Viele denken das sei offener als in den letzten paar Jahren: Die Kieler werden ihrem Stil treu bleiben und möglichst frech nach vorne spielen, anders als die Aufstiegsaspiranten in vergangenen Jahren. Wenn ihnen ein Tor gelingt, dann könnten die Wolfsburger einbrechen.
Kann man annehmen, aber die Kieler stehen auch unter massivem Druck. Dass die befreit aufspielen werden, ist ein Denkfehler: die freuen sich zwar seit Wochen über ihre Saison und sind von einer Welle der Euphorie getragen, aber wenn die im Tunnel stehen, wird ihnen das Zäpfchen auch gehen, und zwar nicht zu knapp. Das bringen solche Spiele sowieso von ganz alleine mit sich, aber wenn die anfangen nachzudenken, dann werden sie darauf kommen, dass sie nächste Saison gegen den Abstieg spielen werden – egal in welcher Liga. Der Trainer geht, der beste Torschütze ist nur ausgeliehen, und so weiter. Dazu kommen die Investitionen, die der Verein auch in der zweiten Liga für die Lizenz leisten muss. Obwohl sie eigentlich nur Grund zur Freude haben, weil sie in der Saison über sich hinausgewachsen sind, wird sich das so anfühlen als ob sie in diesen Relegationsspielen ziemlich viel kaputt machen können.
In mindestens 180 Minuten setzt sich meistens der besser besetzte Verein durch. Man könnte über ein einzelnes Entscheidungsspiel auf neutralem Boden nachdenken, aber vielleicht ist das Format auch okay so: der Erstligist hat immerhin zwei andere Vereine hinter sich gelassen, und der Zweitligist ist “nur” der Drittbeste. Dass die Relegationsspiele in manchen Fällen eher eine Strafe für den Erstligisten und eine Extra-Kirsche für den Zweitligisten sind, ist nicht unbedingt eine schreiende Ungerechtigkeit.
Jedenfalls glaube ich schon, dass Kiel ganz gute Aussichten hat – vor allem wenn es ihnen gelingt, den Mut nicht zu verlieren – aber wetten würde auch darauf nicht.