Der folgende Text ist schon etwas älter, geschrieben nach dem WM-Aus-Spiel gegen Südkorea. Ist aber trotzdem schön zu lesen. Eigentlich ein Bezahl-Artikel der SZ, aber sie verzeihen's mir hoffentlich; es ist ja auch Werbung für die Zeitung.
No Sturm, no Drang
Was in den deutschen Fußball gefahren ist? So einiges. Über Abgehobenheit, Rassismus und eine Mannschaft, die ihre Leichtigkeit verloren hat.
Von Holger Gertz
Manchmal kommt es einem im Rückblick so vor, als wäre man in dem einen Moment dabei gewesen, der vieles, was danach passiert ist, schon angedeutet oder erklärt hat. Bei dieser Weltmeisterschaft war es, genau zwei Wochen her, eine Veranstaltung des Moskauer Goethe-Instituts. Man geht da hin, um Visitenkarten auszutauschen, was bei einem solchen Anlass gesagt wird, ist normalerweise nur Aufwärmgeplänkel. So fing es auch im Goethe-Institut an, bisschen quatschen übers Teamquartier. Reinhard Grindel war da, Präsident des Deutschen Fußball-Bundes, und sein Vize Rainer Koch. Es gab Wurst und Brezn, und später im stickigen Klassenraum 6 ein Gespräch, das ständig unterbrochen werden musste, weil das Belanglose immer gleich ins Russische übersetzt wurde, wo es weniger belanglos klang, aber sicher nicht weniger belanglos war.
Bis jemand noch mal nach diesem Foto fragte, auf dem die Nationalspieler Mesut Özil und İlkay Gündoğan mit dem türkischen Präsidenten Erdoğan zu sehen waren. Ob das Ganze mehr Dummheit oder mehr Provokation oder doch eine Aktion mit Absicht und Plan war, war in der Öffentlichkeit lange debattiert, besprochen und betwittert worden, dann hatte der DFB-Teammanager und ewige Golden-Goal-Schütze Oliver Bierhoff die Debatte eigentlich abgeschlossen. Die Medien hatten aber nachgefragt, in all ihrer Lästigkeit. "Ihr beendet 's doch nicht, ihr bringt 's doch jeden Tag wieder drauf", hatte Bierhoff vor der WM live im Ersten zum tapfer dagegenhaltenden Alexander Bommes gesagt und das ganz alte Geheimrezept aller öffentlich handelnden Würdenträger strapaziert: Wenn es schwierig wird - schieb 's geradewegs auf die Medienleute.
Aber in Klassenraum 6, wo jedem der Schweiß in den Nacken kroch, gab Rainer Koch zu, dass auch von DFB-Seite nichts beendet sei. Jetzt erst mal Konzentration auf die Weltmeisterschaft, aber dann geht es mit dem Thema weiter. Koch sagte: "Wenn man in der Familie erwachsene Kinder hat, die eine schwere Examensprüfung vor sich haben in vier Wochen, und gleichzeitig gibt es in der Familie eine große und noch nicht vollständig geklärte Streitfrage, dann wird jeder Vater oder jede Mutter sagen: Jetzt wollen wir erst mal eine Atmosphäre schaffen, in der sich die Kinder voll auf die Prüfung konzentrieren können, um die bestmögliche Note zu erzielen. Aber die offenen Streitfragen merken wir uns und klären sie anschließend."
Koch ist Richter, ein solider, ernsthafter Mann. Und was er sagte, klang durchdacht einerseits, und andererseits klang es schon auch sehr nach einem schweren Gewicht, das die Delegation mit sich rumschleppt. Das war der Moment, der viel vorwegnahm; ein Hinweis darauf, dass dieser Weg kein leichter sein wird, wie Xavier Naidoo anlässlich der Weltmeisterschaft 2006 gesungen hatte. Die Weltmeisterschaft 2018 hatte gerade erst angefangen, noch war gar nichts passiert, auf dem Spielfeld jedenfalls noch nicht, aber die obersten Funktionäre des mächtigsten Landesverbandes der Welt sahen schon bemerkenswert matt und erledigt aus.
Draußen spielte im Garten des Goethe-Instituts am späten Abend die Band Das Paradies, es war noch schön warm, junge russische Frauen blickten zum flauschigen Sänger der Band hoch und wippten, der Sänger sang: "Lasst uns Dokumentationen kucken, die von erfolgreichen Menschen erzählen, ihrem Glanz und ihrem Licht." Da waren die Männer vom Fußballbund aber schon wieder auf dem Weg.
Wobei Koch und Grindel und die anderen Mitglieder der DFB-Delegation (und erst Recht die Spieler natürlich) Stunden und Tage damit zubringen könnten, Dokumentationen anzuschauen, die von erfolgreichen Menschen erzählen, und die erfolgreichen Menschen wären sie selbst, was das Ansehen der Dokumentationen einerseits langweilig und erwartbar machen würde, andererseits erbaulich fürs Ego.
Achtmal im Finale, zwölfmal unter den ersten drei. Wenn man miteinrechnet, dass im Fußball auch das Glück (Experten sagen Spielglück) eine Rolle spielt, ist das über die Jahrzehnte eine unfassbare Bilanz der deutschen Nationalmannschaft.
Jeder, der sich auskennt im Fußball, kann zu jedem Highlight das entsprechende Bild beschreiben. Rahn, der aus dem Hintergrund schießt. Völler, mit Frank Rijkaards Rotz in der Frisur. Gerd Müller, beim Schlusspfiff auf den Knien. Beckenbauer mit dem gebundenen Arm. Beckenbauer, unter dem Mond in Rom. Die fassungslosen Gesichter von Kroos und Klose und Lahm nach dem 7:1 gegen Brasilien. Jetzt sind die Deutschen, der amtierende Weltmeister und Confed-Cup-Sieger, die Nummer eins der Weltrangliste, in der Vorrunde raus nach einem 0:2 gegen Südkorea, letzter Platz in Gruppe F. Man fasst es, auch einen Tag später, eigentlich nicht.
Oder, wie es Jonathan Wilson vom Guardian beschrieben hat: Es gibt Ereignisse, die sind so apokalyptisch, dass sie eigentlich nicht eintreten können. "Und doch ist Deutschland in der ersten Runde zum ersten Mal seit 80 Jahren an einem angenehm sonnigen Nachmittag ohne großen Widerstand aus dem Weltcup ausgeschieden. There was no Sturm. There was no Drang."
Deutschlands Fußballer sind vom Glück geküsst und vom Erfolg verwöhnt, damit muss man umgehen können, aber es ist schwierig. Beim Tennisturnier in Wimbledon geht jeder Spieler und jede Spielerin auf dem Weg zum Center Court unter einem Schild durch, in das zwei Zeilen aus einem Gedicht von Rudyard Kipling eingelassen sind. "If you can meet with triumph and desaster / and treat those two impostors just the same." Sehr frei übersetzt: "Wenn du dem Triumph und dem Desaster begegnest / und beide Blender als die Gleichen nimmst." Wer das könnte.
Und so konnte man das, was am Ende mit der Nationalmannschaft passierte, ein wenig vorausempfinden, denn die Idee des Managers Bierhoff, die Fotoaffäre Erdo- bzw. Gündoğan für erledigt erklären zu können, erzählt natürlich etwas von der Hybris eines anerkannten und erfolgreichen Fußballschaffenden, der seine Kräfte überschätzt. Hybris ist ein Kernbegriff in dieser Geschichte, Abgehobenheit ein Stichwort, das seit Längerem genannt wird, wenn von der Nationalmannschaft die Rede ist.
Der Marketingspruch "Best never rest" vom Sponsor Mercedes klingt durchaus hochmütig, und ganz grundsätzlich haben sich solche Menschen, die daran glauben, dass echter Fußball noch immer nach Rasen und aufgewühltem Erdreich riechen sollte, schon seit Längerem emotional von einer Nationalmannschaft verabschiedet, deren mitreisende Fans sich in einem "Fan Club Nationalmannschaft powered by Coca-Cola" versammeln. Ein Club, dem man beitreten muss, wenn man an Karten für WM-Spiele kommen will. Wenn die Nationalmannschaft als steriles Produkt verstanden wird, dann wird dieser Fanklub gern als Beleg genommen für eine Entwicklung, in der sich ein Fußballteam von seiner Basis entfernt, und von den Leuten, die sich noch als Erwachsene freuen, wenn sie endlich das Glitzerbild von Manuel Neuer in der Rewe-Sammelstickertüte haben.
Ein Besuch also bei diesem Fanklub, der in Moskau ein Lager aufgeschlagen hat, kein Zeltplatz mehr wie früher, sie haben ein komplettes Hotel gemietet, das Holiday Inn Vinogradovo, es liegt hinter dem Bahnhof Altufyevo, der nördlichsten Station des Moskauer Metro-Systems. Man ruckelt mit der grauen Linie 9 durch Zwischenhalte, die sich entfernt so anhören wie die Aufstellung der sowjetischen Frauenvolleyball-Nationalmannschaft Mitte der Achtziger: Mendelevskaya, Savelovskaya, Timiryazevskaya, Dimitrovskaya und auch Petrovsko-Razumovskaya. Der Bahnhof Altufyevo liegt am Ende, wenn nicht am Arsch der Welt. Weil die deutschen Fußballfans in der Nähe untergebracht sind, könnte man vermuten, Altufyevo liege hinter den sieben Bergen und bei den sieben Zwergen, das würde passen. Aber es ist kein Zwerg zu sehen im Holiday Inn Vinogradovo, nicht ein einziges Mützchen ragt aus einer Rasenfläche hervor.
Abgesehen davon ist es sehr geordnet ausstaffiert, das Vier-Sterne-Haus, schon im Foyer steht eine Stellwand, auf die die Gäste mit Edding geschrieben haben, was man früher mit dem Taschenmesser in die Rinde alter Bäume geritzt hat: "Wir waren auch hier." Außerdem: "Osthessen grüßt die Nummer 1 der Welt", und "Zwei Birnen on tour". An der Theke liegt die Getränkekarte, Früh-Kölsch für 590 Rubel und Maisel's Weisse Original für 560 Rubel, und an der Pinnwand bieten Hajo und Steffen aus Zimmer 118 eine Taximitfahrt zum Flughafen an. Live von der Terrasse der vertraute Klang des Deutschen Fernsehens, Argentinien gegen Nigeria. Die deutschen Fans sitzen auf Bierbänken vor der Riesenleinwand und betrachten Messi und Moses und Maradona, der allerdings nicht seinen allerbesten Tag hat.
Am nächsten Morgen Aufbruch nach Kasan zum Spiel gegen Südkorea, 4.15 Uhr ist das Treffen in der Lobby. Der jüngste deutsche Fan ist zwei, der Älteste 83. Die Organisatoren regeln vieles, Reisen, Transfers, Sightseeing, das Leben in diesem Klub folgt dem Prinzip des All-inclusive, allerdings wirkt der Klub, so aus der Nähe betrachtet, nicht halb so furchterregend seelenlos wie aus der Ferne beschrieben. Und am Ende ist es sogar so, dass auch diese exklusiven Fans mit dem Deutschlandadler auf dem T-Shirt an die Mannschaft genau so wenig herankommen wie jeder andere.
Die nächste Stellwand im Foyer, dort haben sich die Ehrengäste verewigt, mit Autogramm und Handabdruck in Schwarz oder Rot oder Gold. Es waren da: die Funktionäre Grindel, Koch, Rauball und Curtius, außerdem zwei Eishockeyspieler und Oliver Pocher. Keiner aus dem Team, nicht mal der gesperrte Boateng oder der Ersatz-Ersatztorwart Kevin Trapp. Nähe ist im Konzept der Nationalmannschaft ganz offensichtlich nicht vorgesehen, zu diesen Fans hier nicht und auch nicht zu denen, die daheim ihre Deutschlandwürste auf den Deutschlandgrill legen und, wenn sie gut durch sind, diese Deutschlandwürste mit dem kühlen Deutschlandbier runterspülen.
Zwischenstation in St. Petersburg ein paar Tage vorher, die Deutschen hatten gegen Mexiko verloren, und in einer Seitenstraße der Prachtmeile Newski Prospekt stand Zakaria Thabith Chumwi, Berichterstatter aus Tansania in Ostafrika für den Sender Azam TV. Er wollte Passanten befragen, stellte sich aber genauso gern auch als Befragter zur Verfügung. Er hatte das Spiel gegen Mexiko gesehen, und jetzt legte sich eine gewisse und zweifellos ernst gemeinte Besorgnis in seinen Blick. Zakaria Thabith Chumwi, Experte aus einem Land, das - so formulierte er es - "den Fußball liebt, aber vom Fußball nicht zurückgeliebt wird", betrachtete den Weltmeister aus der Distanz. Und aus der Distanz sieht man am besten. Er sah deutsche Fußballer, die müde wirkten. "Warum seid ihr so schnell alt geworden?" Er sah deutsche Fußballer, denen etwas fehlte, irgendwas. Er sah jetzt seinen Kollegen aus Germany, schaute ihn an und sprach: "Hey man, wenn's so weitergeht, fliegt ihr raus."
Aber St. Petersburg ist eigentlich keine Fußballstadt, sondern eine Stadt der Kultur. Das gehört zum Bemerkenswerten an der WM in Russland: Wie Moskau und Petersburg, durch ihre bedrohliche und gleichzeitig beeindruckende Größe, den Fußballirrsinn schlucken, während das Leben halbwegs unbeeindruckt weiter rattert. Im Museum der Akademie der Künste in St. Petersburg allerdings berühren sich die Phänomene, dort ist eine Ausstellung des italienischen Malers Fabrizio Birimbelli, der Fußballer in der Haltung und im Kostüm von historischen Soldaten oder Offizieren zeigt. Überhöhung, auch das, aber zugleich auch dekonstruierende Überhöhung von 40 der besten Spieler aus Gegenwart und Zukunft. Man sieht, dass der stille Charismatiker Zinédine Zidane auch und gerade als Stratege in Uniform wirkt, während dem Brasilianer David Luiz mit seiner kindlichen Lockenfrisur durch das militärische Outfit eine fremde Ernsthaftigkeit zuwächst. Aus der aktuellen deutschen Mannschaft ist ein einziger dabei. Mesut Özil, mit hochgestelltem Mantelkragen und zwei goldenen Feldkanonen am Revers. Wie ein General sieht er nicht aus, eher wie der Soldat bei Shaw in "Arms and the Man", der statt einer Pistole Schokolade im Halfter hat.
Mesut Özil, der als Teil der deutschen Mannschaft den Menschen viel Freude gebracht hat, im Museum der Akademie der Künste in St. Petersburg.
(Foto: Holger Gertz)
Özil ist Weltmeister 2014 gewesen und hat die ganze Reise des Löw-Teams mitgemacht, aus dem Mittelmaß an die Spitze und zurück in den Abgrund der Gegenwart. Er gehörte zu einer deutschen Mannschaft, die den deutschen Menschen in den vergangenen Jahren viel Freude gemacht hat. Ein Weltstar, dem ein italienischer Künstler seine Reverenz erweist, indem er ihm in heiligen Hallen der Kunst einen schönen Platz frei hält.
In Deutschland wird Özil komplett anders gesehen. Und genau das macht dieses "desaströse WM-Aus" (BZ) in der Vorrunde zu einem anderen Ereignis als die anderen Horrortage, an denen die Fußballnationalmannschaft ihre Mittelmäßigkeit entdeckte oder wiederentdeckte, 1978 in Argentinien oder 2004 in Portugal. Diesmal, nach der "Peinlich-Pleite gegen Südkorea" (Bild ) geht alles tiefer, verlässt alles den Bereich des Fußballerischen, denn diesmal kann für die deutsche Blamage nicht der deutsche Terrier Vogts verantwortlich gemacht werden wie 1978, oder der deutsche Trainer Völler anno 2004. Diesmal ist es Özil, auf den sich Bild und AfD und die Deutschlandwurst Basler und die Hetzer im Netz schon länger festgelegt (fußballerisch: eingeschossen) haben, zuletzt auch die für Social Media zuständigen Kollegen des Intellektuellenkanals Pro Sieben ("We love to entertain you").
Wenn alle scheiße drauf sind, wird halt jemand rausgegriffen, der im Match gegen die Koreaner noch eine der besten Statistiken hat, aber Fachkenntnis spielt zur Hochsaison des Populismus keine Rolle. "Kleine Inspiration. Jetzt wäre ein guter Zeitpunkt für @MesutOzil1088 und den ein oder anderen, aus der Nationalmannschaft zurückzutreten." Pro Sieben hat sich danach ausdrücklich für den Tweet entschuldigt. Aber das Internet vergisst ja nix. Und Özil-Bashing liegt im Trend.
Der eine geht zu leichtfertig mit Worten um, der andere legt kalkuliert Feuer an die Lunte, und im großen Ganzen passiert dann dieses: Eine politische Debatte über Flüchtlinge verdichtet und fokussiert sich auf einen Fußballer und nimmt auf ihrem Weg einen knallhart ausgrenzenden Charakter an. Nicht nur das, was im Netz über Özil steht, ist Rassismus. Und der DFB muss sich jetzt zwar sportlich neu aufstellen, wie das unter Funktionären immer heißt. Er wird an Stellschrauben drehen und die Jugendarbeit optimieren und und und. Vielleicht muss er tatsächlich sogar den alten Adler Paule, das Maskottchen, allmählich in den Vorruhestand verabschieden. Das Wesentliche ist aber nicht die Frage, ob Deutschland - zuletzt fast zärtlich Schland genannt - in vier Jahren zu Weihnachten in Katar wieder Champion werden kann, das Wesentliche ist, dass der DFB die Debatte über Fußballer mit Migrationshintergrund in der Nationalmannschaft in den Griff kriegt. Er muss verhindern, dass Rassisten und andere Hinterwäldler über Stimmungsmache im Netz in die Aufstellung reinreden. Die Hetze gegen Özil, Gündoğan ist bei dieser WM losgetreten worden von Kräften, die Interesse an der Zuspitzung haben. Und wird weiterverbreitet von Fans und Journalisten und Experten, die entweder auch Interesse an der Zuspitzung haben, oder nicht wissen, was sie mit ihrem Geschwätz anrichten.
Es wird eine schwierige Aufgabe werden für den DFB, das Gift aus dem Dialog mit der Öffentlichkeit wieder rauszubringen, aber er muss die Aufgabe bewältigen, wenn ihm das Thema Integration so wichtig ist, wie seine Funktionäre bei Festreden immer behaupten.
Die Schweden haben ihren Streitfall sehr deutlich geklärt, die Mannschaft hat sich, im direkten und übertragenen Sinn, hinter ihren Mittelfeldmann Jimmy Touma Durmaz gestellt, einen Sohn von Einwanderern aus der Türkei, der im Deutschlandspiel jenen Freistoß verursacht hat, den Toni Kroos dann zum 2:1 ins Tor zirkelte. Durmaz bekam 3000 böseste Kommentare, auch Morddrohungen, er wurde als verdammter Fremder bezeichnet, als Selbstmordattentäter. Dann verlas er eine Erklärung, in der er sich dazu bekannte, Teil des schwedischen Teams zu sein, und am Ende riefen alle "Fuck Racism". Im deutschen Team: nichts dergleichen von Özil, auch nichts dergleichen von der Mannschaft, um Özil beizuspringen, nur der alberne Slogan #zsmm, der offenbar null Bedeutung hat und das Gewicht einer zu Boden taumelnden Gänsefeder.
Die Deutschen sind raus aus dem Turnier, jeder wird sehen, was er daraus lernt, und auch dieser Weg wird kein leichter sein. Aber der Ball rollt weiter, in Moskau rollte er vor ein paar Tagen bei einem Kleinfeldturnier, Fans aus verschiedenen Ländern gegeneinander. Von Gegenüber schauten die Kuppeln der Basilius-Kathedrale rüber, wie Zuschauer, die sich um den besten Platz drängen. Marc Reinmann aus Eschborn hat auch mitgespielt, einer der treuesten Anhänger der deutschen Mannschaft. Es war der Tag nach dem Sieg gegen Schweden, sah alles wieder ganz gut aus, und Reinmann erzählte, dass er nicht nur wegen der WM hier ist, sondern auch als Groundhopper. Groundhopper wollen so viele verschiedene Stadien sehen wie möglich. "Ich hab dreieinhalbtausend Spiele und 825 Stadien und schaue hier auch die russische vierte Liga an, die spielen ja durch." Er hat ein Derby in Moskau gesehen, und ein Freundschaftsspiel BK Chimky gegen Krasnojarsk. "Auch wenn die Deutschen rausfliegen, bleibe ich hier", hat Reinmann auf dem Roten Platz gesagt.
Am Samstag schaut Marc Reinmann ein Spiel in Podolsk, dritte russische Liga.