Southern Comfort hat geschrieben:Ursache ist dann aber wie Du auch schilderst: Kein Vertrauen in den Schiedsrichter.
Da sehe ich schon einen entscheidenden Unterschied.
Fall 1:
Es wird eine Handregel formuliert, die dem Schiedsichter explizit kein Ermessen mehr zubilligt. In dem Fall ist die Regel eindeutig, aber der Schiedsrichter hätte durchaus noch etwas zu entscheiden. Z.B.: hat der Ball überhaupt die Hand berührt? Das ist dann aber sozusagen keine metaphysisch "wertende" Aufgabe, sondern eine kognitiv-sensorische. Würde er bei Unsicherheit dann den Monitor konsultieren, dann nicht mehr, um eine unzugängliche Größe wie Absicht nach eigenem Ermessen entweder zu unterstellen oder zu verneinen (das ist ja die grundsätzliche Überforderung), sondern schlicht in der Zeitlupe zu schauen, ob es eine Berührung gab oder nicht. Im Grunde hast Du recht, das könnte dann sogar der VAR oder ein Algorithmus.
Fall 2:
Du musst Vertrauen in das Ermessensvermögen des Schiedsrichters haben unnatürliche Handbewegungen (was immer das sein soll) und geistige Absichten eines Spielers erkennen zu können. Dieses Vertrauen wird ein Schiedsrichter nie bekommen. Es würde gar kein Mensch bekommen, weil Menschen so etwas eben grundsätzlich nicht können. Und deshalb wird es immer "Streit" und Diskussionen mit Spielern und Trainer auf dem Platz geben.
Southern Comfort hat geschrieben:Da war ich schon vor Jahren, habe plädiert, dass es eine starre Regel braucht. "Hand ist Hand. Technischer Fehler... Basta!"
Dann braucht man aber auch keinen Pfeifenmann mehr auf dem Spielfeld. Das schafft der Senso im Ball und eine KI.
Und, wäre das so schlecht?
Southern Comfort hat geschrieben:Es ist in der Tat so, dass wir in vielen Bereichen mit den Bewertungsspielräumen sehr gut leben können. Es juckt uns nur wenig, wann jetzt eine Gelbe kommt oder nicht. Wir stellen uns auf "Linien" ein, die der Schiedsrichter im Spiel vertritt. Oder das sehr weiche "deliberate play"...
Mit dem von mir gefetteten
wir sprichst Du jedenfalls nicht für mich. Mich juckt das nicht nur, sondern ich finde, das macht den Fussball nach und nach kaputt. Würde ein Schiedsrichter wirklich nach den Regeln pfeifen, müsste er inzwischen mindestens jeden zweiten Zweikampf abpfeifen, weil überall Hände im Spiel sind. Es wird geschubst, gehalten, am Trikot gezogen. Das ist laut Regeln alles ganz eindeutig verboten. Es wird inzwischen aber sogar als"gesunde Härte" verbrämt. Hätte der Schiedsrichter hier keinen Bewertungsspielraum mehr, müsste er all das konsequent abpfeifen. Würden das alle Schiedsrichter konsequent so handhaben müssen, gäbe es wieder mehr Fussball zu bestaunen und weniger Ringkampfeinlagen. Läßt man hier jeden Schiedsrichter auf seine Art aber "bewerten", ist z.B. der eine Viertelfinalist mit 16 Gelben Karten vorbelastet und der andere nur mit 4 Karten. In dem einen Spiel ist ein Spieler nach drei Vergehen vom Platz gestellt, in einem anderen Spiel ist z.B. Toni Kroos trotz mehrfacher Vergehen zur Halbzeit immer noch Jungfrau. Alles, weil jeder Schiedsrichter individuell "bewertet" und "bemisst", anstatt das die Regeln einfach kompromisslos angewendet werden.
Ich halte Deinem Ansatz der "Bewertungsspielräume" also entgegen, dass uns genau diese Berwertungsspielräume inzwischen in diese gesamte Schubserei, Zieherei und Festhalterei geführt haben. Die Spieler testen nämlich solche individuellen Bewertungen immer wieder neu aus und verschieben dabei stetig über Jahre die Grenzen.