fkAS hat geschrieben:Wenn man ganz fair ist, muss man sagen, dass der Artikel auf alle Unterschiede eingeht, die du auch nennst.
Nein, sicher nicht. Insbesondere nicht, was die wichtigste Frage betrifft, den Vergleich der Sterblichkeit zwischen Sars-Cov-2 und der Spanischen Grippe. Hier suggeriert der Artikel eine hälftige Sterblichkeit von Sars-Cov-2.
Außerdem existiert ja auch kein offizieller Wert für die Sterblichkeit der Spanischen Grippe. Hier wird ein Spielraum zwischen 1,5-6% genannt. Da der ZEIT-Artikel in der Rubrik Wissen eingestellt wurde, gehe ich schon davon aus, dass der Autor sich dessen bewußt ist und nicht ausgerechnet bei der entscheidenden Frage etwas von hälftiger Sterblichkeit faselt und versucht dies durch konkrete Literaturzitate "abzusichern".
Die meisten Leser der ZEIT werden sich gerade im Wissensteil darauf verlassen, dass man den Zitaten und Prozentangaben glauben darf.
Dein verlinkten Artikel ist leider eher noch schlechter, denn hier steht noch nicht mal irgendwo etwas Seriöses. Zuerst wird extrem wild fabuliert:
Wir beobachten seit dem 15. März eine tägliche Wachstumsrate der Infizierten von circa 23 Prozent, das heißt, die Zahl der registrierten Infizierten verdoppelt sich alle drei Tage. Verwendet man allein zur Verdeutlichung ein exponentielles Wachstumsmodell und startet man mit 6.000 Infizierten (in etwa die Anzahl am 15. März), wären innerhalb von 14 Tagen knapp 109.000 Personen infiziert, nach 30 Tagen nahezu drei Millionen.
Mal zur Verdeutlichung: Auf der Basis der offiziellen JH-Zahlen wählen sie einen Startpunkt am 15.03., sowie eine abgeleitete Wachstumsrate. Dann rechen sie das durch und kommen zu einem Ergebnis, dass die aktuellen Zahlen eindrucksvoll widerlegt (109.000 Infizierte am 29.03.). Dabei scheren sie sich einen feuchten Kehrricht darum, dass wir aktuell einen Shutdown haben - wie Du selbst neulich schon richtig erwähntest - und sich eine Basisreproduktionsrate von 3 deshalb eher nicht als wichtigste Zahl der Berechnung anbietet...
...Aber dann fällt es ihnen natürlich auch selbst auf:
Das alles sind natürlich nur Beispielrechnungen. Aktuell gibt es zu allen drei oben genannten Faktoren – Reproduktionsfaktor, Ansteckungsdauer und Immunität – im Falle von Covid-19 keine endgültig gesicherten Informationen.
Jou. Anhand dieser "Beispielrechnungen" machen sie aber trotzdem die Aussage, dass nach 30 Tagen, das wäre also der 14.04., unser Gesundheitssystem zusammengebrochen sein wird, weil wir da nämlich dann 3 Millionen Infizierte hätten...
Es ist wiederum offensichtlich, dass diese Entwicklung die die Gesundheitsversorgung schnell überlasten dürfte [...] So wären beispielsweise bei 1,5 Million Infizierten und einem Anteil schwerer Verläufe von nur drei Prozent die in Deutschland verfügbaren Intensivkapazitäten schon bei Weitem ausgereizt, selbst wenn man dort keinerlei andere Schwerkranke zu behandeln hätte. Eine Rationierung von Intensivkapazitäten wäre dann nicht mehr zu vermeiden. Im Klartext hieße das, viele Todesfälle hinnehmen zu müssen.
Ja, wirklich? Kommen denn in einer exponenentiellen Entwicklung über 30 Tage wirklich alle 1,5 Millionen am selben Tag?
Im Moment siehst es so aus, dass schlimmstenfalls 0,5% beatmet werden müssten (mit jedoch sehr unterschiedlichen Systemen, die nicht alle auf der Intensivstation aufgenommen sein müssten). Wenn ich jetzt sehr großzügig mit einem durchschnittlichen Verbleib von 15 Tagen rechne, also 750.000 Patienten und realistischen 0,5 % die tatsächlich beatmet werden müssten, dann komme ich auf 3.750 Patienten pro 15 Tage. Das wäre angesichts der heute schon existenten Intensivkapazitäten noch überhaupt nicht problematisch. Und selbst die oben genannten 3 Millionen Infizierte und 7.500 beatmete Patienten würden noch lange kein Zusammenbruch des Systems bedeuten. Vielerorts wurden die Intensivkapazitäten mittlerweile mehr als verdoppelt....
Allerdings reichen diese Beispielrechnungen, so ungewiss sie ja dann sein sollen, doch wiederum aus:
Und doch reichen diese Beispielrechnungen völlig aus, um ein entschlossenes politisches Handeln zu begründen, das der Eindämmung der Neuinfektionen aktuell die absolute Priorität zuweist.
Weiter hab`ich dann gar nicht mehr gelesen, entschuldige....