Maria Mohr, 45 Jahre, Filmemacherin
Ich habe bis heute keine Ahnung, wo und wie ich mich infiziert habe, es muss irgendwo in Berlin gewesen sein, im Café, auf einer Ausstellungseröffnung, ich war viel unterwegs. Die Krankheit an sich war sehr eigenartig. Es begann am 11. März. Ich bekam leichtes Fieber, war schlapp, eine Erkältung dachte ich. Nach zehn Stunden Schlaf fühlte ich mich besser und bin dann auch wieder rausgegangen. Vier Tage später, an einem Sonntag, bekam ich plötzlich Schüttelfrost, nachdem ich mit einer Freundin spazieren war. Ich habe mich hingelegt und bin bis Donnerstag quasi nicht mehr aufgestanden. Mein Fieber war nicht sonderlich hoch, um 38 Grad herum, aber ich war so fertig, dass es drei Tage dauerte, bis ich meine Ärztin anrufen konnte. Als sie gehört hat, dass ich nichts schmecke und nichts rieche, wollte sie sofort auf Corona testen. Den Test sollte jemand für mich in der Praxis abholen. Das war eine wahnsinnig seltsame Situation. Ich kenne so viele Leute - aber ich habe lange überlegt, wen ich fragen kann. Wer wird wie reagieren? Als wäre Corona ein Stigma. Schließlich ist ein Freund von mir extra aus Hamburg angereist, um mir den Test vor die Tür zu legen. Als ich am nächsten Tag das positive Ergebnis bekam, hat mich das nicht mehr gewundert. Der schmerzhafte Husten und ein Brennen in der Lunge, als hätte ich Sand eingeatmet. Mir ist vollkommen klar, dass eine Person mit Vorerkrankung oder ein alter Mensch das nicht so leicht wegstecken kann. Noch jetzt fühlt sich meine Lunge irgendwie kleiner an als zuvor. Wenn ich Fahrrad fahre, komme ich schnell aus der Puste. Meine Ärztin meinte: So eine Krankheit sei für den Körper Hochleistungssport. Auf der anderen Seite genieße ich die neu gewonnene Freiheit, weil ich mich nicht mehr anstecken und niemanden anstecken kann. Als hätte ich in Drachenblut gebadet. Es ist für mich aber immer noch surreal, eine der ersten Infizierten in Berlin gewesen zu sein. Warum ich? Ein Freund meinte im Scherz: "Maria, du warst eben schon immer Avantgarde."
Laura Sauter, 25 Jahre, Studentin
Als klar war, dass die Ausgangsbeschränkungen kommen, bin ich noch schnell zu meinen Eltern nach Bayern gefahren. Die haben ein Haus mit Garten, ich wohne in Leipzig allein in einer kleinen Wohnung ohne Balkon. Kurz nachdem ich am 20. März ankam, dann die Nachricht: Meine Eltern sind beide positiv auf Corona getestet. Meine Mutter war in Österreich zum Skifahren gewesen. Kurz darauf wurden wir alle krank. Meinen Vater erwischte es am schlimmsten, er hatte tagelang hohes Fieber. Ich fühlte mich anfangs nur ein bisschen fiebrig, aber dachte: Na ja, wenn es das ist, dann geht es. Dann aber bekam ich einen richtigen Fieberschub, hatte starke Kopf- und Gliederschmerzen und lag mehrere Tage bewegungsunfähig im Bett. Meiner Mutter ging es ähnlich. Die Nerven lagen bei allen total blank. Mir hat das psychisch schon zu schaffen gemacht, so krank zu sein. Aber andererseits hat es mich beruhigt zu wissen, dass die Sterblichkeitsrate so gering ist und auch nur wenige Menschen eine Intensivbehandlung benötigen. Wir haben auch viel Zuspruch bekommen, Nachbarn haben für uns eingekauft, auch mal Blumen vorbeigebracht. Und jetzt bin ich fast happy, weil ich erst einmal gegen das Virus gefeit bin.
Arzt, 57 Jahre, anonym
Ich war in keinem Risikogebiet - und habe mich trotzdem relativ früh infiziert. Das muss während der Arbeit passiert sein, denn auch einige Kollegen wurden krank. Im Krankenhaus gibt es natürlich Pläne für Pandemien. Es greifen zum Beispiel bestimmte Hygienevorschriften. Trotzdem ist uns klar, dass wir ein höheres Risiko als andere Berufsgruppen haben, krank zu werden. Bei mir ging es mit Grippesymptomen los, Gliederschmerzen, Husten, nur ein bisschen Fieber. Dann wurden die Beschwerden schlimmer, ich lag eigentlich nur noch im Bett. Als Arzt wusste ich, dass man nicht viel machen kann und einfach da durch muss. Ein Virus kann einen eben auch mal richtig erwischen, das ist dann anders als ein leichter grippaler Infekt. Aber es gab auch Momente, in denen ich überlegt habe: Wann ist der Punkt, an dem der Husten so schlimm ist, dass ich doch ins Krankenhaus muss? Dazu ist es zum Glück nicht gekommen. Nach zwei Wochen hatte ich langsam das Gefühl: Es wird besser. Ich habe mich während meiner Krankheit komplett isoliert, auch von meiner Frau, die es nicht erwischt hatte, die aber dennoch unter Quarantäne stand. Ich hielt mich nur noch in zwei Räumen unserer Wohnung auf, wir haben zum Glück zwei Bäder. Die Küche habe ich nicht mehr betreten. Stattdessen hat mir meine Frau das Essen auf einem Tablett vor die Tür gestellt.
Tobias Zettel, 33 Jahre, selbständiger Immobilienverwalter
Richtig Sorgen gemacht habe ich mir erst, als ich eines Morgens aufgewacht bin und ein Druckgefühl unter dem Rippenbogen hatte. Als ich mittags die zwei polnischen Würste essen wollte, die ich in einem Topf warm gemacht hatte, merkte ich: Geruchs- und Geschmackssinn waren komplett weg. Das war krass. Die Lungenschmerzen wurden über den Tag schlimmer, am Nachmittag bin ich aus dem Büro nach Hause und hab auch meinen beiden Mitarbeiterinnen zur Quarantäne geraten. Der kassenärztliche Bereitschaftsdienst war der Meinung, für einen Corona-Test reichten die Symptome nicht aus. Über einen Kontakt vom Rettungsdienst, bei dem ich zehn Jahre ehrenamtlich gearbeitet habe, konnte ich mit jemandem vom Gesundheitsamt sprechen. Einen Tag später, am 18. März, wurde ich getestet. Mein Freund ist mit mir in Isolation gegangen. Weil er sich nicht krank gefühlt hat, konnte er kochen und sich um mich kümmern, das hat gutgetan. Es wäre ein bedrückendes Gefühl gewesen, zwei Wochen alleine zu sein und niemanden sehen zu können. Sieben Tage habe ich fast komplett auf der Couch verbracht, sehr viel Schlaf gebraucht und permanent Druck auf der Lunge gespürt. Das Gesundheitsamt hat mich täglich angerufen und nach den Symptomen gefragt. Nach einer Woche wurde es besser, die Abgeschlagenheit ging vorbei, und ich konnte wieder ein bisschen Fitness auf der Matte machen. Inzwischen durfte ich die Quarantäne aufheben, aber ob ich jetzt wirklich immun bin, kann niemand sicher sagen. Ich halte weiter Abstand und achte darauf, regelmäßig Hände zu waschen und zu desinfizieren.
Pädagogin, 29 Jahre, anonym
Die ersten Symptome, schlimme Kopfschmerzen, hatte ich Anfang März, als ich mit meiner jüngeren Schwester ein Wochenende in Wien war. Ich habe mir nichts dabei gedacht, es war windig an diesem Tag, außerdem war ich müde von der Anreise. Am nächsten Tag hatte ich immer noch Kopfschmerzen, aber kein Fieber und auch sonst keine Symptome, die mich an Corona denken ließen. Ich habe Ibuprofen genommen, und wir haben das Wochenende wie geplant durchgezogen. Auch der Arzt, zu dem ich am Montag gegangen bin, hat erst nicht an das Virus gedacht. Ich kam nicht aus einem Risikogebiet und hatte keinen Kontakt zu jemandem, der krank war. Am Dienstag dann habe ich aber erfahren, dass einer meiner Kollegen sich wohl beim Karneval infiziert hat. Dann bin ich auch getestet worden. Ich war sehr überrascht, dass ich mich angesteckt habe - wir waren nur an einem Tag kurz gemeinsam in einem Raum. Ich hätte nicht gedacht, dass das so schnell geht. Auch wenn der Verlauf insgesamt milde war, fühlte es sich anders an als bei einer Erkältung. Ich hatte noch nie zuvor so starke Kopfschmerzen, allerdings nur leichten Husten. Und die Krankheit zieht sich nach meinem Gefühl ziemlich hin. Bis heute fühle ich mich nicht fit genug, meine gewohnten Übungen im Fitnessstudio zu machen. Freunden und Verwandten sage ich immer: Seid vorsichtig, ich weiß jetzt, wie schnell das gehen kann! Leider sind inzwischen auch meine Oma und mein Opa infiziert. Wir hatten keinen Kontakt. Sie müssen sich irgendwo in ihrem Dorf angesteckt haben. Meinem Opa geht es richtig schlecht. Er muss beatmet werden. Wenn ich nun an einem sonnigen Tag durch München laufe, dann denke ich manchmal: Die Beschränkungen müssten viel drastischer sein. Die Leute kommen sich auf ihren Spaziergängen immer noch zu nah.
Benjamin Fröhlich, 39 Jahre, Musikproduzent und DJ
Am 7. März waren meine Frau und ich auf einer Geburtstagsparty. In der Woche darauf fühlte ich mich plötzlich krank. Mein Rücken tat so weh, dass ich mich nachts in die Badewanne legen musste. Aber ich hatte nur leichtes Fieber und keinen Husten, an Corona habe ich nicht gedacht. Als meine Frau in der Apotheke Schmerzmittel holte, sagte der Apotheker: Ah, das kann von der Lunge kommen. Und am Wochenende darauf habe ich erfahren, dass mehrere Menschen, die auch auf der Party waren, positiv getestet wurden. Wer wen angesteckt hat, wissen wir nicht. Einen Test zu bekommen, war nicht einfach. Beim Gesundheitsamt kamen wir tagelang nicht durch. Von einem Freund, der sich auch auf der Party angesteckt hatte, haben wir von einem Arzt erfahren, der extra ein Corona-Test-Auto eingerichtet hatte. Dort wurde ich getestet. Es ist seltsam, wie unterschiedlich die Verläufe in unserem Freundeskreis waren. Einige hatten gar keine oder nur leichte Symptome, ich lag viele Tage nur im Bett. Der Vergleich mit einem grippalen Infekt, den man oft hört, hinkt total, jedenfalls bei mir. Meine Quarantäne ist inzwischen vorbei, aber ich werde immer noch schnell müde, wenn ich rausgehe. Meine Frau ist übrigens gesund geblieben. Wir haben in getrennten Zimmern geschlafen und versucht, Abstand zu halten.