RedBlues hat geschrieben:Dass wir uns nicht falsch verstehen, ich finde es richtig gut dass da endlich Schwung rein kommt. Und so eine Gesetzesänderung kann ja auch Dynamik bei den Behörden imitieren. Zum Beispiel dass das Bauamt digitalisiert wird und man Bauanträge digital einreichen kann. Was dann auch die Prüfung schneller machen würde.
Gut, dass man in BaWü da jetzt etwas ändert
Auch ein digitaler Bauantrag muss von Verwaltungspersonal auf seine Korrektheit überprüft werden. Ob sich ein zu bebauendes Grundstück oder umzubauendes Gebäude beispielsweise im unbeplanten Innenbereich befindet oder ob auf dem Areal bereits ein Bebauungsplan drauf legt, wird man sicherlich digital auf der Flurstückkarte hinterlegen können. Aber der Spaß fängt ja erst danach an. Liegt ein Bauvorhaben beispielsweise im unbeplanten Innenbereich oder handelt es sich um ein Mischgebiet, muss jemand prüfen, ob sich die zu überbauende Grundstücksfläche, die Bauweise, die baulichen Nutzung in die Eigenart der bereits vorhandenen baulichen Umgebung einfügt. Heißt im Zweifelsfall - wenn man nicht rein nach Aktenlage vom Schreibtisch aus entscheiden möchte: es muss da jemand rausfahren und nachgucken, ob die Umwandlung eines ehemaligen Friseursalons in ein Café überhaupt der Baunutzungsverordnung entspricht.
Dann muss es jemanden in der Verwaltung geben der weiß, ob der Gemeinderat in der Vergangenheit bereits einmal Ausnahmen für Baugenehmigungen erteilt hat, die laut Bebauungsplan oder allgemeinem Baurecht eigentlich nicht möglich waren (beispielsweise für so eine blöde einfache Sache wie die Dachneigung eines Carports). Denn wenn die Gemeinde auch nur ein einziges Mal eine solche Ausnahme genehmigt hat, muss sie das zukünftig auch allen anderen Bauantragstellern gewähren. Wenn es im Bauamt der Gemeinde niemanden gibt, der das weiß, dann muss Gemeinde in ihrem eigenen Archiv nachschauen. Kostet alles Zeit, kostet alles Personal, da hilft auch kein digitaler Bauantrag.
Danach musst du als Bauamtsleiter diesen Bauantrag in eine rechtssichere Beschlussvorlage für den Gemeinderat umformulieren. Und dieser Gemeinderat - der üblicherweise einmal im Monat tagt - entscheidet dann, ob er entscheidet oder nicht (also das Thema nicht vertagt, weil noch Beratungsbedarf besteht).
So absurd das klingen mag, aber: Eigentlich müsste man erst einmal Bürokratie aufbauen, um Planungsprozesse zu beschleunigen. Wenn ich unsere lokale Tageszeitung am Samstag aufschlage, dann finde ich dort seit Monaten immer wieder dieselben Stellenanzeigen. Hauptamt sucht Hauptamtsleiter, Bauamt sucht Bauamtsleiter, Kämmerei sucht Kämmerer und alle diese Ämter suchen obendrein das dazugehörige subalterne Verwaltungspersonal. Es tut sich nichts, die kriegen ihre Stellen einfach nicht besetzt. Und das muss auch niemanden wundern angesichts der Gehälter, die dort gezahlt werden, vergleicht man das mit dem, was man in der freien Wirtschaft für vergleichbare Tätigkeiten gezahlt bekäme. Die deutschen Verwaltungen werden seit mindestens zwei Jahrzehnten zu Tode gespart. Die reine Digitalisierung wird daran nichts ändern können. Und sie wird auch Planungsprozesse mehr nicht um das Maß beschleunigen, was viele sich davon träumen. Das geht nur, wenn die Behörde das notwendige Personal hat.
"Ein Wort, Herr! Sag mir nur ein einziges Wort in diesem Elend!" - "Ich sage dir sogar zwei: Guten Appetit!"
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"Es gibt keine Lösung. Weil es kein Problem gibt."