https://www.bauerwilli.com/ratlos/Ich habe in den letzten Tagen mit einigen Kollegen telefoniert, die Sonderkulturen anbauen, darunter auch Erdbeer- und Spargelbauern. Die sind derzeit, 24.3.2020 um 20 Uhr, einfach nur noch ratlos. Und auch etwas sauer. Warum?
Was bisher geschah
Auf eigene Initiative hin haben sich Bauern zusammengetan, um ihre Saisonarbeiter aus den letzten Jahren mit dem Flugzeug aus Rumänien nach Deutschland zu holen. Der Landweg ist nicht möglich, weil Ungarn niemanden durchlässt. Zuerst sollte ein Flug in Frankfurt landen. Der wurde abgesagt. Dann kam die Meldung, dass eine Maschine in Dortmund landen sollte. Auch dieser Flug wurde abgesagt. Schließlich sollten die Landwirte ihre Arbeitskräfte am Flughafen in Berlin abholen. Nun wurde dieser Flug auch abgesagt. Ein wirklicher Grund ist bisher noch nicht zu ermitteln. Es heißt, dass die Bundespolizei über das Innenministerium von Horst Seehofer kurzfristig entsprechende Anweisungen erhalten hat, niemanden ins Land zu lassen. Übrigens waren alle Flüge bezahlt. Auf den Kosten bleiben nun die Landwirte sitzen. Danke, Herr Seehofer.
Warum osteuropäische Saisonarbeiter?
Wer nicht aus der Landwirtschaft kommt, wird sich fragen, warum keine deutschen Saisonarbeiter auf den Felder arbeiten. Die Antwort ist einfach: die Arbeit ist körperlich anstrengend und es wird meist nur etwas mehr als der Mindestlohn bezahlt. Das ist für eine rumänische Arbeitskraft ein fürstlicher Lohn, so dass 10 Wochen in Deutschland ein sehr wichtiger Zuverdienst ist. Für dieses Geld ist in Deutschland niemand bereit zu arbeiten. Deshalb kommen jedes Jahr rund 300.000 Männer und Frauen nach Deutschland. Nach Schätzungen aus der Branche sind derzeit etwas 15%, d.h. rund 45.000 Menschen im Land, um vorbereitende Arbeiten durchzuführen. Spargel und Erdbeeren sind ja nur ein Teil des Sonderkulturen, es geht jetzt auch darum, Gemüse und Salat in die Erde zu bekommen oder im Wein- und Obstbau Pflegemaßnahmen durchzuführen. Diese Ergänzung nur für diejenigen, die sonst so klug in den Kommentaren schreiben „dass an ja auch mal auf Spargel und Erdbeeren verzichten kann“.
Wer soll die Arbeit machen?
Vor dieser Frage stehen nun diejenigen, die Sonderkulturen in ihren Betrieben haben oder allein vom Gemüse-, Obst- und Weinbau leben. Mit der Aktion #GrüneHände und anderen Portalen wird derzeit händeringend nach deutschen Kräften gesucht, die mithelfen können. Bei einem Nachbarn, der einen Spargelbetrieb hat, haben sich Leute aus der Gastronomie gemeldet. Einer wollte Trecker fahren, einer verpacken und einer verkaufen. Spargel stechen wollte erst mal keiner.
Zum Glück wurde kürzlich eine Regelung erlassen, dass Kurzarbeiter den Arbeitslohn bis zu einer bestimmten Grenze nicht angerechnet bekommen. Das war bisher ein Grund zu sagen„wenn ich doch Kurzarbeitergeld bekomme, warum soll ich dann arbeiten?“ Die deutsche Versorgungs-Mentalität…
Und dann sind da noch Aussagen wie „sollen die da oben doch erst mal die Asylanten aufs Feld schicken“. Dazu gebe ich keinen Kommentar ab. Es dürfte klar sein, aus welcher Ecke das kommt.
Was essen wir in zwei Monaten?
Es gibt eine ganz einfache Gesetzmäßigkeit: Was jetzt nicht gepflanzt und gepflegt wird, kann im Sommer und Herbst nicht geerntet werden. Und: die Situation ist im europäischen Ausland nicht anders als in Deutschland. Es kann sein, dass der Warenstrom aus Südspanien und erst recht aus Italien schon bald zum Erliegen kommt. Oder der Transport von Gewürzgurken die aus Indien kommen und die man bei LIDL kaufen kann. Da wäre es doch gut, wenn wir hier eigenes Gemüse haben. Zur Not auch Steckrüben, dass hatten wir schon mal. Und wer im Mai Erdbeeren haben möchte, sollte sich nicht darauf verlassen, dass er die im Supermarkt bekommt. Weil die vorher jemand gepflückt haben muss.
Wer ist gefragt?
Zu allererst das Innenministerium und Horst Seehofer. Wenn er keine Möglichkeiten schafft, dass europäische Saisonarbeiter nach Deutschland kommen, ist die Lebensmittelversorgung ernsthaft gefährdet. Wenn tatsächlich 85% der Helfer fehlen, kann sich jeder ausrechnen, dass die Regale bald leer werden. Das darf nicht passieren. Dass Schüler und Studenten oder bestimmte Berufsgruppen zur Feldarbeit rekrutiert werden, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Das wären tatsächlich kriegsähnliche Zustände. Bleibt also nur der Appell und Freiwilligkeit.
Worüber wir uns alle klar sein müssen
Wenn die Nahrungsmittelversorgung in Frage gestellt ist, werden Dinge passieren, die wir uns lieber nicht vorstellen wollen. Ich meine Plünderungen und Anarchie. Und ich übertreibe nicht. Wenn es ums nackte Überleben geht, fallen alle Schranken. Von daher sind alle in der Gesellschaft aufgerufen, sich an Lösungen aktiv zu beteiligen. Wenn ich Kommentare von NGO, diversen Parteienoder auch bestimmte Medienberichte lese, scheinen das noch nicht alle kapiert zu haben. Es geht jetzt darum, zu verbinden, nicht zu spalten. Und alle Themen rund um die Landwirtschaft, die bisher für wichtig gehalten wurden und die Schlagzeilen gefüllt haben, sollten jetzt mal eine paar Wochen oder Monate hintenanstehen. Danach können wir die gerne diskutieren.
Hier eine Auswahl von Arbeitsvermittlungs-Portalen, die man hier findet
https://erntenforfuture.de/https://www.daslandhilft.de/https://www.saisonarbeit-in-deutschland.de/https://bauersuchthilfe.de/