Frank N Furter hat geschrieben:Tamasi hat geschrieben:Wenn man nichts tun würde, würde sich die Verdoppelungsrate von ca. "alle 4 Tage" doch nicht halten lassen. Das ist doch der Punkt, oder? Und dann würde das Gesundheitssystem kollabieren, mit den entsprechenden Folgen etc.pp. Oder mache ich da einen Denkfehler?
Nee, so einfach ist das nicht. In der Wissenschaft geht man davon aus, dass es eine feststehende, virustypische "Attack rate" gibt. Außerdem geht man davon aus, dass bei einem normalen, also ungebremsten Ansteckungs-Verlauf sich ein festes Verhältnis der Ansteckungshäufigkeit zwischen zwei Infektionsgenerationen einstellt. Das läßt sich dann durch eine Exponentialfunktion ausdrücken. Bei der Veranschaulichung dieser Funktion: alle x-Tage eine Verdopplung, bleibt x konstant.
Tamasi hat geschrieben:Mich stört es, wenn man Meinungen, die NICHT der "alles nicht so schlimm"-Haltung entsprechen, als trottelig darstellt.
Moment mal. Das, was ich als "trottelig" beschrieben habe, war, einen Artikel weiterzulesen, der jedwede Art von Kritik an der Bewertung der Krankheit, Reichsbürgertum, Scientologytum usw zuordnet und dadurch massiv abwertet. Das ist etwas ganz anderes, als Deine Unterstellung.
Tamasi hat geschrieben:Sprich: Irgendwo scheint's doch zu haken.
Sicher. Mehrfach sogar. Die Bewertung der Ernsthaftigkeit der Corona-Epidemie hängt doch aber nicht daran, ob und wos mal hakt. Haken tuts eh immer. Das Hauptproblem sehe ich darin, dass definitiv falsche Zahlen zu einer falschen Wirklichkeitsbeschreibung und schließlich zwangsläufig zu einer falschen Politik führen.
Ich denke, dass es viele gute Argumente gibt unser Land nicht einfach nur auf unabsehbare Zeit herunterzufahren, um eine massenweise Ausbreitung des Virus zu verhindern. Ich denke, dass man mit einer Strategie der selektiven Isolation mit dem Ziel einer schnellstmöglichen Herdenimmunität am Ende deutlich besser fährt. Die Corona-Infektion wird zu sehr vielen Toten führen, dass ist aus meiner Sicht unvermeidlich. Die Politik verkauft auch gerade ein wenig die Hybris, wir könnten Epidemien dieser Art so smart handhaben, dass am Ende nur sehr wenige sterben müssen. Sie verkauft auch die Hoffnung auf einen schnellen Wirkstoff oder schnellen Impfstoff.
Viren-Epidemien grassieren jedes Jahr. Je mehr Menschen wir werden und je mobiler wir werden, umso leichter haben es die Viren. Die aktuelle "Krise" ist für mich viel eher eine "zivilisatorische Krise" als eine medizinische. Wir reden hier nicht über einen Killer-Virus, dessen Verbreitung schon so oft verfilmt wurde. Wir sollten uns eher über Überbevölkerung und Massenmobilität unterhalten.
Wir hatten jetzt in schneller Folge HIV, Ebola, Zika, Sars, Mers, Corona. Der Planet, den wir gerade nebenher noch schrotten, wehrt sich, wenn man so will. Natürlich ist das eine "epische" Interpretation. Nichtsdestotrotz fordert unsere Lebensweise halt auch viele Opfer und Schäden. Jetzt, wo es mal gerade nicht ein Atoll trifft, das absäuft, sondern uns und unsere Lungen trifft, werden wir plötzlich panisch und, ja, kaufen Klopapier
Ich sage also mitnichten "alles gar nicht so schlimm". Ich würde eher sagen, schon relativ schlimm, aber aus anderen Gründen, als dass jetzt wieder vorzugsweise alte und kranke Menschen an einer Virusepidemie sterben müssen. Virusepidemien raffen vermutlich zu ca. 90% ohnehin nur die Leute weg, die schon so hinfällig waren, dass sie in kürzerer Zeit eh gestorben wären. Wer will, kann diese Sichtweise zynisch finden. Ich hingegen empfinde es eher als zynisch, dass wir jedes Jahr 9 Millionen gesunde Kinder, die ihr Leben noch vor sich haben verhungern lassen, während wir hier eine Diät nach der anderen machen, weil wir uns andauernd überfressen.
Aber auf diesen letzten Punkt, den ich hier jetzt zum dritten mal bringe, ist erstaunlicher Weise oder nicht, noch kein Einziger eingegangen. Ich vermute: weil jedem völlig klar ist, wie unangenehm das ist, wenn man sich eingestehen muss, dass man selbst eben auch nur ein zynischer Ignorant ist und im Zweifel lieber ein VfB-Spiel anschaut, als sich mit menschlichem Leid beschäftigen zu müssen....
Tamasi hat geschrieben:Ich hoffe, deiner Schwester geht's gut.
Danke, hatte gestern noch mit ihr telefoniert. Ihr und ihren Kollegen gehts schon wieder besser. Ich kenne jetzt aus der Nähe und der Distanz so ca. ein gutes Dutzend Erkrankter. Was die über ihre Krankheit und Symptome sagen, macht mich nicht bange. Meine Schwester hatte auch schon die echte Grippe und meinte wortwörtlich, wenn sie wählen könnte, nähme sie lieber nochmal Corona. Und meine Schwester (40) ist "Risikopatientin".
eventuell bin ich hier nicht schriftlich drauf eingegangen, aber Gedanken dazu und Gespräche darüber habe ich geführt.
Ich denke schon, man kann eine gewisse Ignoranz nicht leugnen. Man schaut kurz hin und lenkt sich wieder ab, weil man dieses große Leid weder fassen noch großartig ändern kann. (fürchte ich zumindest)
ich mache mir oft Gedanken über das Empfinden der Menschen gegenüber Ihresgleichen (Empathie)
Auch insbesondere gegenüber ihrer Kinder (vielleicht verstärkt seit man selbst welche hat)
Ich frage mich dann:
Brachte uns die Aufklärung dazu, die einzelnen Leben wertzuschätzen wie es schon immer hätte sein sollen?
Ist es denn überhaupt in allen Zweigen so?
Seit wann ist es so?
Trauerten die Eltern vor 100 Jahren um die vielen Kinder, die schon früh verstarben (bei der Geburt) oder im Krieg?
Trauerte man um ein bis zwei Kinder von 14? So wie man es heute täte?
Oder hatte man andere Probleme? Ist man zu dieser Empathie bereit, wenn man selbst nicht in höchster Lebensnot ist wie damals oder gehört die Aufklärung der letzten 100 Jahre zumindest hierzulande dazu?
Insbesondere die sehr gute Serie Charité brachte viele Überlegungen bei mir dazu in Gange (sah sie aber auch erst kürzlich; Erste Staffel fantastisch)
Ein Bekannter ist Neurochirurg und immer mal wieder in Afrika, um dort viele Behandlungen (Operationen)an Kindern vorzunehmen.
Die Quote an Erretteten Kindern ist aufgrund der Gegebenheiten recht überschaubar und schockierend aber in deren Lage möglicherweise nachvollziehbar die Reaktion der Mütter, wenn eines der Kinder eine OP übersteht aber ggfs. lebenslang geschädigt bleibt:
Mit meist weiteren Kindern anwesend (ggfs auch nochmal schwanger oder gerade stillend) kommt leider häufig eher eine ernüchterte Reaktion, die man wohl deuten kann als: Ein weiteres Kind, das man durchbringen muss und eventuell ob bleibender Schäden selbst nichts beitragen kann.
ich finde das aus unserer tollen und eigentlich "stets dankbar sein solltenden" Lage wirklich sehr traurig mitanzusehen und zu hören und das bringt mich wieder an den Anfang meiner Gedanken.
Aber: Was tun?
(Die Berichte vom Chirurgen nur aus zweiter Hand und selbstredend war ich nicht dabei, kann es mir aber durchaus vorstellen)
ansonsten: Diese steten Angriffe von Tiffi und Konsorten auf Fränk (in dem Fall als einer, der auch andere Gedanken äussert) kann ich nicht nachvollziehen. Provokation aus Langeweile? Manchmal scheint mir auch ein gewisser Neid aus diesen Attacken raus zu sprechen.
Ich lese jedenfalls, nochmal betont, alle Meinungen und Sichten der Leute hierdrin während und zu der Corona-Krise gern und mache mir über alle Blickwinkel Gedanken und lese viele der Berichte, die verlinkt werden.
Danke nochmal dafür an alle (!) Mitschreiber
Bleibt gesund (und eure Verwandten/Bekannten auch) und uns hierdrin treu (gilt auch insbesondere für jene, die sich schreibtechnisch etwas zurück gezogen haben; "Anfeindungen" ob der geäußerten und gegensätzlichen Meinungen sollten doch nicht dazu führen, sich hierdrin auch durch Rücktritt zu isolieren. Finde ich sehr schade; gerade in diesen Zeiten, wo man gerade im virtuellen Forum ganz eng beisammen stehen kann und sollte!)