Haber hat geschrieben:Peter Handke hat es - glaub mal - in einem seiner frühen Romane geschrieben"Ich wünsche mir, dass ich mir nicht mehr auffalle"
... dass seine Romanfigur einfach leben kann, ohne sich ständig zu hinterfragen. Ohne diesen Zwang des Erkenne dich selbst
dieses permanente Reflektieren macht einen ja ganz kirre. Man*n will doch am liebsten einfach nur in den Tag hineinleben und möglichst sicher im Bett landen. Wer reflektiert schon? Soviel Drogen und Alkohol kann man*n ja gar nicht konsumieren um die Erkenntnisse wieder zu vertuschen. Deshalb lassen gute Psychologen ihre Patienten auch immer sagen:
Einfach sein
Dann könnten die allerbesten Psychologen auch einfach sagen: bring Dich um, dann hast Du es komplett hinter Dir (samt Reflektiererei).
Nee, mein Guter, hier liegsch a bissle falsch. "Reflektieren" hört sich natürlich mittlerweile tatsächlich auch ein wenig doof an. Dieses Schicksal teilen viele Psycho-Modewörter. "Achtsamkeit" kannst Du heute fast auch nicht mehr sagen, so abgedroschen klingt das. Vor 30 Jahren sollte jeder seine "innere Balance" finden etc.
Wenn man "reflektieren" übersetzt, dann kann damit auch gemeint sein, dass man selbst versucht seine Gefühle so genau zu empfinden, dass man sie sehr gut sprachlich beschreiben kann. Nur wer diese Fähigkeit erwirbt, ist eigentlich in der Lage sich einem anderen Menschen mitzuteilen und auch als der Mensch geliebt zu werden, der man ist. Das gewinnt dann also am Ende doch eine erstaunlich große Bedeutung. Leider redet bis heute die Mehrzahl der Leute davon, dass sie jemanden lieben, obwohl sie eigentlich sehr wenig über diese Person wissen.
Seine "inneren nichtsprachlichen" geistigen Vorgänge zu reflektieren führt letztlich auch auf einem längeren Weg dahin, dass man die Gefühle die man hat, überhaupt mal fühlen kann. Das ist besonders wichtig für Menschen, die irgendwann einmal etwas Schlimmeres erlebt haben im Leben und die damit verbundenen unangenehmen Gefühle nicht ausgehalten haben. Gerade bei Kindern ist das enorm gefährlich. Sie können ja ihre Emotionen meist noch überhaupt nicht steuern, so dass die einzige Chance die sie haben mit diesem teilweise wirklich lebensgefährlich negativen Gefühlen umzugehen, darin besteht, sie komplett wegzudrücken. Viele traumatisierte Menschen sind ausgesprochen emotionsarm. Das hat man leider jetzt auch wieder erfahren müssen, als die ganzen Missbrauchsopfer der Kirche endlich begonnen haben mal über ihr erlittenes Leid zu reden.
Menschen, die sich emotional gedimmt haben, haben leider nur noch eine sehr geringe Lebensqualität. Es ist ein bisschen so wie mit dem Geschmackssinn: was nützt das beste Essen, wenn Du nichts mehr schmeckst. Was nützen die schönsten Erlebnisse, wenn Du Dich kaum noch glücklich fühlen kannst. Um diese gedimmten Gefühle wieder voll zu entfalten - ja, das geht! - muss man eben in sich hineinhören und sich reflektieren, damit das nicht mehr Wahrgenommene wieder wahrnehmbar wird.
So, das waren jetzt nur zwei von vielen Beispielen, warum die Reflexion an sich für den Menschen von sehr großer Bedeutung ist und nicht nur ein Mode-Hype.
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