Tamasi hat geschrieben:Wenn man nichts tun würde, würde sich die Verdoppelungsrate von ca. "alle 4 Tage" doch nicht halten lassen. Das ist doch der Punkt, oder? Und dann würde das Gesundheitssystem kollabieren, mit den entsprechenden Folgen etc.pp. Oder mache ich da einen Denkfehler?
Nee, so einfach ist das nicht. In der Wissenschaft geht man davon aus, dass es eine feststehende, virustypische "Attack rate" gibt. Außerdem geht man davon aus, dass bei einem normalen, also ungebremsten Ansteckungs-Verlauf sich ein festes Verhältnis der Ansteckungshäufigkeit zwischen zwei Infektionsgenerationen einstellt. Das läßt sich dann durch eine Exponentialfunktion ausdrücken. Bei der Veranschaulichung dieser Funktion: alle x-Tage eine Verdopplung, bleibt x konstant.
Tamasi hat geschrieben:Mich stört es, wenn man Meinungen, die NICHT der "alles nicht so schlimm"-Haltung entsprechen, als trottelig darstellt.
Moment mal. Das, was ich als "trottelig" beschrieben habe, war, einen Artikel weiterzulesen, der jedwede Art von Kritik an der Bewertung der Krankheit, Reichsbürgertum, Scientologytum usw zuordnet und dadurch massiv abwertet. Das ist etwas ganz anderes, als Deine Unterstellung.
Tamasi hat geschrieben:Sprich: Irgendwo scheint's doch zu haken.
Sicher. Mehrfach sogar. Die Bewertung der Ernsthaftigkeit der Corona-Epidemie hängt doch aber nicht daran, ob und wos mal hakt. Haken tuts eh immer. Das Hauptproblem sehe ich darin, dass definitiv falsche Zahlen zu einer falschen Wirklichkeitsbeschreibung und schließlich zwangsläufig zu einer falschen Politik führen.
Ich denke, dass es viele gute Argumente gibt unser Land nicht einfach nur auf unabsehbare Zeit herunterzufahren, um eine massenweise Ausbreitung des Virus zu verhindern. Ich denke, dass man mit einer Strategie der selektiven Isolation mit dem Ziel einer schnellstmöglichen Herdenimmunität am Ende deutlich besser fährt. Die Corona-Infektion wird zu sehr vielen Toten führen, dass ist aus meiner Sicht unvermeidlich. Die Politik verkauft auch gerade ein wenig die Hybris, wir könnten Epidemien dieser Art so smart handhaben, dass am Ende nur sehr wenige sterben müssen. Sie verkauft auch die Hoffnung auf einen schnellen Wirkstoff oder schnellen Impfstoff.
Viren-Epidemien grassieren jedes Jahr. Je mehr Menschen wir werden und je mobiler wir werden, umso leichter haben es die Viren. Die aktuelle "Krise" ist für mich viel eher eine "zivilisatorische Krise" als eine medizinische. Wir reden hier nicht über einen Killer-Virus, dessen Verbreitung schon so oft verfilmt wurde. Wir sollten uns eher über Überbevölkerung und Massenmobilität unterhalten.
Wir hatten jetzt in schneller Folge HIV, Ebola, Zika, Sars, Mers, Corona. Der Planet, den wir gerade nebenher noch schrotten, wehrt sich, wenn man so will. Natürlich ist das eine "epische" Interpretation. Nichtsdestotrotz fordert unsere Lebensweise halt auch viele Opfer und Schäden. Jetzt, wo es mal gerade nicht ein Atoll trifft, das absäuft, sondern uns und unsere Lungen trifft, werden wir plötzlich panisch und, ja, kaufen Klopapier
Ich sage also mitnichten "alles gar nicht so schlimm". Ich würde eher sagen, schon relativ schlimm, aber aus anderen Gründen, als dass jetzt wieder vorzugsweise alte und kranke Menschen an einer Virusepidemie sterben müssen. Virusepidemien raffen vermutlich zu ca. 90% ohnehin nur die Leute weg, die schon so hinfällig waren, dass sie in kürzerer Zeit eh gestorben wären. Wer will, kann diese Sichtweise zynisch finden. Ich hingegen empfinde es eher als zynisch, dass wir jedes Jahr 9 Millionen gesunde Kinder, die ihr Leben noch vor sich haben verhungern lassen, während wir hier eine Diät nach der anderen machen, weil wir uns andauernd überfressen. Aber auf diesen letzten Punkt, den ich hier jetzt zum dritten mal bringe, ist erstaunlicher Weise oder nicht, noch kein Einziger eingegangen. Ich vermute: weil jedem völlig klar ist, wie unangenehm das ist, wenn man sich eingestehen muss, dass man selbst eben auch nur ein zynischer Ignorant ist und im Zweifel lieber ein VfB-Spiel anschaut, als sich mit menschlichem Leid beschäftigen zu müssen....
Tamasi hat geschrieben:Ich hoffe, deiner Schwester geht's gut.
Danke, hatte gestern noch mit ihr telefoniert. Ihr und ihren Kollegen gehts schon wieder besser. Ich kenne jetzt aus der Nähe und der Distanz so ca. ein gutes Dutzend Erkrankter. Was die über ihre Krankheit und Symptome sagen, macht mich nicht bange. Meine Schwester hatte auch schon die echte Grippe und meinte wortwörtlich, wenn sie wählen könnte, nähme sie lieber nochmal Corona. Und meine Schwester (40) ist "Risikopatientin".