killroy hat geschrieben:Aber er wirkt ja nicht so.
Hast du ihn mal reden hören? Wenn er sich völlig vergaloppiert und Gedankengebäude in die Luft stellt?
Die sind alle richtig und gut ... aber so einen wählen die Leute nicht. Die wählen einen, der dem kleinen Mann weiterhin alles wie gehabt in einfacher Sprache verspricht: Häusle, Auto, Urlaub.
Ich finde die Baerbock schwierig, aber die Entscheidung der Grünen die nette Tante von nebenan nach vorne zu stellen, die die Menschen dort abholt wo sie stehen kann ich nachvollziehen. Das das jetzt so in die Hose geht .... mei, da haben sie sich eben nicht genug angestrengt im Vorfeld. Nicht detailliert genug alles gecheckt und vorbereitet.
Ich habe das Gefühl, dass die Grünen mit der Entscheidung pro Baerbock versucht haben die kommenden Angriffe auf den Kandidaten zu reduzieren, einfach weil sie (bzw auch ich) davon ausgegangen sind, dass man eine Frau schwerer angreifen kann, Stichwort "alte weiße Männer". Dazu war es vermutlich die Idee den beiden männlichen Kandidaten eine Frau gegenüberzustellen und sich damit zu differenzieren.
Momentan sieht es so aus, als ob das gründlich schief gegangen ist weil sie nicht damit gerechnet haben, dass von Baerbock diese Böcke kommen werden. Der Lebenslauf, wenn auch total unerheblich war ein Problem, das Buch (das vollkommen unnötig war) hat zusammen mit dem Lebenslauf die Tendenz verschärft. Von den Grünen erwartet man andere Standards, vor allem auch, weil die Grünen eben auch damit kokettieren, dass sie anders als die anderen Parteien sind.
Es ist ja nicht so, dass von Union und SPD keine Skandale in jüngerer Zeit gekommen wären, im Gegenteil, aber es hat auch was mit Erwartung zu tun, und da ist der Wähler mehr enttäuscht wenn die Enttäuschung von den Guten kommt, als von denen von welchen man nichts anderes erwartet.
Die Grünen belegen mit Umwelt und Klima das wichtigste Thema unserer Zeit, dieses Thema bearbeiten sie sehr glaubhaft, niemand würde behaupten, dass das nur ein Wahlthema für die Grünen ist. Aber die Grünen haben ein Problem mit Wirtschaft, hier fehlt ihnen komplett die Glaubwürdigkeit und zugeschriebene Kompetenz. Sie sind aus ihrer Tradition heraus wirtschaftskritisch, was sehr schwer ist abzulegen.
Beispiel Baerbock, die die Soziale Marktwirtschaft der SPD zugeschrieben hat, wohl im Unwissen, dass diese von Ludwig Erhard eingeführt wurde und die SPD den Begriff erst später übernommen hatte.
Und genau da liegt meiner Meinung die große Schwäche der Grünen. Die wirtschaftliche Stärke Deutschlands ist das Fundament dieser Republik und das Fundament den ökologischen Wandel erfolgreich umzusetzen. An der wirtschaftlichen Stärke hängt der Wohlstand der Republik und jedes einzelnen Bürgers. Und es ist vollkommen verständlich und nachvollziehbar, dass Menschen Angst um ihre persönliche wirtschaftliche / finanzielle Zukunft haben, wenn man sich die Dimension der Änderungen vor Augen hält, die die Grünen anstrengen möchten.
Man erwartet (ich erwarte) von einer Partei, dass sie ein Gerüst aufzeigen und erklären kann, wie dieser Wandel stattfinden soll und wie die wirtschaftliche Stärke und der Wohlstand des Landes bewahrt werden kann, während man den Weg in die Zukunft geht.
Es ist ziemlich klar, wie sich die Grünen die Zukunft des Landes in Bezug auf klimaneutrale Energieerzeugung vorstellen, in diesem Bereich sind sie sehr detailliert, aber es ist für mich unklar, wie sie diese Wende im Zusammenspiel mit einer wettbewerbsfähig bleibenden Wirtschaft erreichen wollen. Die Grünen vertrauen den ökonomischen Fähigkeiten unserer Wirtschaft nicht, das liegt in ihrer DNA, deshalb hat man auch immer das Gefühl, dass sie mit Verboten arbeiten möchten.
Mit Baerbock hatte ich kurz das Gefühl, dass die Grünen über dieses Stigma hinwegkommen, aber das Gefühl, dieser kurz aufflammende Aufbruch wurde jäh gestoppt.
Was Deutschland fehlt ist eine liberale Grüne Partei, eine Partei die in Umwelt- und Klimafrage sowie in ökonomischen Fragen ihre Kernkompetenz hat. Aktuell ist Umwelt- und Klimaschutz ein Thema das nur von einer Partei des linken Parteienspektrums abgebildet wird. Aber dieses Thema ist nicht nur links, dieses Thema muss auch liberal oder konservativ sein. Dieses Thema muss auch von einer Partei mit Überzeugung und Glaubwürdigkeit vertreten werden, die auf die Kräfte der sozialen Marktwirtschaft und auf die Kräfte des Marktes vertraut.
Es ist für mich ein Unding, dass ich wenn mein Nummer 1 Thema bei dieser Wahl der Klimaschutz ist, ich eine Partei wählen müsste, die in so vielen anderen Fragen (vor allem ökonomischen) nicht meine Überzeugungen vertritt.