Local Zero hat geschrieben:Dass die Zone abgewirtschaftet hatte, konnte jeder sehen, der sich das Elend damals mal aus nächster Nähe angesehen hat. Oder in ihm gelebt hat. Wenn man sich dann anschaut, was sich da seit der Wiedervereinigung geändert hat, kann man als Ursache für den Hass, den grob geschätzt die Hälfte der Ostdeutschen 35 Jahre später gegenüber Westdeutschland empfindet, nur eine geschichtsvergessene Dummheit gepaart mit Freiheitsverachtung vermuten. Eine Aussage, die im Übrigen auch von so nicht wenigen Ostdeutschen (auch Historikern) geteilt wird.
Was nun nicht heißt, dass seitens Westdeutschlands im Zuge des Wiedervereinigungsprozesses nicht eklatante Fehler gemacht worden wären. Ich gestehe dem Kohl zu, dass er in argen Nöten war.
Volker hat geschrieben:„Kommt die DM bleiben wir, kommt sie nicht, geh'n wir zu ihr!“
Das war ja im Herbst 89 und im Frühjahr 1990 landauf landab in der DDR die Parole auf allen Demonstrationen. Birne hatte da, was das Resultat angeht, wohl nicht viel Spielraum. Sonst wäre ihm sein eigenes schickes Westdeutschland um die Ohren geflogen, zumal ihm ohne Wiedervereinigung Oskar Lafontaine bei der nächsten Wahl ohnehin in den Asch getreten hätte.
Was man aber kritisieren kann: die Methoden, die dabei angewendet wurden. Meiner Meinung nach waren vor allem Dingen zwei Prinzipien schwerste Kardinalfehler. Zum einen die gewählte Form der Wiedervereinigung nach Art. 23 Grundgesetz und den Ausschluss der Nutzung von Art. 146 Grundgesetz. Die gesamte DDR mit ihren 17 Millionen Einwohnern, immerhin ein Staat, den auch die Bundesrepublik im Grundlagenvertrag von 1972 offiziell als selbstständig und unabhängig anerkannt hatte, einfach nur so qua Verwaltungsakt „beitreten zu lassen“ und sich keine gemeinsame gesamtdeutsche neue Verfassung zu geben, war politisch gewollt und auf lange Sicht betrachtet eine Dummbeutelei. Die sich schwer gerächt hat, denn für viele Ostdeutsche entstand genau dadurch bereits in der Geburtsstunde des „Einig Vaterlandes“ der Eindruck, Deutsche zweiter Klasse zu sein. Der zweite schwere Fehler war das Prinzip „Rückgabe vor Entschädigung“.
Dazu kamen schwerste verwaltungstechnische Versagen, beispielsweise die Heerscharen verkrachter westdeutscher Juristen, Politiker und Beamter, die in Dünkeldeutschland aufgrund von fachlicher Vertrottelung selbst keinen Arsch an die Wand bekommen hatten und nun auf einmal in Dunkeldeutschland die neue Elite waren. Oder das eklatante politische Versagen der CDU im Umgang mit dem Rechtsextremismus. Denn die Grundlagen für diese Entwicklung, unter der wir heute zu leiden haben, wurden damals geschaffen. Beispiel: Obertrottel Kurt Biedenkopf, damaliger Ministerpräsident Sachsens (O-Ton:
"Die Sachsen sind immun gegen den Rechtsextremismus"). Der seinen eigenen Innenminister und äußerst erfolgreichen Ermittler in Sachen Rechtsextremismus, Heinz Eggert (ein Ostdeutscher) bei unwahren „homosexuellen“ Belästigungsvorwürfen ins Messer laufen ließ. Danach hat man die Nazis in Sachsen, wenn sie wieder mal ein Haus angezündet oder einen Menschen halbtot gestiefelt hatten, gern mal als Resozialisierungsmaßnahme zum Segeln an die Adria und nicht in den Knast geschickt. Es handelte sich übrigens um ein reines CDU-Kabinett damals in Suck-sen.
Dass sich AfD- Wähler (und auch die vom BSW, die könnten mittlerweile in Ostdeutschland drittstärkste Kraft sein, vermute ich einmal) nun einmal nach russischen Verhältnissen und einem starken Führer sehnen, ist ja keine Erfindung westdeutscher ZEIT-Abonnenten. Das faselt und sudelt die ideelle Unterschicht ja bei jeder sich bietenden Gelegenheit in irgendwelche Mikrofone oder in die Drukos auf Social Media. Ich habe mir vor einiger Zeit mal auf YouTube den Luxus gegönnt, und mir alte acht Millimeter und 16 Millimeter-Filme aus der DDR angeschaut. Und egal, worum es in diesen, mitunter sogar äußerst interessanten, weil (Alltags-) Geschichte wunderbar nacherlebbar machenden, Filmchen auch geht: Spätestens im dritten Kommentar unter diesem Filmen taucht der oder die erste Ostdeutsche auf und fängt an, geschichtsvergessen alles vollzuheulen. Wie viel schöner das doch früher alles war und dass sie „ihre DDR“ gern wieder hätten. (Wiewohl sie selbst sich damals natürlich nie als DDR-Bürger und Bürgerinnen empfunden haben, sondern ja schon immer Deutsche waren, nichwahr).
Zudem finde ich die Engführung von „AfD und Ostdeutschland“ geschichtsvergessen. Die AfD ist eine genuin westdeutsche Partei, der Großteil ihres Führungspersonals war/ist westdeutsch. Der Großteil ihres Urnenpöbels lebt und wählt in Westdeutschland. Und was die Wahl in Baden-Württemberg in einem knappen halben Jahr angeht, warne ich jetzt schon mal vorsorglich vor westdeutscher Überheblichkeit bezüglich des Abschneidens der AfD. Der Halbierer leistet ja vorzügliche Vorarbeit.
Geplündert hat man die DDR wohl nicht, dafür stand einfach viel zu wenig wertvolles Anlagevermögen in ihr herum (der Russe hatte ja ordentlich demontiert beim Klassenbruder nachdem der Hüttler sich die Rübe weggeblasen hatte). Das sieht bei dem Boden schon ganz anders aus. Irgendwie ist es ja schon bemerkenswert, dass fast der komplette private Grundbesitz und fast sämtliche Immobilien Ostdeutschlands von Westdeutschen geeigentümert werden. Und das, wo sich doch die gesamte DDR eigentlich in „Volkseigentum“ befand. Und die DDR - laut Bilanz der Deutschen Bundesbank wohlgemerkt - gar nicht so immens verschuldet war, wie man gemeinhin annimmt: DDR 27,6%, BRD: 41,8% (1990). Man stand mit etwa 11 Milliarden Dollar im Ausland in der Kreide. Und niemand kann mir erzählen, dass die gesamte Landesfläche der DDR nicht um ein Mehrfaches wertvoller war, als diese Summe.
Was ebenso hinzukommt:
„Bei einem Anteil von etwa 20 Prozent an der Gesamtbevölkerung sind Ostdeutsche in Führungspositionen stark unterrepräsentiert. Und zwar in allen Bereichen der Gesellschaft: Politik und Verwaltung, Wirtschaft, Medien oder Kultur. Überall ist der Anteil der Menschen, die in Ostdeutschland geboren wurden und eine Spitzenposition einnehmen niedrig.“https://www.ostbeauftragte.de/ostb-de/a ... eg-2224380Im Übrigen: Von Thüringen war nie die Rede.
