Da gibts sogar Pfeile auf dem Boden damit man weis wo man zu stehen hat. Und wenn man als dummer Touri nicht dort steht, wird man komisch angeschaut
Ein Satz, der gerade danach schreit, wieder einmal den Klugscheißermodus einzuschalten.
Da ich ja wiederholt in Japan war, möchte ich einmal am Beispiel der Verbindung Tokio-Sendai erläutern, welche Bedeutung die „Pfeile“ (senkrecht zur Bahnsteigkante aufgetragene zweifarbige Linien, eine bevorrechtigte und eine nachberechtigte) haben.
Zwischen Tokio und Sendai (Fahrtstrecke ca. 350 km) pendelt alle 20 Minuten ein Shinkansen.
Hat man eine Reservierung, weiß man genau, an welchem Punkt man in den Waggon einsteigen muss. Man stellt sich also auf die bevorrechtigte Linie mit der Nummer des Waggons, ich meine, die Farbe ist Grün, kann mich aber auch irren. Ist auf der Linie kein Platz mehr, stellt man sich auf die Linie daneben (rot). Jetzt kann man in Ruhe die Asahi Shinbun, einen Manga, ein E-book lesen, auf dem Smartphone daddeln oder Musik hören, denn ab jetzt läuft alles seinen automatischen Gang.
Der Zug fährt ein. Da der Shinkansen nicht nur im Bahnhof auf eigenem Gleis fährt, sondern auch über eine eigene Trasse (meistens geständerte Gleisstrecken) verfügt, es somit keine Vermischung mit anderen Zugarten auf den Gleisen gibt, ist eine Verspätung nahezu ausgeschlossen. Es sei denn, das automatische Sicherungssystem hätte wegen eines Erdbebens den Zug auf der Strecke angehalten. Also kannst Du nach dem Shinkansen Deine Uhr stellen und zwar auch den Sekundenzeiger!
Inzwischen hat sich links und rechts neben den farbigen Linien die Reinigungskolonne, vorwiegend Frauen, aufgestellt. Der Zug fährt ein. Die Türe Deines Waggons hält direkt vor den Linien. Nun übernimmt der Chef, wie im Video gezeigt, das Kommando. Die ankommenden Fahrgäste steigen entspannt aus, jeweils von den Reinigungsfrauen mit einer lächelnden Verbeugung begrüßt. Hat der letzte Fahrgast den Zug verlassen, ertönt ein Pfiff und das Reinigungsportal betritt den Zug. Hinter ihm werden die Türen wieder geschlossen. Es gibt einiges zu reinigen, denn viele Fahrgäste verzehren während der Fahrt den Inhalt eines „Ekiben“ (
https://de.wikipedia.org/wiki/Ekiben) und hinterlassen die aufwendig gestalteten leeren Kartons im Zug. Ich weiß nicht, wie lange es dauert, bis der Zug vollständig gereinigt ist, aber die Zeit kam mir immer sehr kurz vor. Wieder ertönt ein Pfiff, das Personal steigt aus und nun kann der Zug von den Fahrgästen betreten werden. Alles erfolgt ohne Stress, ohne Hektik, denn jeder Fahrgast hat sich auf der Linie eingereiht, die zu „seinem“ Waggon führt.
Und was ist jetzt die Bedeutung der zweiten Linie? Sie wird wichtig für die Waggons, die nicht reserviert werden können. Wer auf der grünen Linie Platz gefunden hat, weiß, dass er auf alle Fälle einen freien Platz findet. Ist diese Linie „besetzt“, reiht sich der nächste Fahrgast auf der roten Linie vorne ein. Alle nachkommenden dann hinter ihm. Haben alle Fahrgäste von der grünen Linie die Waggons betreten, rücken die Wartenden von der roten Linie einen Schritt rüber zur grünen. Nie würde einer versuchen, den Zug noch zu betreten. Er hätte keine Garantie für einen Sitzplatz. Zudem wissen doch alle, dass der nächste Zug in 20 Minuten einlaufen wird.
Ich bin recht oft mit einem Shinkansen gefahren und ich habe noch nie einen Fahrgast stehen sehen. Scheint also alles eine Frage der Logistik zu sein. Dass die Toiletten astrein sauber sind, brauche ich nicht zu betonen. Außerdem hat jeder Waggon 1-2 Stehkabinen mit Urinals für Männer.
In dem Video kann man übrigens sehr gut sehen, wie genau der Zug hält, damit die Türen jeweils exakt vor den Schleusen der Bahnsteigreling stehen. Im Bahnhof Morioka kann die Reling versenkt werden, wie bei uns die Antiterrorpoller. Dass jemand vor einen einfahrenden Zug gestoßen wird, ist daher, zumindest auf den abgesicherten Bahnsteigen, nicht möglich.
Wer sich noch weiter über Zugfahren in Japan informieren möchte, dem kann ich den Blog von „Wanderweib“ empfehlen, einer jungen Deutschen, die praktische und fantastische Tipps hat, damit man sich als Tourist in Japan wohlfühlt und man sich so verhält, dass man von den Japanern nicht „komisch angesehen“ wird, was man grundsätzlich nie wird, denn dazu sind die Japaner viel zu höflich und stets bemüht, Fremden keine Schwierigkeiten zu bereiten.
https://wanderweib.de/tipps-japan-zug-fahren/