Um die Rolle der FDP in der bundesrepublikanischen Nachriegsgeschichte verstehen zu können, genügt es nicht, sich mit dem Etikett „wirtschaftsliberal“ zufrieden zu geben. Die Wurzeln der Partei sind vielschichtiger.
Eine ihrer Vorläuferparteien war die Deutsche Volkspartei (DVP)
https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_VolksparteiIn den Anfangsjahren der Bonner Republik firmierte die FDP noch unter FDP/DVP.
Die Nachkriegsgeschichte der FDP ist von Udo Leuschner (
https://de.wikipedia.org/wiki/Udo_Leuschner) aufgearbeitet worden, aus dessen Werk ich nachfolgend zitiere:
https://www.udo-leuschner.de/liberalismus/fdp1.htm.....
Im ersten Bundestag von 1949 bis 1953 spielte die FDP die Rolle einer schwarz-weiß-rot gefärbten Rechtspartei, die teilweise sogar vom Ungeist des Nationalsozialismus angekränkelt schien. In den wesentlichen Fragen der Innen- und Außenpolitik stimmte sie mit dem Koalitionspartner CDU/CSU überein. Vor dem Hintergrund des Kalten Kriegs unterstützte sie wie diese die Wiederaufrüstung und Westintegration der Bundesrepublik. Beide verband auch der schroffe Gegensatz zur oppositionellen SPD unter Kurt Schumacher. Unterschiede zur Union gab es vor allem in Fragen der Schul-, Wirtschafts-, Sozial- und Deutschlandpolitik. Während die Unionsparteien die Klerikalisierung des Staates betrieben, empfahl sich die FDP den Wählern als laizistische Partei, die beispielsweise die Einführung von Konfessionsschulen ablehnte. Ferner profilierte sich die FDP als kompromißlose Vertreterin von Kapital- und Eigentumsinteressen, während die CDU damals noch vom "Ahlener Programm" geprägt war, das zumindest verbal einen dritten Weg zwischen Kapitalismus und Marxismus propagierte.Bei Leuschner kann man auch nachlesen, warum und wie die FDP zum Sammelbecken von Rechtsnationalen und alten Nazis geworden ist. Die „Naumann-Affäre“ ist wahrscheinlich keinem von Euch ein Begriff:
Am 15. Januar 1953 gab die britische Besatzungsmacht bekannt, sie habe eine Verschwörung von ehemals führenden Nationalsozialisten aufgedeckt und die Rädelsführer verhaftet. Hauptverdächtiger war der frühere Staatssekretär im NS-Propagandaministerium, Werner Naumann, den Hitler in seinem Testament zum Nachfolger von Goebbels ausersehen hatte. Die Nazi-Verschwörer wollten ihre Anhänger bei der FDP und anderen Rechtsparteien Schlüsselpositionen besetzen lassen, um wieder an die Macht zu kommen. Prominentestes FDP-Mitglied mit Kontakten zum Naumann-Kreis war der nordrhein-westfälische Landtagsabgeordnete Ernst Achenbach, Vorsitzender des Außenpolitischen Ausschusses der Bundespartei.
Die Naumann-Affäre verschärfte die Spannungen innerhalb der Partei, die sich mit dem Konflikt zwischen dem "Deutschen Programm" und dem "Liberalen Manifest" bereits überdeutlich abgezeichnet hatten. Zu denjenigen, denen der ganze "Rechtsgalopp" zuwider war, gehörte etwa Reinhold Maier. Sogar in Nordrhein-Westfalen probte nun eine liberale Minderheit den Aufstand gegen den Landesvorsitzenden Middelhauve. Sie unterlag aber mit 52 gegen 231 Stimmen der Mehrheit, die Middelhauve das Vertrauen aussprach. Daraufhin beschloß am nächsten Tag der Landesverband Berlin, auf dem kommenden Bundesparteitag einen Mißtrauensantrag gegen Middelhauve einzubringen.Bundesjustizminister Thomas Dehler hielt es ebenfalls für an der Zeit, einen klaren Trennstrich zu den Ewig-Gestrigen zu ziehen: "Die letzten Wochen haben uns in erschreckender Weise gezeigt, daß diese gefährlichen Toren wieder am Werke sind. Wer an ihrem Geist teil hat oder wer sich auch nur mit ihnen eingelassen hat, taugt nicht für uns."Die FDP beauftragte Thomas Dehler, Fritz Neumayer und Alfred Onnen mit der Untersuchung der Vorwürfe. Am 5. Juni 1953 legte die Kommission ihren Bericht dem Bundesvorstand vor. Er offenbarte, daß in der nordrhein-westfälischen FDP eine Seilschaft alter Nazis bestand und die hauptamtlichen Mitarbeiter der Partei sich weitgehend aus ehemaligen hohen Chargen des NS-Staates rekrutierten. Die Unterwanderung begann mit dem inzwischen verstorbenen Fraktionssekretär Wilke, einem ehemaligen Mitglied der Reichsjugendführung, der 1947 zur nordrhein-westfälischen FDP gekommen war. Nach Feststellung der Kommission hatte Wilke den "Apparat" der Partei beherrscht und zahlreiche braune Gesinnungsgenossen protegiert. Als Beispiele für braune Hauptamtliche nannte der Bericht die Namen Zoglmann (SS-Obersturmführer und HJ-Gebietsführer in der Reichsjugendführung), Jäckel (Hauptgeschäftsführer in der Reichsarbeitskammer), Dr. Brandt (persönlicher Referent von Konrad Henlein), Marks (SS-Standartenführer), Gröschel (SS-Hauptsturmführer), Kraas (SS-Brigadeführer), Rieger (Kreisleiter), Stolle (Mitglied der Reichsleitung der "Deutschen Arbeitsfront"), Sieger (Ordensjunker), Mundolf (Gaurichter der NSDAP), Prager (Gebietsführer der HJ), Stachon (Kreisamtsleiter), Dr. Deumling (SS-Obersturmbannführer bei Gestapo und SD, Berndt (SS-Standartenführer beim SD) und Mertens (HJ-Bannführer).Das „Umfaller-Image“ hatte die FDP ihrem damaligen Vorsitzenden Erich Mende („der schöne Erich“ oder auch „Ritterkreuz-Mende“ genannt) zu verdanken:
Bei den Bundestagswahlen am 17. September 1961 erzielte die FDP mit 12,7 Prozent ihr bisher bestes Ergebnis. Sie bekam 67 Sitze im Bundestag, die Union 242 und die SPD 190. Es gab nur noch diese drei Parteien im Parlament. Der langjährige Trabant der CDU, die schwarz-weiß-rote DP, war inzwischen zerfallen bzw. in der CDU aufgegangen. Die FDP besaß damit eine hervorragende Position bei den Koalitionsverhandlungen. Rechnerisch hätte sie sogar mit der erstarkten SPD koalieren können, die nun die ersten Früchte ihres 1959 beschlossenen "Godesberger Programms" erntete. Aber das blieb reine Arithmetik. Die SPD erklärte sich sowieso für eine Allparteien-Regierung, aus der auch leicht eine Große Koalition mit der CDU/CSU hätte werden können.Die CDU/CSU hatte starke Einbußen erlitten. Die kurz vor den Wahlen erfolgte Errichtung der Berliner Mauer am 13. August 1961 markierte das vorläufige Scheitern von Adenauers Deutschlandpolitik, soweit sie aus dem illusionären Versprechen bestand, die Westintegration der Bundesrepublik mit einer friedlichen Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten vereinbaren zu können. Außerdem hatte sich Adenauer in den Tagen des Mauerbaues sehr ungeschickt verhalten und damit den alten Argwohn bestärkt, ihm sei an dem "heidnischen" Mitteldeutschland samt Berlin ohnehin nichts gelegen.Das Hauptproblem bei den Koalitionsverhandlungen war, daß der 86jährige Adenauer noch immer nicht abtreten wollte. Die FDP hatte im Wahlkampf versprochen, sich an keiner Regierung unter Adenauer zu beteiligen. Der Bundesvorstand bekräftigte diese Haltung nochmals kurz nach den Wahlen. Adenauer bestand indessen darauf, auch die neue Regierung zu bilden. Sein einziges Zugeständnis war, keine vollen vier Jahre an der Spitze der künftigen Koalitionsregierung zu stehen. Aber auf einen Termin für den Rücktritt wollte er sich von den Freien Demokraten auch nicht festlegen lassen.Der Bundeshauptausschuß der FDP beschloß am 21. Oktober 1961 mit 60 gegen 37 Stimmen, diese Kröte zu schlucken. Die FDP bekam so zum erstenmal das Odium einer "Umfaller"-Partei. Die stellvertretenden Parteivorsitzenden Oswald Kohut (Hessen) und Heinrich Schneider (Saar) legten aus Protest ihre Ämter nieder, weil sie mit der Kanzlerschaft Adenauers nicht einverstanden waren.An das Verhalten der FDP in der Debatte um die Verjährung von Naziverbrechen kann ich mich noch gut erinnern. Ich hing damals tagelang am Radio.
Am 25. März 1965 votierte die FDP-Fraktion geschlossen gegen die Verlängerung der Verjährungsfrist für Mord, mit der die weitere Verfolgung von Massenmorden an den Juden und ähnlicher Nazi-Verbrechen ermöglicht werden sollte. Der gemeinsam von Union und SPD getragene Gesetzentwurf unterbrach die Verjährung für den Zeitraum vom 8. Mai 1945 bis Ende 1949, in dem es keine eigenständige deutsche Gerichtsbarkeit gab. Das war insofern eine recht formale Konstruktion, als es auch nach der Gründung der Bundesrepublik so gut wie keine Verfolgung von Nazi-Verbrechen gegeben hatte. Man hatte die braune Vergangenheit derart gründlich unter den Teppich gekehrt, daß selbst Massenmörder noch immer frei herumliefen. Die Aussetzung der Verjährung garantierte keineswegs, daß ihnen endlich der Prozeß gemacht würde, verhinderte aber wenigstens den Skandal, daß sie sich ungestraft zu ihren Taten bekennen konnten. Da mußte es wie Hohn wirken, wenn die FDP nun rechtsstaatliche Gründe ins Feld führte und sogar Thomas Dehler, der nun wirklich keine braune Weste hatte, sich vehement gegen die Aussetzung der Verjährung von Nazi-Verbrechen aussprach.Wie Liebedienerei vor der alten Klientel der braunen Parteigenossen konnte es auch wirken, als Bundesjustizminister Ewald Bucher nach der Verabschiedung des Gesetzes seinen Rücktritt erklärte, weil er es nicht unterzeichnen wollte. Die FDP setzte noch eins drauf, indem sie sich außerstande sah, einen Nachfolger zu benennen, da alle in derselben Situation wie Bucher seien. Kanzler Erhard ernannte ersatzweise den CDU-Abgeordneten Karl Weber zum neuen Bundesjustizminister.Unbekannt dürfte den meisten die Rolle der FDP bei der Abstimmung zu den „einfachen Notstandsgesetzen“ sein:
Nicht so skrupulös war die FDP hinsichtlich der Notstandsgesetze, von denen weithin befürchtet wurde, daß sie der Exekutive eine Art neues Ermächtigungsgesetz in die Hand geben würden. Im Juni 1965 setzte sie gemeinsam mit der CDU/CSU die Verabschiedung der sogenannten einfachen Notstandsgesetze durch. Daß es nicht auch zur Verabschiedung des verfassungsändernden Kerns der Notstandsgesetzgebung kam, lag allein am Widerstand der SPD, ohne deren Zustimmung die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit nicht zu erlangen war. Mit der SPD stimmten die FDP-Abgeordneten Oswald Kohut und Heinrich Schneider gegen die Notstandsverfassung. Aber auch die SPD taktierte in dieser Frage nur: Sie war längst entschlossen, sich ihre Zustimmung für eine Große Koalition mit der CDU/CSU abkaufen zu lassen.
Gerade von der FDP hätte man in dieser Frage mehr Sensibilität erwarten dürfen, zumal ihr Vorläufer, die DDP bzw. Deutsche Staatspartei, 1933 das Ermächtigungsgesetz für Hitler gebilligt hatte. Zwei der Abgeordneten, die damals im Reichstag für Hitlers Ermächtigungsgesetz die Hand gehoben hatten - nämlich Theodor Heuss und Reinhold Maier - wurden sogar zu Galionsfiguren der FDP.Die wahren Liberalen, Hoffnung und Resignation, Karl-Hermann Flach:
Krönender Abschluß des Freiburger Parteitags war die einmütige Wahl von Karl-Hermann Flach zum Generalsekretär der FDP (mit 345 gegen 1 Stimme bei 2 Enthaltungen). Den Posten des Generalsekretärs gab es bis dahin nicht. Er war gewissermaßen für Flach maßgeschneidert worden.
Der 1929 geborene Karl-Hermann Flach hatte 1947 beim LDP-Blatt "Norddeutsche Zeitung" in Schwerin seine journalistische Laufbahn begonnen und sich der Liberaldemokratischen Partei der Ostzone angeschlossen. Nachdem die Sowjets ihre Repressalien gegenüber der LDP verschärften, war er 1949 in den Westen gewechselt. Ab 1954 betätigte er sich in der FDP und wurde 1959 als Nachfolger von Werner Stephan deren Bundesgeschäftsführer. Es war jene Zeit, als die FDP gegen Adenauer aufbegehrte und lieber in die Opposition ging, als weiterhin die Rolle eines gefügigen Vasallen der Unionsparteien zu spielen. Der Erfolg der FDP bei den Bundestagswahlen 1961 war auch das Verdienst ihres Geschäftsführers Flach. Die Partei ließ sich dann jedoch - entgegen ihrem Wahlversprechen - erneut auf ein Regierungsbündnis mit Adenauer als Kanzler ein. Die treibende Kraft bei diesem "Umfall" war Erich Mende, der seit 1960 als Parteivorsitzender amtierte. Für einen echten Liberalen wie Flach, der unter Thomas Dehler der FDP beigetreten war und unter Reinhold Maier die Bundesgeschäftsführung übernommen hatte, bedeutete der Ritterkreuz-Träger Mende das Ende aller Hoffnungen auf eine wirklich liberale FDP. Enttäuscht zog er sich 1962 wieder in den Journalismus zurück. Das Amt des FDP-Bundesgeschäftsführers übernahm nun Hans-Dietrich Genscher, der zugleich Geschäftsführer der Bundestagsfraktion war. Bereits die "Spiegel-Affäre" am Ende des Jahres 1962 kommentierte Flach als Journalist der "Frankfurter Rundschau", für die er dann von 1964 bis 1971 als stellvertretender Chefredakteur amtierte.
Mit den Worten "Hiermit melde ich mich aus der Reserve in den aktiven Dienst der FDP zurück" hatte sich Flach den Delegierten des Freiburger Parteitags vorgestellt. Seine Wahl zum Generalsekretär unterstrich die Abkehr von der Mende-FDP. Den erneuten Rechtsschwenk der Partei erlebte Flach nicht mehr. Am 25. August 1973 erlag er einem Gehirnschlag - ein schwerer Verlust für die FDP, deren Generalsekretäre seitdem von wesentlich bescheidenerem geistigen Format waren und der es nie mehr gelungen ist, mit programmatischen Äußerungen solche Beachtung zu finden wie mit den Freiburger Thesen.Über die Rolle der FDP nach 1978 in der sozialliberalen Koalition habe ich mich schon eingelassen. Die meisten werden sich aus eigenem Erleben dazu eine Meinung gebildet haben.
Daher nur stichpunktartig:
„Kieler Thesen“, das Hinausdrängen der Sozialliberalen aus der Verantwortung, die innerparteiliche Machtübernahme durch die Wirtschaftsliberalen, die 18%-Schuhsohlenaktion, „Partei der Besserverdienenden“, „Guidomobil“ usw. das sind für mich die prägenden Charakteristika der FDP in den letzten 30 Jahren. Eintreten für Bürgerrechte?
Eines muss man der FDP allerdings lassen. An fast allen Regierungen beteiligt zu sein, das Optimale für das Stammklientel (5-8%) herausgeholt zu haben, das ist schon eine erstaunliche Leistung.