higgi hat geschrieben:In Schweden kostet Strom fast Nichts und uns hängt man an den Gas Preis, so dass die uns die Kohle aus den Taschen ziehen können wie sie wollen. Aber wir sollen sparen?
Island ist fast noch ein besseres Beispiel als Schweden. Durch die geringe Einwohnerzahl im Verhältnis zu den riesigen Energiepotentialen der Geothermie auf Island, wurden die weltweiten Aluminiumproduzenten (maßgeblich für die Autoindustrie) auf das kleine Land aufmerksam. Später dann die Silicium verarbeitende Industrie (maßgeblich für die IT-Branche). Beides Sparten, die für ihren exorbitant hohen Energieverbrauch bekannt sind.
Ein tolles Beispiel für „gelungene Globalisierung“?
Die geringe Zahl isländischer Einwohner bedeutet auch, dass dort kaum überschüssige Arbeitskräfte zur Verfügung stehen. Geothermie lässt sich aber nun mal nicht nach China, Indien oder Bangladesch globalisieren. Und die Isländer hatten keinerlei Neigung sich mit einer enormen Anzahl an billigen Sklavenarbeitern aus aller Herren Länder überschwemmen zu lassen. Zumal die Firmenzentralen dieser Firmen nicht in Island stehen, sondern in den USA, Kanada und China. Womit auch klar wird, warum die Isländer kaum bis gar nicht von den schönen Gewinnen dieser Firmen in Form von Steuern profitieren können.
Wie hat also der lokale Geothermie-Faktor letztendlich mit der Globalisierung fusionieren können? Automation! Man hat den gesamten Verarbeitungsprozess weitgehend automatisiert und benötigt heute kaum noch menschliche Arbeitskraft. Klingt zumindest für eine bestimmte Klientel erstmal „märchenhaft“, birgt aber für Island einen weiteren Nachteil: Automation ist noch ein größerer Energiefresser als die Verarbeitung von Aluminium ohnehin schon ist. Dort wo früher die Touristen die spröde Schönheit des rauen Nordens genießen konnten, stehen heute Fabriken und Geothermie-Anlagen in Serie. Nun haben die Dottirs und Sons gleich zweimal nichts von ihren natürlichen Ressourcen: die Gewinne sacken andere ein und die ökologischen Nachteile, vor allem auf den Tourismus wurden nach Island „globalisiert“.
Nochmal zurück nach Deutschland. Wir haben jetzt die absurde Situation, dass, wenn Putin gar kein Gas mehr liefern würde, bei uns der Strompreis wieder auf Normalniveau fallen würde. Aktuell würden wir ca. 60% weniger bezahlen. Das, für sich genommen, finde ich schon ziemlich irre. Hinzu kommt aber leider noch, dass unsere hiesigen Stromanbieter natürlich mit aller Gewalt an der Gasverstromung festhalten, denn sie ist ja die Grundlage für ihre unverdienten „Übergewinne“. Wobei schon die Diskussion über die Besteuerung von Übergewinnen wieder eine reine Ablenkungsdiskussion ist. Die Diskussion müsste darum gehen, jetzt, zumindest vorübergehend das Merit-Order-Prinzip an der Leipziger Strombörse auszusetzen, solange es kriegsbedingt eine solche Sondersituation gibt.
Aber gibt es diese Diskussion? Nicht mal die Verbraucherzentralen agieren hier!
Nochmal zum Merit-Order-Prinzip, um klarzumachen, wie pervers das eigentlich ist:
Stell dir vor du gehst in einen Supermarkt und kaufst 10 Waren zwischen 1 € und 10 €. In der Summe kostet der Einkauf 20 €. An der Kasse musst du aber tatsächlich 100 € bezahlen. Begründung: Es wird nur das teuerste Produkt berechnet 10x10€. Wer von uns würde jemals bei einem solchen Supermarkt einkaufen?
Doch beim Strom, wo es exakt genauso läuft, und wir nur auf Basis des Gaspreises für den gesamten Strom bezahlen müssen (während die Gasverstromung nur etwa 12% unseres Stromes ausmacht), wird das akzeptiert.
Wie wäre es, wenn ein Mineralölkonzern 10 € für den Liter Benzin verlangt und alle anderen verlangten 2 €. Trotzdem müssten wir alle und immer 10 € an jeder Tankstelle bezahlen, weil sich der Preis nur nach dem teuersten Anbieter richten? Wenn das passieren würde, hätten wir einen Bürgerkrieg hierzulande! Aber beim Strom lassen wir es uns gefallen?
Zumal wir ja als Verbraucher noch nicht mal eine Chance haben den Markt im Sinne von Angebot und Nachfrage mitzubestimmen, denn der einzelne Privatverbraucher kann ja gar keinen Strom an der Börse kaufen. Das können wiederum nur die regionalen Stromanbieter und die geben den Preis dann an uns einfach weiter. Denen ist der Strompreis egal, weil wir ihn ja am Ende zahlen.
Mich wundert ernsthaft, dass das kartellrechtlich und wirtschaftsrechtlich alles völlig legal sein soll. Am meisten wundert mich jedoch, dass Herr Habeck uns zum Energiesparen auffordert, anstatt selbst erstmal dafür zu sorgen, dass dieses Merit-Order-Prinzip sofort außer Kraft gesetzt wird in der aktuellen Situation.