschen Staaten, die sich einst als Gegenmodell zum Nationalsozialismus gründeten, wochenlang keine andere Sorge formulieren als die, ein Vorgehen gegen die Gewalthetze von Rechtsradikalen könne zur emotionalen Verstimmtheit von Bürgern führen, die mit diesen Rechtsradikalen sympathisieren. Und deshalb dazu, dass den Damen und Herren Repräsentanten mittels Stimmzettel der Strom der ewigen Bedeutung abgedreht werde, der ihnen ihrer Ansicht nach von Amts wegen zusteht, und dass sie zurückgeworfen werden auf die karierten Brotzeit-Tische und Interviews und Karrieren als Provinz-Anwälte, aus denen sie einst ans Licht kamen und in denen sie ganz Mensch sind, wie Walter Ulbricht beim Tischtennis. Nun sind sie sehr betroffen darüber, wenn der Chemnitzer ihnen nicht glaubt, und schwören ihm daher täglich, dass sie ihm einfach alles glauben.

Der Leiter einer Bundesbehörde, dem erst einfällt, die Bundeskanzlerin solle das Ausmaß rechtsradikaler Gewalt nicht übertreiben, und in der Folge dann nur die Beteuerung seiner eigenen Großartigkeit, ist offenkundig außer Kontrolle. Die Sprachkenntnisse und die Garderobe und die Examensnote von Herrn M. sind an dieser Stelle gleichgültig. Wichtig ist allein, dass er objektiv das Geschäft der Verfassungs- und Menschenfeinde betreibt und den über alle Maßen schwachen Minister, der sein Dienstvorgesetzter ist, durch die Manege führen darf zur Belustigung von Höcke und Gauland.

Unter Westfalen
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Strafraumgitarre hat geschrieben:
publicenemy hat geschrieben:Das sollten sich die Semantiker unter uns mal aufmerksam lesen. Eine klasse Kolumne.

http://www.spiegel.de/panorama/justiz/h ... 28154.html


Ist mir in der Summe etwas zu selbstverliebt in die eigene Rhetorik. Der Stil stiehlt dem Inhalt ein wenig zu sehr die Show, was ein bisschen schade ist, denn es steht viel wahres und richtiges drin. Dennoch unterstütze ich die Leseempfehlung.

Dieser Absatz hat mir besonders gut gefallen:
Seither tobt ein beispiellos alberner Interview- und Verlautbarungskrieg darüber, ob die Beurteilung des Leiters des Bundespresseamts, Seibert, es sei zu abstoßenden "Hetzjagden" durch einen rechtsradikalen "Mob" gekommen, zutreffend, germanistisch richtig, inhaltlich angemessen, politisch zumutbar und genügend sensibel war und ist. An dieser gesamtdeutschen Deutschlehrerkonferenz nehmen unter anderem teil: eine Bundeskanzlerin, mehrere Bundesminister, mindestens ein Ministerpräsident, ein Verfassungsschutzpräsident, Oberbürgermeister, Intendanten, Chefredakteure, Mitglieder einer rassistischen Partei, Mahner und Warner, Kommentatoren.

Und der @Airwin, der guten Gesellschaft und Vollständigkeit halber. :P

Intellektuell und sozial randständige Persönlichkeiten wie Bachmann, Höcke und Weidel zwingen die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und des Freistaats Sachsen zu einer öffentlichen Diskussion darüber, ob man das "kurzfristige Verfolgen" von Ausländern durch Nationalsozialisten als "Hetzjagd" bezeichnen dürfe. Der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, von Leitmedien als Witzeerzähler mit Weste und Staatsexamen geehrt, faselt wochenlang öffentlich umher, ob die Wortwahl der Bundeskanzlerin angemessen sei. Einen mit seinen Dienstaufgaben zusammenhängenden vernünftigen Grund kann er auch zehn Tage später nicht nennen. Und niemand erteilt ihm die Weisung, weitere unqualifizierte Kommentare zu unterlassen.

Bingo :!:


Das ist doch genau das, was wir hier gemeinsam erarbeitet haben! 8)
Für eine freie und selbstbestimmte Ukraine.

Strafraumgitarre
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Halbdaggl
Deshalb schrieb ich ja auch, es steht viel wahres und richtiges drin. :D 8)
Wir haben es halt lediglich noch schnörkelloser und zielgenauer auf den Punkt gebracht. :oops:
Fick den Reichskanzler! Und den Kaiser!


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Strafraumgitarre hat geschrieben:Deshalb schrieb ich ja auch, es steht viel wahres und richtiges drin. :D 8)
Wir haben es halt lediglich noch schnörkelloser und zielgenauer auf den Punkt gebracht. :oops:


Ganz ehrlich,
seine Formulierungen sind besser.
Das muss ich neidvoll anerkennen.
;) :prost:
Für eine freie und selbstbestimmte Ukraine.