Frank N Furter hat geschrieben:@Muffie
Ich denke, dass eine deutlich bessere Kontrolle der Internetaktivität von Kindern möglich ist. Die Freiheit des Internet, die ja auch nicht unerheblich auf der Anonymität beruht, wird halt gegen den Protest der Enthusiasten in so fern eingeschränkt werden müssen, dass es mit der Anonymität irgendwann mal vorbei ist. Oder anders gesagt: entweder haben wir ein anonymes Internet oder psychisch gesundere Kinder.
So, wir kommen in den Bereich IT, da habe ich im Gegensatz zum dem Psychologiemist minimal mehr Wissen... minimal
Erstens: die Freiheits des Internets kann niemals eingeschränkt werden, so dass eine Anonymität vorbei ist, die gleiche Diskussion mit der damaligen Zensurbemühung unter Familienministerin Uschi v. d. L.. Man kann Webseiten nicht einfach von Deutschland aus löschen, wenn die Server bzw. Hoster physisch in einem anderen Land sind... man kann maximal den Weg dahin erschweren, etwa mit einer DNS Sperre. Dabei sperrst Du aber lediglich die Domain, nicht aber die IP, zur Erklärung: Du kannst vielleicht die Domain
http://www.heise.de sperren, nicht aber die IP 193.99.144.85, die hinter der Domain steckt. Dann müsstest Du schon mit Geoblocking arbeiten, aber das ist ebenfalls nicht so einfach, da musst Du schon den Traffic eines kompletten Landes lahmlegen, wenn Du Server sperren willst, die in einem Land stehen, wo es mit der Strafverfolgung nicht so rosig ausschaut. Wer also auf Seite XYZ kommen will und ein wenig Wissen hat bzw. weiß wie man googlen kann, der kommt da auch drauf, Sperren hin oder her. Und dabei ist das Thema Darknet noch nicht mal berührt. Und wenn in absehbarer Zeit IPv6 voll umgesetzt wird und jeder Toaster seine eigene IP hat, ist es mit Geoblocking eh vorbei.
Zweitens: auch die Anonymität in Deutschland MUSS gewahrt werden, auch aus medizinischer Sicht, was ja Dein Bereich ist. In Foren fragen unzählige Menschen mittels Pseudonymen um Hilfe oder andere Meinungen, etwa:
-was bedeutet der gelbe Pickel an meinem Arsch?
-ich will mit meiner Alten morgen BDSM ausprobieren, wo peitsche ich sie für den Einstieg am besten?
-meine Mutter ist dement und mein Arbeitgeber will mir keine Teilzeit geben, die gehe ich am besten vor?
usw. usf.
Daneben gibt es politische Diskussionen, gesellschaftskritische oder auch Gebruddel über Fußball. Wenn ich diese Fragen unter verschiedenen Namen im Internet veröffentliche, ist das alle kein Thema. Steht hinter allen Anfragen nun mein realer Name (wie immer das ausschauen mag wenn ich Thomas Müller heiße), dann gibt es dabei mehrere Probleme:
-andere Thomas Müller geraten automatisch in einer Generalverdacht, wenn ich als Thomas Müller nun etwas veröffentliche.
-Alle Beiträge sind per Suchmaschinen ermittelbar, für Personalchefs eine herrliche Spielwiese um sich potentielle Bewerber mal näher anzuschauen.
-Auch in Sachen Profiling für Werbezwecke eine ganz böse Geschichte.
-Folge wird sein dass die Leute dann eben nicht mehr in Foren Rat suchen, jedenfalls bei solchen Themen.
Sollte man nun sagen, dass der Inhaber eines Accounts dann eben seine Daten hinterlegen muss, damit man ihn zur Not ermitteln kann: gibt es schon, nämliche eine IP, die man über den ISP zurückverfolgen kann.
Möchte ich dass mein Name in jedem Kackforum hinterlegt wird? Nein, man liest täglich über Exploits, mies gesichterte Server, veraltete Verschlüsselungen oder gleich Speicherung im Klartext. Ich war in mehreren Foren, wo ich irgendwann eine Mail vom Admin bekommen habe dass es einen Abfluss von Daten aus der db gab und ich möge mein Passwort ändern und die eingegebenen Daten überprüfen, was bzgl. Missbrauch relevant wäre. So war halt Tommy Lee aus Hamburg betroffen und nicht mein realer Name. Die Mail zur Anmeldung ist eh eine Einwegadresse, das Leben geht weiter. Sind es meine realen Daten, geht das Leben eben nicht weiter, Stichwort phising oder auch social engineering.
Das sind alles reale Probleme, die sich mit der Anonymität einigermaßen kompensieren lassen, aber das Hauptproblem ist die o. g. technische Umsetzung... und da kommen wir wieder auf das Anfangsproblem zurück, die Politik: wir haben/hatten Verantwortliche die nachweislich keinen Plan von der Materie haben, etwa eine ehemalige Justizministerin die nicht weiß was ein Browser ist, einen Innenminister der seit den Achtzigern im Internet unterwegs ist und eine Verteidigungsministerin, die damals als Familienministerin schon im Rahmen der Zensurdiskussion gezeigt hat, dass sie vielleicht Panzeruschi werden kann, aber nicht Hackeruschi. Das ist prinzipiell nicht der Aufreger, politische Verantwortliche haben nicht selten keinen Plan von der Materie, aber sie haben Berater und sollten einen klaren Verstand haben, die Vorschläge der Berater zu bewerten, und da scheint es zu haken.
Im Rahmen der Zensurgeschichte damals war es imho jedoch ein politisches trojanisches Pferd, um auf dem Rücken der Kinderpornographie eine einfache Sperrfunkion einzuführen, die irgendwann auf alle beliebigen Sparten ausgedehnt werden kann... wer weiß, vielleicht hätte Dietrich dann einen Antrag auf Sperrung aller VfB Forum gestellt, weil dort Todesdrohungen gegen ihn ausgesprochen werden.
Fazit: das Internet ist frei und muss es auch bleiben, sonst ist es tot. Es ist richtig dass Straftaten im Netz verfolgt werden, dafür gibt es genug Möglichkeiten (wie man kürzlich bei Durchsuchungen im Rahmen von Hasskommentaren auf Facebook und Co auch gesehen hat), aber das ändert nichts daran dass sich ein User anonym im Netz bewegen darf und muss. Man kann es drehen und wenden wie man will, das Elternhaus ist verantwortlich dass die Kinder einen verantwortungsvollen Umgang mit diesen Medien erlernen, aber wenn ich mir viele Spacken in unserem Kosmos so anschaue, dann bin ich schon froh wenn die Kinder nicht am Esstisch rüpsen und furzen!