Hasenrupfer hat geschrieben:Nur, wen meint der Autor mit seiner Anspielung auf die pestbringenden Tedesci denn?
1630 ist FNZ, da bin ich froh, wenn ich einigermaßen den gesamt-europäischen Überblick behalte. Glaub jedenfalls eher weniger, dass inmitten des 30-Jährigen Kriegs irgendwelche "deutschen" Truppen in "Italien" rum marschiert sind...
Zunächst einmal ist dies ja nur ein wortwörtliches Zitat aus einem einzigen Kapitel des in der deutschen Taschenbuchausgabe bereits über 900 Seiten dicken Romans über das Italien des 17. Jahrhunderts (Manzonis "I promessi sposi"/"Die Verlobten" von 1840 ist übrigens für die Italiener in etwa dasselbe literarische Nationalheiligtum wie Goethes "Faust" für die Deutschen), in dem der Autor allerdings sehr klar (unter Verwendung zeitgenössischer Quellen) beschreibt, wie sich die Pest um das Jahr 1630 in und um Mailand ausgebreitet hat.
Geschichtlich lassen sich vor allem folgende Zusammenhänge konstruieren:
Mailand war nach 1535 an die Habsburger gefallen und ab 1556 bei der Habsburger Erbteilung als Nebenland an die Spanische Krone gegangen. Vermutlich sind mit den "deutschen Truppen" deswegen eher die Kaiserlichen (also die habsburgische Armee) gemeint, die als eine Kriegspartei, nämlich die katholische, im 30jährigen Krieg agierten und natürlich quer durch "Deutschland", also durch die deutschen Lande zogen, und zwar kämpfend, marodierend und plündernd.
Bereits 1625 ist bekannt, dass die Pest wieder in "Deutschland" aufgetreten ist, wozu damals auch das habsburgische Stammland in Österreich und seine vielen Besitzungen zählten. Zu denen gehörte wiederum mit dem Herzogtum Tyrol eine Gegend, die in relativer Nähe zu Mailand lag. So lassen sich die Befürchtungen des Gesundheitsamts über die "deutsche Armee" erklären, die Manzoni zu Beginn des Kapitels aufführt.
Kulturell kann man noch folgenden wichtigen Aspekt hinzufügen:
Man muss diesen Satz nämlich auch aus Manzonis Zeit heraus verstehen, als quasi ganz Norditalien zum ungeliebten Habsburgerreich zählte. Manzoni schrieb seinen Roman als Beitrag zur Einigung Italiens, des Risorgimento, als ersten Roman in einer vom Dialekt bereinigten italienischen Hochsprache, damit ihn alle Italiener lesen konnten. Und er selbst und dieser Roman wurden für die Italiener tatsächlich zum Sinnbild des Risorgimento.
Manzoni hat übrigens am Ende des 31. Kapitels ein paar kluge Worte verfasst über das Nichtwahrhaben-Wollen von Tatsachen, die aktueller nicht sein könnten:
Im Anfange also keine Pest, durchaus keine, um keinen Preis; nur das Wort auszusprechen ist verpönt; dann pestartiges Fieber; die Vorstellung schleicht sich heimlich durch ein Beiwort ein; dann nicht wirkliche Pest; das heißt freilich Pest, aber in einem gewissen Sinne; nicht eigentlich Pest, aber etwas, für das man keinen andern Namen zu finden weiß; endlich Pest ohne Zweifel und ohne Widerrede. Aber schon hat sich eine andere Vorstellung damit verbunden, die Vorstellung der Giftmischerei und Hexerei, welche die durch das Wort ausgedrückte Vorstellung von der Pest, die sich nicht mehr zurückweisen läßt, verfälscht und verwirrt.
Man braucht, glaube ich, in der Geschichte der Vorstellungen und Worte nicht sehr bewandert zu sein, um einzusehen, daß viele einen ähnlichen Lauf genommen haben. Dem Himmel sei Dank, daß ihrer von der Art und Bedeutung nicht viele sind, die um einen solchen Preis ihre Glaubwürdigkeit erkämpfen müssen und mit denen sich Nebenumstände von solcher Art verbinden. Man könnte jedoch, in großen wie in kleinen Dingen, den so langen krummen Weg meist vermeiden, wenn man die seit so langer Zeit bestehende Regel befolgte, erst zu beobachten, zu hören, zu vergleichen, zu denken und dann zu sprechen.
Aber das Sprechen, diese so einzige Sache, ist viel leichter als alle die andern zusammen, daß auch wir, ich meine wir Menschen überhaupt, ein wenig zu bedauern sind.
Die Edith ist noch mal über das in der Späte der Nacht Verfasste gehuscht. Ich hoffe, jetzt ist es noch ein bisschen klarer geworden
Zuletzt geändert von CoachingZone am 5. März 2020 12:17, insgesamt 3-mal geändert.
Wenn die Unfähigkeit einen Decknamen braucht, nennt sie sich Pech.
- Charles Maurice de Talleyrand -
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