Tifferette hat geschrieben:
Aber um auch noch was beizutragen (nein, nicht zum neuen Thema): sehr hübsch und auch anders fand ich "Orphan Master's Son" von Adam Johnson. Den deutschen Titel kenne ich wie immer nicht. Wenn auch nur die Hälfte der Beschreibungen so einigermaßen stimmt, dann habe ich wohl unterschätzt, wie dysfunktional Nordkorea ist.
Guter Tipp.
http://www.deutschlandfunk.de/ein-blick ... _id=266676Habe in einem kurzen Zeitraum doch einige nordkoreanische Bücher gelesen und musste mal eine
Lesepause machen. Eins liegt noch ungelesen auf dem Stapel > So etwas wie Glück von Choi Yeong Ok
(2015 Rowohlt).
Mut zur Freiheit - Meine Flucht aus Nordkorea - Yeonmi Park
Yeonmi Park träumte nicht von der Freiheit, als sie im Alter von erst 13 Jahren an der Seite ihrer Mutter aus Nordkorea floh. Sie wusste nicht einmal, was Freiheit ist. Alles, was sie wusste war, dass sie um ihr Leben lief. Hunger, Krankheit oder gar Exekution drohten im Land. Yeonmi Park erzählt vom Kampf ums Überleben in einem der dunkelsten und repressivsten Regime unserer Zeit. Sie erzählt von ihrer Flucht aus der Hölle, von Schmugglern und Menschenhändlern in China und von einer wahren Odyssee nach Südkorea, wo sie endlich Freiheit findet. Die gebundene Ausgabe erschien unter dem Titel »Mut zur Freiheit«.
Die Tränen meiner Seele von Kim Hyun Hee
Kim Hyun Hee ist geständig, am 29. November 1987 mit einem Komplizen den Flug KAL 858 in die Luft gesprengt und so 115 Menschen in den Tod gerissen zu haben.
In Bahrain werden sie gestellt, der Komplize begeht Selbsttötung, sie überlebt nur knapp den Biss auf die Zyankali-Kapsel. Und trotzdem stirbt in Bahrain ein Teil von ihr. Ihr Alter Ego nämlich, die nordkoreanische Agentin, erwählt von der Partei, die sie ihrer Familie entreisst und die unverhohlen zum Ausdruck bringt, was man von der attraktiven und intelligenten Hyun Hee, kaum der Schule entwachsen, erwartet: Dass sie mit fremden Männern ins Bett geht und sich dem Tod in die Arme wirft, wenn es der Partei und damit Kim Il Sung, dem Befreier des Vaterlandes vom imperialistischen Joch, Begründer der Glaubenslehre vom Kimilsungismus, dem "Großen Führer", oder auch nur dem Despoten gefällt.
Es ist jedoch sein Sohn, Kim Jong Il, der den direkten Befehl gegeben haben soll, das Flugzeug zu sprengen. Nach seiner wie auch immer gearteten Logik soll der Verlust der Menschenleben die olympischen Sommerspiele in Seoul platzen lassen, die Revolution im kapitalistischen Süden befeuern und so ultimativ die Vereinigung der beiden Koreas vollführen. Wer's glaubt...
Kim Hyun Hee hat es geglaubt. Sie beschreibt in ihrer Biografie die Dressur zum Opferlamm, das letztendlich andere Menschen opfert. Sie beschreibt den Drill der, obgleich Kaffeehaus-Kultur in Wien und Savoir-vivre in Paris ihr nicht völlig am Hintern vorbeiziehen, sie dazu bringt, selbiges als Phänomene westlicher Dekadenz, als unumstößlichen Beweis nordkoreanischer Überlegenheit ihren Vorgesetzen zu rapportieren. Um zukünfige Ausflüge in die leibhaftige Hölle unternehmen zu dürfen, bringt sie ihren Vorgesetzten Geschenke mit. Und sie hat Erfolg damit. Der dritte Auslandseinsatz schickt sie auf eine aberwitzige Tour durch halb Europa und den halben nahen Osten, Spuren verwischen soll das und wirkt doch nur so abstrus wie von Idioten ersonnen. Der Aberwitz lässt 115 Menschen sterben, zerreißt ebenso viele Familien, wie zuvor Kims eigene Familie zerrissen wurde und lässt am Flughafen in Bahrain die alte Kim Hyun Hee sterben.
Die wiedergeborene Kim gesteht, bereut glaubwürdig, findet mit mildem Pathos zum Christentum, wird erst zum Tode verurteilt, dann begnadigt und lebt seitdem unter Polizeischutz in Südkorea. Ihrer Familie, darüber macht sie sich keine Illusionen, wird ihr Geständnis Zwangsarbeit und Lager eingebracht haben.
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Im Moment entspanne ich mit einem wirklich spannenden und satirischem Japan-Roman
"Die Journalistin“ von Saiichi Maruya
über das Presse- und Zeitungsmilieu und undurchsichtigen Verknüpfungen in Gesellschaft und Politik.
Ein ironisches Porträt, nicht nur in der modernen japanischen Gesellschaft.
http://japanische-literatur.blogspot.de ... aruya.htmlSaiichi Maruyas „Die Journalistin“ präsentiert eine Persiflage auf die japanische Medienwelt, auf Politik und auf Gesellschaft: Yumiko wird ins Kolumnistenteam einer Tageszeitung befördert. Da kann sie von Glück reden – denn eigentlich ist der Posten der einzigen Quoten-Frau bereits besetzt. Doch für Yumiko wird eine Ausnahme gemacht. Zeitgleich kommt auch Urano ins Team. Der Journalist ist zwar begnadet, wenn es um Recherche geht, doch schreiben kann der Schreiberling so überhaupt gar nicht. Also übernimmt es die gutmütige Yumiko, aus Uranos Entwürfen druckfähige Artikel zu erstellen.
Einerseits aus Frust, da ihr Geliebter, ein verheirateter Professor für Philosophie, sie versetzt hat, andererseits aus Überzeugung sticht Yumiko eines Tages mit einem Leitartikel in ein Wespennest: Gewisse politische Kreise drängen daraufhin ihren Arbeitgeber dazu, sie in eine unbedeutende Abteilung abzuschieben. Doch so einfach gibt Yumiko nicht klein bei - sie aktiviert ihr gesamtes Netzwerk, das neben Urano und ihrem Geliebten auch ihre Tochter, ihre Tante, einen Yakuza, einen Finanzbeamten, einen Geschichtswissenschaftler und einen Kalligraphen umfasst. Das Networking geht sogar soweit, dass sich das Töchterlein von einem geifernden Alten betatschen lässt.
Seite 94:
>> "Ah, fertig, ja? Gut, gut", nickte der Vize und las den Text parallel auf dem Monitor und auf dem Ausdruck. Das vorherrschende Gefühl bei ihm in diesem Augenblick war Neid, und zwar auf die männlichen Kollegen, die vorzeitig die Flucht ergriffen hatten. Er wusste nur zu gut, weshalb: Keiner wollte sich der peinlichen Situation aussetzen, Yumikos Artikel lesen zu müssen, gewissermaßen stellvertretend für die männlichee Bevölkerung Japans und womöglich der ganzen Welt. Instinktiv nahm er hastig einige Änderungen an seinem eigenen Leitartikel vor, der schon seit ewigen Zeiten genau für diesen Fall in der Schublade schmorte. (Er vertrat darin die Ansicht, dass man Seniorenaktivitäten subentionieren sollte, da es sinnvoll sei, älteren Menschen noch etwas beizubringen wie etwa Gedichte schreiben, Fremdsprachen , Karaoke, Nō-Gesang, Krocket oder Golf).