Tifferette hat geschrieben:Vorab: es ist gut, dass jetzt wieder diskutiert wird. In der Öffentlichkeit, den Medien, den Vereinen, und auch hier.
Gleichzeitig fällt mir teilweise die Kinnlade runter. Zuerst finde ich verwunderlich, mit was für einer Nonchalance darüber hinweggebügelt wird, was da eigentlich passiert. Da wird wiederholt und konzertiert von Fans verschiedenster Vereine ein Mann aufs Übelste angegriffen. Ja, Hopp ist ein echter Unsympath, der sich in den letzten Jahren mehrfach idiotisch verhalten hat. Und Kritik an diesen Plastikvereinen sowie dem windelweichen Rumgeeier von DFB in Fragen wie 50+1 oder Kollektivstrafaten ist nicht nur berechtigt, sondern notwendig. Und die Ultras sind (fast) die einzigen, die das immer und immer wieder hochholen. Da hat zB Nilkheimer schon Recht. Dass es aber immer wieder gegen die Person geht und nicht gegen die Verbände und Vereine hat schon etwas von extremer Niedertracht. Mich besorgt schon, dass da vergleichsweise wenig Leute eine rote Linie sehen, die überschritten wurde. Als die Großkopferten reflexartig was von Verrohung schwadronierten, habe ich zunächst auch die Augen verdreht. Inzwischen sehe ich das anders. Wenn dann noch relativierend geschrieben wird, dass es ja eigentlich gar nicht um Hopp geht, dann macht es das nicht besser, sondern in meinen Augen noch schlimmer.
Zweitens finde ich den Vergleich mit rassistischen, sexistischen oder sonstigen Ausfällen im Stadion gleichzeitig richtig und hirnrissig. Abstrakt sind wir uns wohl alle weitestgehend einig, dass Rassismus und Sexismus im Stadion nix zu suchen haben. Bei Beleidigungen muss ein wenig abgewogen werden - das ist Teil der Fußballfolklore und niemand macht ein Fass auf, wenn die Kurve nach einer hitzigen Phase mal den Schiri einen gegnerischen Spieler als Arschloch tituliert. Mei. Nicht die feine Art, gehört aber dazu. Das Problem in der Causa Hopp ist doch weniger die Beleidigung, sondern die Massivität, mit der das auftritt. Das sind konzertierte Aktionen, die mit Billigung oder sogar Unterstützung eines nicht kleinen Teils der "aktiven Fanszene" einhergehen (hat UWe irgendwo auch schon sehr richtig geschrieben). Mir kann gerne mal jemand zeigen, wann es so was in deutschen Stadien zB in Sachen Rassismus gegeben hat und dann schauen wir mal, ob der DFB da aktiv wurde. Die Schlussfolgerung, dass jetzt ja jedes böse Wort zu einem Spielabbruch führen könnte oder müsste, ist jedenfalls Quatsch.
Da unterschreib ich alles, bis auf das Folkloreargument. Nein, genauer gesagt, das "es gehört dazu"-Argument. Das hat für mich immer etwas von Aufgabe oder Resignation, genau das nicht ändern zu können/wollen.
Man muss ja nicht schon wieder den Verweis aufs Rugby überstrapazieren, um zu zeigen, dass es auch anders ginge. Nur: Mir leuchtet einfach nicht ein, warum es hinsichtlich der Verrohung einen Unterscheid machen soll, welcher Ball da auf dem Spielfeld hin- und herfliegt. Imho liegt der Unterschied eher im Vorleben und der Kultur auf dem Platz: Solange die Halbgötter in Brustring oder Raute sich auf dem Platz aufführen wie Rumpelstilzchen, wird das auf den Rängen auch so laufen (Der Umkehrschluss ist natürlich auch zulässig.). Für mich ist es immer wieder beeindruckend, wie so ein angezündeter 2-Meter Schrank, der randvoll mit Adrenalin ist, vom so einem Männchen in Kniestrümpfen eingenordert wird. Warum schafft man das nicht bei einem "empörten" Thomas Müller?
Nichtsdestoweniger sollte man auch die Aktion der Spieler von Bayern und Hoffenheim am Samstag mal loben. Das setzte ein besseres Zeichen, als die Platitüden vom neuen DFB-Präse, die so klingen wie die Platitüden seiner Vorgänger.
Gerne kommt auch immer wieder das Argument mit den "Emotionen". Da tu ich mich auch etwas schwer. Wenn wir aus der Emotion heraus mal den gegenerischen Torwart am Pfosten festbinden und die Neunschwänzige auspacken, ist das auch nicht ok. Zu übertriebener Vergleich? Nö, war zum Beispiel Seerecht. Garnicht so lange her... Ich spiele hier nur auf Regelwerk an und die Frage nach dem "Wo ist die Grenze?". Kann man alles regeln und durchsetzen. Man muss nur ernsthaft wollen.
Ein Praxisbeispiel? Eigentlich sollte doch nur noch der Kapitän mit dem Schiri diskutieren und Rudelbildungen mit Gelb bestraft werden. Würde man das nur mal konsequent regelkonform umsetzen...
Leichten Herzens möchte ich Ihnen mitteilen, dass eine Aufgabe als Trainer des FC Bayern für mich niemals in Frage kommen wird.