Beim Film-Thema "Indianer" (in Kanada sollte man das nicht sagen, besser First Nations), fällt mir der Film
Little Big Man
ein.
Little Big Man ist ein für das Kino produzierter US-amerikanischer Wildwestfilm, im engeren Sinne ein Anti-Western, aus dem Jahr 1970. Unter der Regie von Arthur Penn spielte Dustin Hoffman mit Jack Crabb einen fiktiven „weißen“ Siedlersohn, der ab seinem zehnten Lebensjahr bei Indianern aufwächst und als Erwachsener zwischen den Kulturen hin- und hergerissen wird.
Nebendarsteller Chief Dan George wurde mit den Laurel Award ausgezeichnet und gewann die Preise der National Society of Film Critics sowie des New York Film Critics Circle und war 1971 für einen Golden Globe und den Oscar nominiert. Ferner erhielt Regisseur Arthur Penn 1971 eine Spezielle Erwähnung beim Moskauer Filmfestival, wo der Film außerhalb des Wettbewerbs lief, während Little Big Man im selben Jahr mit dem französischen Étoile de Cristal als bester ausländischer Film (Prix International) ausgezeichnet wurde.
Ich bin mit dem Neffen, Großneffen, Urgroßneffen des Hauptdarstellers
Chief Dan George befreundet und habe bei der George-Familie im Reservat in North Vancouver
gewohnt. Auch meine Tochter lebte als einzige Weiße im Reservat mit dem Chief of Chiefs, seinen
drei Söhnen und seinem Vater , dem Cousin von Chief Dan George, der ihm sehr ähnlich sieht.
Natürlich haben wir uns den Originalfilm im George-Holzhaus am Burrard Inlet mehrmals zusammen mit
den George-Jungs angesehen, nicht nur das.... Es gab herrlich Anekdoten und Einblicke in den indianischen Alltag, der meist nicht so rosig und romantisch ist.
2006 hatte ich meine Untertürkheimer Freundin in Kanada mit dabei und ich lud sie spontan ein, mich
ins Reservat aufs Festland zu begleiten. Ich hatte sowieso eine Einladung, auch über Nacht. Sie lernte viel
über die Natives und es war ein unvergesslicher Aufenthalt.
Wir fuhren auch in den hübschen Park bei Deep Cove (leicht zu finden)
am Burrard Inlet, wo das berühmte Checker Board von Chief Dan George (über 100 Jahre alt)
mitten im Park aufgestellt war. Plötzlich stand ein Kanadier neben uns, ein Geschichtsprofessor und unterhielt sich interessiert mit unserem indianischen Begleiter der George-Familie.
Irgendwann fragte meine Freundin den Professor "...und wer ist denn jetzt der
Chief of Chiefs?"
Der Professor grinste und meinte: "Er steht direkt neben dir!"
Sie konnte es nicht fassen und meinte: "Das hätte ich mir nie erträumen lassen, dass ich jemals
neben einem Indianerhäuptling stehe und sogar in seinem Haus schlafe und mit ihm am Lagerfeuer
sitze und mehr... Ich habe früher begeistert Winnetou angesehen und immer davon geträumt, einem
Häuptling zu begegnen."
Einen Tag zuvor hatte sie sich in Duncan das Buch
My Heart soars / My Spirit Soars
Biographical Sketch / Centennial Speech by Chief Dan George und Helmut Hirnschall
gekauft und ahnte nicht, dass sie am nächsten Tag die George-Familie kennenlernen würde.
http://www.azquotes.com/picture-quotes/ ... -72-11.jpgDas ist das berühmte Checker Board von Chief Dan George. Es wurden viele War Canoe-Rennen damit
gewonnen. Auf dem Foto wurde es gerade im Reservat des indianischen Freundes und Neffe von
Chief Dan George restauriert, dessen beide Großväter berühmte Chief of Chiefs waren.
http://img5.fotos-hochladen.net/uploads/p92703403wcj4zrlte.jpgNachtrag:
Ein halbes Jahr später lernten wir auch das Oberhaupt der Comanches Wallace Coffey persönlich
kennen. Da war sie dann weniger aufgeregt.
Nachtrag 2:
Deutsche Indianer
Hermann Lehmann führte ein Leben wie ein Westernfilm. Der deutsche Einwanderersohn kam 1859 in Texas auf die Welt. Seine Eltern waren Mitglieder des „Adelsvereins“, einer Organisation, die Deutschen half, sich in Amerika anzusiedeln. Lehmanns Eltern waren in den Vierzigerjahren aus Hessen ins Hill Country gekommen, ein Gebiet nördlich von San Antonio – das Gebiet der Komantschen. Als Hermann Lehman elf Jahre alt war, entführten Apachen ihn und seinen Bruder. Willie konnte fliehen, Hermann blieb bei den Apachen und hatte Glück.
Der Krieger Carnoviste adoptierte Hermann als seinen eigenen Sohn. Mit seinem Entführer Chevato schloss Hermann Freundschaft. Ab jetzt hieß Hermann En-Dah, White Boy. Er lebte sich in die Kultur der Apachen ein, vergaß seine hessische Familie, trank mit seinen neuen Freunden Tiswin-Bier und Mescal, überfiel mit ihnen andere Indianer, lernte das Überleben in der Wüste, Hirsch- und Kaninchenjagd, das Sammeln von Kakteenfrüchten, lernte, Wasser zu finden, wo die meisten Weißen verdurstet wären, und genoss nach tollkühnen Kriegszügen die Anerkennung seiner Apachengruppe.
Hermann White Boys Leben bestand aus Räubereien und Kämpfen. Leider tötete er während eines Mescal-Besäufnisses einen Medizinmann einer verfeindeten Apachengruppe, die seinen Adoptivvater Carnoviste ermordet hatte. Die Apachenregeln forderten Blut für Blut, und nach der Rache musste Hermann fliehen. Viele Monate versteckte er sich in einem Canyon, dann hielt er die Einsamkeit nicht länger aus. Der deutsche Indianer setzte alles auf eine Karte und suchte Komantschen auf, die Todfeinde der Apachen. Hätten sie ihn als Apachen angesehen, dann hätten sie ihn umgebracht. Doch die mächtigen Komantschen, die die Apachen aus den Prärien von Texas vertrieben hatten, nahmen ihn auf.
Ab jetzt hieß Hermann Montechema, lernte die Sprache der Numunu, wie die Komantschen sich selbst nennen, und lebte unter den Bisonjägern, die als die besten Reiter Amerikas galten und Raubzüge von Nordtexas bis in den Süden Mexikos unternahmen – über tausende von Kilometern. Hermann lernte reiten wie ein Komantsche, seine Feinde ritten in die entgegengesetzte Richtung, wenn sie auf die Spuren seiner Bande trafen. Und er wurde Häuptling, kämpfte mit den Quohada-Komantschen einen Vielfrontenkrieg: gegen die amerikanischen Bisonjäger, die Millionen von Bisons abschlachteten und den Plains-Kulturen damit die Nahrungsgrundlage entzogen, gegen die Texas Rangers und gegen die US Army........
Hermann Montechemas Geschichte klingt fantastischer als Karl Mays Fiktionen von Winnetou und Old Shatterhand, und doch ist sie wahr. Die Frage stellt sich, ob Karl May (1842–1912), der seine Romane um die Zeit der Besiedlung des amerikanischen Westens in den 1870ern und 1880ern schrieb, von Grenzgängern wie Lehmann wusste und ob diese ihn inspirierten. Karl May, der Amerika erst am Ende seines Lebens bereiste, kannte die Literatur über die Indigenen genau. Auch wenn seine Geschichten Fehler aufweisen, sind diese nicht gravierender als in der Ethnologie seiner Zeit. Die deutsche Besiedlung von Texas hatte zur Folge, dass Berichte über die USA in Deutschland im Umlauf waren und eine immense Leserschaft begeisterten. Zu Hermann Montechema äußerte sich Karl May nie; die Forscher streiten aber darüber, ob eine andere wahre Geschichte – die des Apachenführers Cochise und des Scouts Tom Jeffords – das Vorbild für Winnetou und Old Shatterhand abgab.
Karl May muss man hoch anrechnen, dass er den Widerstand der Indigenen gegen die Zerstörung ihrer Kulturen für legitim erklärte; er stellte sich bewusst gegen den Rassismus auf die Seite der unterdrückten Völker und zeigte sich als Pazifist. Sein Apachenbild stand im Gegensatz zum Stereotyp der USA. Dort galten die Indigenen als Bestien, dort waren auf die Skalpe von Apachen Prämien ausgesetzt, dort ermordeten Lynchmeuten auch friedliche Indigene.....
In den USA ist May kaum bekannt. Politisch aktive Indianer, die Mays Werke kennen, kritisieren zwar die fehlerhaften Darstellungen, würdigen aber sein freundschaftliches Bild von Indianern als gleichberechtigten Menschen und sein humanes Engagement – ein Engagement mit Folgen:
Die Wissenschaftlerin und Komantschin Martina Minthorn sagt, dass Deutsche meist ein viel tiefer gehendes Interesse und positivere Vorstellungen von ihren Kulturen hätten als US-Amerikaner. Und das ist auch Karl May zu verdanken.
http://www.taz.de/!864020/