Was mich die ganze Zeit an der Diskussion stört, ist, daß immer nur von "klaren Fehlentscheidungen" als Voraussetzung für den Eingriff des VAR die Rede ist, so auch ganz offiziell:
DFB hat geschrieben:Voraussetzung für ein Eingreifen des Video-Assistenten ist jeweils, dass nach seiner Einschätzung eine klare und offensichtliche Fehlentscheidung des Schiedsrichters auf dem Platz vorliegt. Ist eine solche, klar falsche Wahrnehmung des Schiedsrichters auf dem Platz nicht gegeben, darf der Video-Assistent nicht eingreifen.
Im zweiten Satz wird zwar richtigerweise von der Wahrnehmung als Kriterium gesprochen, aber die Formulierung des DFB erweckt den Eindruck als wüßten sie selbst nicht, wovon sie reden: wahlweise von Entscheidung und dann wieder von Wahrnehmung. Zur Klarstellung:
Der Sachverhalt um den es geht, ist das, was tatsächlich auf dem Platz passiert. Dieser Sachverhalt kann von den Beteiligten unterschiedlich, mglw. sogar gar nicht wahrgenommen werden. Aufgrund dieser Wahrnehmung (oder auch Nichtwahrnehmung) beurteilt der Schiri die Situation und auf diese Beurteilung fußt seine Entscheidung. Wir haben also drei auf den Sachverhalt folgende Schritte:
Wahrnehmung - Beurteilung - Entscheidung In allen drei Punkten (!) kann es Differenzen zwischen Schiri und VAR geben. Der Kasus knacktus ist jetzt der, daß wenn der VAR eine andere Wahrnehmung hat als der Schiri auf dem Platz, wird er zwanglsläufig zu einer anderen Beurteilung und damit zu einer anderen Entscheidung kommen als der Schiri. Und bei den eingeschränkten Voraussetzungen für den VAR-Eingriff, wie Tor, Strafstoß, rote Karte oder Verwechslung führt eine andere Wahrnehmung und damit einhergehend letztlich eine andere Entscheidung immer, also immer, immer immer zu einer klaren (Fehl-)entscheidung des Schiris (aus Sicht des VAR), und damit zu seinem Einsatz. Er legitimiert sich also stets selbst. Feine Sache, das, ist aber wohl so gewünscht, nehme ich an.
Als Beispiel der Haltegriff des Verteidigers gegen Kalajdzic: Der Schiri hat entweder überhaupt kein Ziehen wahrgenommen (Schritt 1), oder aber ein Ziehen wahrgenommen, das er als noch nicht regelwidrig beurteilt (Schritt 2). Der VAR hat entweder eine andere Wahrnehmung oder beurteilt das vemeintliche Ziehen anders. Wie man eine solche Situation aber wahrnimmt und dann beurteilt, ist in den allermeisten Fällen ein Frage von Nuancen: (halb zog er ihn, halb sank er hin, wer kann das von außen schon unzweifelhaft beurteilen). Aber immer kommt der VAR dann zu einer krass anderen Entscheidung, denn es geht ja immer nur um Tor / Nicht Tor oder Elfer / Nicht Elfer, und nicht ein bißchen Tor oder einen halben Elfer.
Also: Erst Wahrnehmung, dann Beurteilung, dann Entscheidung. Die vermeintliche Fehlentscheidung beruht somit auf einer angenommen Fehlwahrnehmung oder Fehlbeurteilung und die Unterschiede bei Wahrnehmung oder Beurteilung können minimal sein und dennoch führt dies zu gravierenden, gegenteiligen Entscheidungen.