- vivafernanda
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- Granadaseggl
Mal den Nachtfred retten, bevor auf Seite 6 landet.
Bin nicht inspiriert, sollte deshalb auch nichts schreiben.
Denn die Nacht ist ja eigentlich die Zeit für die großen Gedanken. Oder die erwähnenswerten zumindest.
Aber bei mir herrscht gerade einfach nur Allnacht.
Alles wie gehabt. Kaffee schmeckt mittlerweile alt. Müdigkeit schleicht sich von ferne an.
Falls Ihr mal echte Helden sehen wollt, kommt meinen Arbeitsplatz besuchen.
Hier warten Menschen mit spannenden Lebensgeschichten auf ihren Tod. Manche bewußter als andere.
Diese letzte Phase kann so alltäglich (und -nächtlich) sein, dass man sich nur wundern kann. Das Leben ist einfach wie immer, bis es vorbei ist?
Keine extra Sternschnuppen? Kein Glanz? Das Leben haucht seinen Atem aus und die Zeit vergeht und der Staub sinkt auf alle und alles.
Manchmal wünschte ich mir mehr Aufregung.
Nicht die bedrohliche, die wir auch haben. Blut. Schmerz. Atemnot.
Sondern schöne. Ein bißchen wild vielleicht. Ungewöhnlich.
Aber da zeigt sich: Viele Menschen sind erschöpft und empfindsam am Ende. Sie mögen es nicht laut oder aufregend. Sie mögen die Ruhe, das Gleichmaß. Zuviel Besuch ist so schlecht wie zu wenig.
Und schöne Aufregung wird am besten von langer Hand geplant.
Was mich oft traurig macht: Viele können nicht mehr lesen. Sie schaffen es nicht, sich zu konzentrieren oder die Augen machen nicht mehr mit.
Die Vorstellung: Viel Zeit zu haben, sich schwach zu fühlen, aber dann nicht mehr lesen zu wollen oder zu können. Das ist schlimm. Der Fernseher allein ist zu wenig.
Vielleicht hören? Vielleicht möchte ich am Ende vorgelesen bekommen. Jemand, der neben mir sitzt, der mich nicht stresst mit 1000 Fragen zu meinem Ergehen, sondern der aus meinen Lieblingsbüchern vorliest.
Oder ich höre einem Buch zu, das aus dem CD-Spieler oder vom Rechner kommt:
Harry Rowohlt wie er Pu der Bär liest z. B.
Oder ich selber fange jetzt schon an und mache mir ein Mixtape sozusagen. Lese meine Lieblingsstellen ein. Alle paar Jahre wird hinzugefügt, gestrichen, verändert. Und wenn ich dann nicht mehr kann, höre ich das, von dem ich viele Jahre dachte, dass es mich freuen würde.
Eigentlich keine schlechte Idee, die aber trotzdem in die Hose gehen kann. Man ahnt ja nicht, wie wenig man sich vorbereiten kann auf diese Wartezeit. Niemand weiß im Voraus, was er dann wollen oder brauchen wird. Wie wohltuend, dann jemanden zu haben, der einen kennt und versteht. Oder zumindest jemanden mit Ideen und Empathie.
Manchmal ist das meine Aufgabe: Ideen haben, die das Hier und Jetzt erträglicher machen oder vielleicht sogar für einen Moment zu etwas Schönem.
Wie erleichternd und bestätigend, wenn das gelingt. Wie frustrierend und traurig, wenn nicht. (Ich weiß, dass es nicht immer gelingen kann, aber es ist trotzdem schwer auszuhalten.)
Manchmal muss man etwas wagen und mutig sein. Der eigenen Intuition mehr trauen als dem Augenschein.
Genug, genug.
Schlaft alle wohl.
Eine Hand, die schiebt, ist besser als 100 Hände, die ziehen.