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Unter Westfalen
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Grasdaggl
Ich wünsche mit der Tschechischen Weihnachtsmesse von Jakub Jan Ryba allen einen schönen und sonnigen 2. Advent:



Die Musik begleitet mich fast mein ganzes Leben. Früher habe ich in fremden Städten ja immer die Plattengeschäfte und später CD-Shops heimgesucht. Bei meinem ersten Besuch in Prag 1969 hörte ich diese Musik und war sofort begeistert. Volkstümlich anmutende böhmische Musik aus dem 18. Jahrhundert. Eine Trouvaille. Interessant auch, dass Ryba seine Messen auf tschechische Texte schrieb, was damals völlig unüblich war.

Wer sich für sein leben und sein tragisches Ende interessiert:

https://de.wikipedia.org/wiki/Jakub_Jan_Ryba

Auswurf:
Was moinsch? Zu christlich?
Für eine freie und selbstbestimmte Ukraine.

Unter Westfalen
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Grasdaggl
Und rechtzeitig zum 3. Advent
Der Weihnachtsklassiker:



Für die russischen Compagnien ist die Choreographie von Petipa ja unantastbar.
Die modernen Choreographen bringen hin und wieder auch eigene Ideen mit ein.

Als Youri Vamos Ballettchef in Dortmund war, hat er die Weihnachtsgeschichte von Charles Dickens in das Ballett eingebaut. Die Inszenierung nahm er mit, als er nach Bonn ging.

http://www.youri-vamos.com/nussknacker_de.php

Unsere Jüngste, die mit Ballett angefangen hat, bekommt vom Weihnachtsmann eine Aufführung des Russischen Staatsballets in Münster geschenkt. Sie wird sich freuen
Für eine freie und selbstbestimmte Ukraine.


Unter Westfalen
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Grasdaggl
Ja,
das ist eine Adaption der Hamburger Inszenierung.
Ist schon einige Jahre her, dass wir die gesehen haben. Eine stark von der Version der Uraufführung abweichende Aufführung mit viel Esprit und Humor. Typisch Neumeier, ganz großes Ballett.
Wenn ich es richtig in Erinnerung habe, geht es um den Traum, eine Ballerina zu werden. Die ersten Schritte sind urkomisch dargestellt.
Petipas Handschrift dürfte wohl in den Charaktertänzen zu sehen sein, die wir aus der Suite kennen.

Übrigens,
Neumeier hat auch Schwanensee entstaubt.
In seiner Inszenierung "Illusionen wie Schwanensee" ist König Ludwig II. von Bayern die Hauptperson. In seinen Märchenschlössern träumt er sich in das Märchen. Die Adaption ist auch deswegen interessant, weil Neumeier auf Verbindungen zwischen Ludwig und Tschaikowsky hinweist (der Schwan als herausragendes Motiv in Neuschwanstein und im Ballett; verdrängte Homosexualität bei König und Komponist).
Getanzt von der nach wie vor Weltklassecompagnie in Hamburg ein großer Ballettabend.

Freud lässt grüßen.
Für eine freie und selbstbestimmte Ukraine.


CoachingZone
Halbdaggl
Würde jetzt gerne ellenlang über Nussknacker und John Neumeier und so weiter antworten, bin aber momentan einfach zu müde dazu.

Deswegen nur ein kleines Video von einer ganz anderen Nussknacker-Inszenierung, nämlich in der Choreographie von Marco Goecke, dem langjährigen höchst eigenwilligen Hauschoreographen des Stuttgarter Balletts.

Das Stück wurde vor Jahren vom ZDF aufgezeichnet und auch gesendet, hat aber die meisten Zuschauer deutlich verstört, was verständlich ist, wenn man die tänzerische Ausdrucksweise Goeckescher Stücke sieht. Typisch die intensive und kleinteilige Armarbeit und fast immer der Rücken zum Zuschauer - eigentlich ist der charakteristische Stil Goeckes sofort und eindeutig zu erkennen, und dennoch habe ich bislang kein Stück von ihm gesehen, das mich gelangweilt hat.

Hier also eine komplett andere, aber meiner Empfindung nach in sich sehr stimmige Sichtweise des berühmten Stücks. Die Aufnahme zeigt das Scapino-Ballett Amsterdam und besteht aus einer Aneinanderreihung verschiedener Ausschnitte. Ich selbst habe Goeckes "Nussknacker" im Winter 2007 das letzte Mal im Kammertheater in Stuttgart mit der Uraufführungsbesetzung Elena Tentschikowa und William Moore gesehen.



Für diejenigen, die mehr dazu wissen wollen, habe ich noch zwei Zeitungskritiken verlinkt:

https://www.welt.de/print-welt/article7 ... ckers.html

https://www.tanznetz.de/blog/8947/schrille-nacht

Letztendlich muss man sich aber auf die ganz andere, viel tiefere (oft Unter-)Bewusstseinsschichten ansprechende Tanzsprache einlassen (wollen/können), um das Stück genießen zu können.
Wenn die Unfähigkeit einen Decknamen braucht, nennt sie sich Pech.

- Charles Maurice de Talleyrand -






Unter Westfalen
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Grasdaggl
Hier ein weiteres Beispiel von Mozarts derbem Humor:



Wie haben den Kanon im Musikunterricht gesungen, allerdings in der gereinigten Fassung:

Bona nox!
bist a rechter Ochs,
bona notte,
liebe Lotte;
bonne nuit,
pfui, pfui;
good night, good night,
heut’ müßma noch weit;
gute Nacht, gute Nacht,
’s wird höchste Zeit, gute Nacht,
schlaf’ fei g’sund und
bleib’ recht kugelrund.

Die ganze Familie Mozart bediente sich wohl dieser derben Sprache:

https://de.wikipedia.org/wiki/Bona_nox! ... _rechta_Ox

Dieses Phänomen rief allenthalben Wissenschaftler auf den Plan:

Als der Schriftsteller Stefan Zweig den Psychoanalytiker Sigmund Freud auf die deutliche Sprache der Bäslebriefe Mozarts hinwies, antwortete der Analytiker: „In mehreren Analysen mit Musikern ist mir deren besonderes, in die Kindheit zurückreichendes Interesse für die Geräusche, die man mit dem Darm macht, aufgefallen. Ob man das nur als Spezialfall des allgemeinen Interesses für die Tonwelt betrachten darf, oder ob man annehmen soll, in die (uns unbekannte) Begabung für Musik gehe eine starke anale Komponente ein, lasse ich unentschieden.“ (aus Wikipedia)
Für eine freie und selbstbestimmte Ukraine.

Die meisten Leute fangen ja schon sehr früh – noch in ihrer Jugend – an, Musik für ihre eigene Beerdigung in Betracht zu ziehen. Meistens bedeutet es einfach nur, dass einem ein Titel besonders gut gefällt, aber es geht auch um Thema und Botschaft. Ich finde es richtig, sich darüber schon sehr zeitig Gedanken zu machen, weil es so viele tolle Stücke gibt, die in Frage kommen:

https://www.youtube.com/watch?v=-VsieYM4NZE

Angeblich handelt es sich hier um einen Remix: die Komposition soll von Wenzel Trnka von Krzowitz stammen, Mozart verfasste einen neuen Text.


Hihi. Wenn ich Frédéric Helmut Johannes Schwilden hieße, würde ich sowas für die WELT vielleicht auch verfassen. Und mich über die Farben auf dem Poster auslassen, und Parallelen zu Michael Stipe von R.E.M. an den Haaren herbeiziehen, damit ich die Mindestwortzahl erreiche und den Artikel einreichen kann. Ich hätte allerdings besser aufgepasst, dass ich nicht im Namen einer jungen Zielgruppe schreibe und dabei wie ein bitterer, alter Sack klinge. Das beißt sich.

Unter Westfalen
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Grasdaggl
Die alte Masche.
Sich zuerst natürlich als Opernkenner ausweisen und dann im Namen der Kids sprechen. Aber wegen der Wortneuschöpfung "heißer Scheiß" vergebe ich ihm.

Vermeintliche Jugendlichkeit: der heiße Scheiß
Mozart-Fans wissen das natürlich. Und mögen ihn nicht deswegen, sondern obwohl er eine Vorliebe für derartige Zoten hatte. Viel besser als jeder Kack-Kanon sind natürlich Opern wie „Figaros Hochzeit“, „Don Giovanni“ oder „Die Zauberflöte“.

Vermutlich glaubt das Konzerthaus Berlin, durch eine derartigen Sound besonders junge Menschen zu erreichen. Junge Menschen, so muss die Erkenntnis der Werbestrategen aus Berlin sein, fahren nämlich auf den heißen Scheiß ab. Aber selbst die finden: Das Plakat zum „Mozart-Marathon“ ist ein Griff ins Klo.


Ich bin sicher, dass alle meine Enkelkinder an dem Plakat ihre helle Freude gehabt hätten....lol
Für eine freie und selbstbestimmte Ukraine.

Unter Westfalen hat geschrieben:Aber wegen der Wortneuschöpfung "heißer Scheiß" vergebe ich ihm.


Der Artikel ist von 2015, die Wortschöpfung “heißer Scheiß” findet man mit ziemlicher Sicherheit auf deutschen Hip Hop-Alben aus den Neunzigern. Das englische Vorbild “hot shit” bzw. shit-hot ist allermindestens aus eben jenem Jahrzehnt – wobei man sich da oft gewaltig täuscht und Shakespeare sowas schon kannte. Vgl. Götz v. Berlichingen, Mozart et al.

de mappes
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Spamferkel
Unter Westfalen hat geschrieben:Hier ein weiteres Beispiel von Mozarts derbem Humor:



Wie haben den Kanon im Musikunterricht gesungen, allerdings in der gereinigten Fassung:

Bona nox!
bist a rechter Ochs,
bona notte,
liebe Lotte;
bonne nuit,
pfui, pfui;
good night, good night,
heut’ müßma noch weit;
gute Nacht, gute Nacht,
’s wird höchste Zeit, gute Nacht,
schlaf’ fei g’sund und
bleib’ recht kugelrund.

Die ganze Familie Mozart bediente sich wohl dieser derben Sprache:

https://de.wikipedia.org/wiki/Bona_nox! ... _rechta_Ox

Dieses Phänomen rief allenthalben Wissenschaftler auf den Plan:

Als der Schriftsteller Stefan Zweig den Psychoanalytiker Sigmund Freud auf die deutliche Sprache der Bäslebriefe Mozarts hinwies, antwortete der Analytiker: „In mehreren Analysen mit Musikern ist mir deren besonderes, in die Kindheit zurückreichendes Interesse für die Geräusche, die man mit dem Darm macht, aufgefallen. Ob man das nur als Spezialfall des allgemeinen Interesses für die Tonwelt betrachten darf, oder ob man annehmen soll, in die (uns unbekannte) Begabung für Musik gehe eine starke anale Komponente ein, lasse ich unentschieden.“ (aus Wikipedia)



:mrgreen:
Also unser Musiklehrer hatte eine weitere Abwandlung:

Letzten Zeilen: gute Nacht gute Nacht
Scheiss ins Bett dass kracht
Schlaf fei gsund
Und Streck de ärsch zum Mond

Ob das seine Dichtung war oder Mozarts weiß ich aber nicht mehr
Don't criticize what you can't understand




Unter Westfalen
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Grasdaggl
Aus Anlass des 75. Jahrestages der Beendigung der Belagerung Leningrads

https://de.wikipedia.org/wiki/Leningrader_Blockade

stelle ich Schostakowitschs 7. Symphonie, auch "Leningrader" genannt, ein.
Ich habe mich für eine historische Aufnahme entschieden, der deutschen Erstaufführung durch die Berliner Philharmoniker unter Sergiu Celibidache im Dezember 1946 in Berlin.



Wer sich über die Entstehungsgeschichte der Symphonie informieren möchte:

https://de.wikipedia.org/wiki/7._Sinfon ... takowitsch)
Für eine freie und selbstbestimmte Ukraine.

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Halbdaggl
Yep. Celi, der dem Nach-Nazi-Deutschland erstmals die Schönheit russischer und französischer Kompositionen des 20. Jahrhunderts nahebrachte!!!

Lieber @Unter Westfalen! Möchte jetzt keineswegs dem von dir genannten Stück die Ehrfurcht verweigern, indem ich hier eines der Lieblingsstücke von Celibidache verlinke. Es hat mich mein Kommentar zum Shostakovich nur daran erinnert - und da ich gerade ein mittlerweile sehr selten gewordenes Gastspiel im Forum gebe, möchte ich mich revanchieren.

Voila, "La Mer" von Claude Debussy.



Ich habe es in meiner Münchner Zeit sogar erlebt, dass Celi dieses Stück vom Spielplan nahm, weil er in der ersten Probe merkte, dass das Orchester nach einer anstrengenden Konzerttournee nicht frisch und wach genug war, um dem Stück beim Konzertieren die unbedingt notwendige Aufmerksamkeit und Konzentration zu schenken.
Wenn die Unfähigkeit einen Decknamen braucht, nennt sie sich Pech.

- Charles Maurice de Talleyrand -

Unter Westfalen
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Grasdaggl
Heute vor 95 Jahren wurde Gershwins "Rhapsody in Blue" uraufgeführt.
Hier die älteste Aufnahme von 1924 mit Paul Whiteman and his Jazzorchestra und dem Komponisten am Klavier.
Für mich wegen den jazzigen tunes immer noch die Referenzaufnahme.
1924 wurde noch akustisch aufgenommen. Dennoch überrascht die Aufnahme mit der klaren Abbildung der Instrumente mit Verzerrung ins Groteske, z.B. bei der Klarinette.
Die Kürzung ist der Höchstspieldauer für Schellackplatten geschuldet, ca. 4-5 Minuten pro Seite.
Ab 1925 setzte sich das elektrische Aufnahmeverfahren durch.



Gerhswin hat den Klavierpart auch auf Piano Roll eingespielt.
Es gibt eine moderne Aufnahme, bei der sein Part in eine Fassung mit großem Orchester eingefügt worden ist.

1959 erschien auf Capitol diese Aufnahme, ebenfalls mit Paul Whiteman und seinem Orchester, allerdings deutlich "verklassikt". Damaliger Preis: 12 DM (ich bekam 5 DM als Taschengeld, das ich durch Zeitschriftenaustragen im Stuttgarter Westen aufbesserte). Meine erste Klassik-LP (25 cm), die mich mein ganzes Leben begleitet hat.
Analoger Stream.
;)

Für eine freie und selbstbestimmte Ukraine.